Mittwoch, 18. Januar 2012

Zur neuen CLUB Moderatorin: Mona Vetsch


In einem Interview (20 Min) sagte Mona Vetsch vor dem ersten Auftritt im CLUB, was für sie ein gutes Gespräch ausmacht. Für sie genügt es bereits, wenn  Dinge aufgedeckt werden können, die am Anfang verborgen blieben, wenn sie persönliche Geschichten zum Vorschein bringen lassen kann und während der Sendung nah an die Leute rangehen kann.



Als Gesprächsleiterin einer der wichtigsten Diskussionsrunden müsste die Moderatorin das Ziel haben, ein Thema auszuloten und zu vertiefen, indem es von verschiedensten Seiten  beleuchtet wird. Immerhin ergänzte sie im Interview der Berner Zeitung, dass sie im CLUB Themen vertiefen möchte.


Ich habe die neue Moderatorin bei ihrem ersten Auftritt am Bildschirm beobachtet. Mein Echo:



Mona Vetsch hat die Feuertaufe beim CLUB gut bestanden.


Die Teilnehmerrunde wurden geschickt ausgewählt - die Sendung war auch einfach programmiert. Auf der einen Seite die Betroffenen, die Opfer, dann die Experten, die das Gesagte reflektierten und einordnen konnten. Es fehlte auch nicht die einfühlsame Sozialarbeiterin, welche aus ihrer Sicht genau wusste, was richtig und wichtig ist. Es fiel mir sofort auf, dass Mona Vetsch gut zuhören kann. Sie verzichtete auf das übliche penetrante Unterbrechen zahlreicher Moderatoren  und konnte sogar manchmal auch schweigen.

Vetsch hatte angekündigt: «Ich wünsche mir, dass auch sogenannte ernste Themen in einer lustvollen Tonalität stattfinden können.» Die Moderatorin verstand es tatsächlich, den Teilnehmern bei schlimmen Situationen  komische Seiten abzugewinnen und die Geschichten auf angenehme Art entspannen.

Das Thema und die Gäste schienen der Moderatorin zu entsprechen. Mich interessiert es nun,  wie die neue CLUB- Moderatorin später auch heikle Themen mit unangenehmen Teilnehmern meistern wird. On verra.
Jedenfalls ist der Start gelungen und es heisst: "Der Start ist die halbe Miete". Mona Vetsch hat jedenfalls am Dienstag den Eintrittstest bestanden. Einen Vorbehalt habe ich dennoch: Wenn ich auf der Strasse Fernsehzuschauer fragen würde, was man NEUES erfahren habe, so zweifle ich daran, dass neue Erkenntnisse der Thematik konkret bewusst geworden sind. Ich habe heute einige Bekannte meines Freundeskreises befragt und festgestellt: Mir konnte nichts Konkretes gesagt werden. Das Ziel der Sendung müsste nach meinem Dafürhalten eindeutiger formuliert werden. 


LINKS:


Diskutieren heisst auch erörtern. Das Wort kommt vom lateinischen discutere, das auch die Bedeutungen zerschlagen, auseinandersetzen, zerlegen hat. Rudolf ...
www.rhetorik.ch/Diskussion/Diskussion.html
Diskutieren heisst, ein Thema zerlegen. Verschiedene Sichten werden ausgetauscht. Der Moderator will nicht in erster Linie den Konsens. Es gibt verschiedene ...
www.rhetorik.ch/Auftreten/Diskussion.html


In unseren Seminaren "Moderieren- aber wie?" werden Sie die unterschiedlichen Moderationsmethoden zur kreativen Anregung und Visualisierung ...
www.rhetorik.ch/Moderieren/Moderieren.html
29. Mai 2009 ... Moderieren - aber wie. Moderieren heisst, sich zurücknehmen und ein Gespräch lenken, führen und zum Ziel führen. Ein guter Moderator ...
www.rhetorik.ch/Aktuell/09/05_29/index.ht



Hier die Interviews, die Mona Vetsch vor der ersten Moderation gegeben hat:

«Freudvoll aufgeregt»

(Quelle 20 Min)

Mona Vetsch vor ihrer ersten «Club»-Moderation

Sie ist das neue Gesicht der SF-Sendung «Club». Mona Vetsch sprach mit 20 Minuten über ein gutes Gespräch, ihren Stil und Fussball.

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Die Schweizer Moderatorin Mona Vetsch wurde am 23. Juni 1975 im Thurgau geboren. Nach einem abgebrochenen Wirtschaftsstudium fing sie 1997 als Moderatorin beim Schweizer Fernsehen an.
Mona Vetsch, am Dienstag mode­rieren Sie Ihren ersten «Club». Wie geht es Ihnen?

Mona Vetsch: Ich bin freudvoll aufgeregt. Es ist etwas völlig Neues für mich.


Sie führten bereits früher durch Gesprächssendungen wie etwa «Focus» auf DRS 3 ...


Der «Club» ist anders. Da sitzen nicht eine oder zwei Personen in einer Runde, sondern sechs. Ein solches Gespräch zu leiten, ist anders. Zudem macht die Präsenz der Kamera einen grossen Unterschied.

Was macht ein gutes Gespräch aus?



Dass man am Schluss Dinge weiss, die einem am Anfang verborgen blieben. Ich möchte persönliche Geschichten hinter den Schlagzeilen zum Vorschein bringen lassen, nah an die Leute rangehen.


Was ist Ihr Rezept, um erfolgreich durch den «Club» zu führen?

 
Interesse und Einfühlungs­vermögen sind wichtig – und ein guter Schuss Direktheit. Das habe ich. Meinen «Stil» werde ich aber erst entwickeln müssen.


Ihr erstes Thema «Aufwachsen mit psychisch kranken Eltern» ist kein lockerer Einstieg.


Es ist eine Frage des Umgangs. Mir helfen die Gespräche mit Betroffenen und Experten im Vorfeld der Sendung sehr, um mich vorzubereiten.

Welches Diskussionsthema würden Sie lieber Ihrer Kollegin Karin Frei überlassen?


 
Fussball ist definitiv nicht meine Sache.


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Interview im Blick vor der ersten Sendung:


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Mona Vetsch, heute Abend moderieren Sie ihren ersten «Club». Vor welcher Situation haben Sie Bammel?


Davor, dass jemand sagt: «läck mir», ich gehe. Da wüsste ich wirklich nicht, wie ich reagieren soll.

Können Sie im Club von Ihrer Rolle als Zweifach-Mami profitieren?


Es wäre vermessen zu sagen, erwachsene Leute durch ein Gespräch zu führen habe etwas zu tun mit der Erziehung eines Zweijährigen und eines Babys. Aber ich kann von meinem Wesen profitieren: Ich bin nicht harmoniesüchtig.

In welchen Situationen zeigt sich das?





Ich bin nicht nachtragend und scheue mich auch nicht, meine Meinung zu äussern. Aber im «Club» geht es ja darum, dass dies die Gäste tun. Eine Diskussion ist erfolgreich, wenn sich die Teilnehmenden am Schluss die Hand schütteln.

Das Thema Ihrer ersten Sendung ist «Aufwachsen mit psychisch kranken Eltern».


Ich starte mit einem Tabu. Nachdem ich mit einem Kinderpsychiater gesprochen hatte und der mir gesagt hat, dass da seit 20 Jahren niemand hinschaut, wusste ich, dass dies die Thematik meiner ersten Sendung wird. So sehe ich den Job des Clubs: Themen abseits der Schlagwörter Macht, Geld oder Prominenz auf die Agenda bringen.

Sie haben beim SF als 17-Jährige mit blauen Haaren bei «Oops» angefangen. Wie viel von dieser Mona steckt noch in Ihnen?






Man vergesse nicht die roten und violetten Haare! Damals habe ich maximal bis zum selben Abend geplant. Auch heute bin ich nicht diejenige, die alles genau vorbereitet und plant.

Woher nehmen Sie die Energie?






So belastend, wie viele denken, ist mein Job nicht. Eine Mutter, die drei Kinder grosszieht und daneben einen Bauernhof schmeisst, wie zum Beispiel meine Mutter, hat ein mindestens so anstrengendes Leben.
Ende Zitat.


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Interview in der Berner Zeitung:


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Frau Vetsch, Sie sind aus Ihrer zweiten «Babypause» zurückgekehrt, falls das Wort Pause angebracht ist...


Mona Vetsch: «Mutterschaftsurlaub» ist auch nicht besser. Wer wohl diese Begriffe geprägt hat? Sicher keine Frau! (lacht)


Was bedeutet es Ihnen, am 17.Januar erstmals den «Club» zu moderieren?


Es ist eine tolle Chance, die mich sehr motiviert. Ich fühlte mich jedoch vorher schon enorm privilegiert, einen Beruf zu haben, mit dem ich nicht nur Geld verdienen kann, sondern der mich wirklich befriedigt und ausfüllt.


Wann eröffnete sich Ihnen die berufliche Perspektive «Club»?


Wenn man «bad timing» definieren müsste, wäre dies ein gutes Beispiel: Die Stelle wurde ausgeschrieben, als ich schon fast im Mutterschaftsurlaub war. Die Pilotsendung habe ich dann eine Woche vor dem Geburtstermin moderiert.


Ist es etwas Spezielles, die Nachfolge von Röbi Koller anzutreten?


Röbi und ich sind befreundet. Wir moderieren gemeinsam «Züri Littéraire», eine traditionsreiche Literaturveranstaltung im Zürcher Kaufleuten. Daher haben wir fast das Gefühl, als würde die «Club»-Moderation in der Familie bleiben.


Hätten Sie auch eine neue Herausforderung gesucht, wenn die Stelle nicht frei geworden wäre?


Diese Frage beantworte ich mit einem Bonmot meines früheren Chefs bei «SF Spezial Fernweh»: «We cross the bridge when we get there.» Antworten suche ich erst, wenn sich Fragen stellen.


Sie sind keine Strategin?


Nein, ich bin ein ausgesprochener Bauch-Mensch – mit allen Vor- und Nachteilen.


Wie gut kennen Sie Karin Frei, Ihre neue Chefin und Moderatorenkollegin?


Als sie noch bei DRS1 arbeitete, hatten wir beruflich nicht viel miteinander zu tun. Aber wenn ich auf einen Menschen, den ich erst kürzlich kennengelernt habe, ein Hohelied singen müsste, dann auf sie. Sie ist eine tolle Chefin und Kollegin.


Werden Sie Themen nach persönlichen Affinitäten aufteilen?


Ich denke, dass es von Vorteil ist, wenn man schaut, was wem näher steht. Aber letztlich entscheidet Karin Frei als Redaktionsleiterin. Sie wird auch einen Grossteil der Sendungen moderieren. Ich habe durchschnittlich eine Sendung pro Monat.


Worin besteht der Unterschied zur DRS 3-Gesprächssendung «Focus», die Sie bis 2010 leiteten?


Die Gesprächsleitung beim «Club», wo man nicht nur einen Gast hat, ist sicher etwas vom Anspruchsvollsten, das es gibt. Entsprechend gehe ich diese Aufgabe mit gebührendem Respekt an.


Was fasziniert Sie am Talk am meisten?


Ich glaube, dass die Eigendynamik, die das Gespräch zwischen den Menschen entwickelt, den Zauber ausmacht. Man kann eine Sendung perfekt besetzen und wunderbar vorbereiten, aber wenn der Funke nicht überspringt, kann es für alle Beteiligten ein «Chrampf» werden. Das passiert zum Glück sehr selten.


Welche Atmosphäre schwebt Ihnen für den «Club» vor?


Die Basis ist ein Interesse an der Person und der Respekt vor Erfahrungen, Meinungen und Haltungen. Dann läuft man nicht Gefahr, bereits urteilend oder verurteilend in ein Gespräch zu gehen. Es geht darum, zuzuhören und die Fragen zu stellen, von denen man findet, dass sie gestellt werden müssen.


Und lässt auch andere ausreden?


Man darf sich ruhig ins Wort fallen. Bei einem normalen Gespräch passiert das auch, ohne dass es als unanständig empfunden wird. Der Titel der Sendung sagt jedoch viel über den Umgangston: Was ist ein «Club»? Eine Vereinigung von Menschen, die ein gemeinsames Interesse oder Ziel haben. Deshalb geht es nicht darum, anderen «ans Bein zu pinkeln» oder sie von der eigenen Meinung zu überzeugen, sondern sich gemeinsam mit ihnen in ein Thema zu vertiefen. Das macht den «Club» als Sendung einzigartig.


Haben Sie schon Ideen für «Clubs», in denen es nicht um tagesaktuelle Themen geht?
Ich habe gerade mit einem Neurologen darüber gesprochen, wie sich die Menschen in unserer Gesellschaft durch die Informationsflut und die technologischen Neuerungen, die unser Leben ständig beschleunigen, zunehmend überfordert fühlen. Dazu könnte man sicher eine spannende Runde zusammenstellen.


Wie entschleunigen Sie Ihren Alltag?


Ich vergesse häufig mein Handy! (lacht) Früher war ich nahe an einem Schweissausbruch, wenn ich es bemerkte, wollte gar nach Hause fahren und es holen. Das stresst mich nicht mehr – auch wegen der Erfahrung, dass ich deswegen noch nie etwas wirklich Wichtiges verpasst habe. Ich finde es auch gut, zu merken, dass man selbst auch gar nicht so wichtig ist und die anderen locker mal einen Tag auf dich verzichten können.


Sie werden weiter von 5 bis 9 Uhr den «DRS3 Morgen» moderieren. Was meint Ihr Körper zu dieser Belastung?


Natürlich, es ist wie mit den durchgemachten Nächten: Mit 20 steckt man sie leichter weg als mit 30. Wie es mit 40 sein wird, möchte ich lieber noch nicht wissen . Ich nehme es aber in Kauf, da mir das Radiomachen viel wichtiger ist als in den Ausgang zu können. Diesbezüglich hatte ich eh schon mit 21 das Gefühl, alles erlebt zu haben. (lacht)


Wie sieht ein Tag aus, an dem Sie Frühdienst haben?


Um Viertel nach 2 aufstehen, um 3 Uhr im Büro sein, bis um 5 Uhr vorbereiten und bis um 9 Uhr senden. Danach bis 10 Uhr Sitzung und Vorbereitung für den nächsten Tag. Um 12 Uhr genehmige ich mir dann nochmals eine Stunde Schlaf.


Gefällt Ihnen die Einsamkeit oder suchen Sie die Herausforderung für den Körper?


Ich mache diesen Dienst am liebsten, weil du am Morgen am allernächsten bei den Leuten bist. Du begleitest sie beim Aufstehen, im Bad, in der Küche oder im Auto, und bekommst extrem viele Rückmeldungen. Ich schätze diesen Austausch.


Vor zehn Jahren erzählten Sie in einem Interview, dass es Ihnen am Nachmittag manchmal übel wird. Überfordern Sie sich nicht?


Damals war das Pensum ein ganz anderes. Nach der Frühschicht gings immer noch ins Fernsehen oder an die Uni, das waren häufig 15-Stunden-Tage. Heute lachen alle, wenn ich sage, dass ich bereits etwas reduzieren muss.


Ist Ihr Ehemann eigentlich eifersüchtig...


Das ist jetzt eine sehr private Frage!


...auf Ihr Mikrofon?


(lacht) Nein, er arbeitet selbst beim Radio und hat ein eigenes Mikrofon, auf das ich sonst auch eifersüchtig sein müsste.


Sie wurden in einer repräsentativen Link-Umfrage für die Zeitschrift «Tele» zur beliebtesten Moderatorin in der Sparte Information gewählt. Wie wohl ist es Ihnen als Everybody’s Darling?


Ich habe mich gefreut! Die Zuschauer sind ja letztlich meine Arbeitgeber, und es ist wichtig, dass ihnen gefällt, was ich mache. Selber kann man das ja schlecht einschätzen. (Berner Zeitung)



Im Persönlich.com gelesen:



Gut gebrüllt Hugo Bigi:


























Was muss im heutigen Journalismus verbessert werden?

- Der Journalismus braucht mehr Echtheit statt Echtzeit. Den Primeur zu haben sollte heutzutage nicht mehr das Wichtigste sein, sondern dass die Information stimmt. Denn häufig ist es nicht mehr ein journalistisches Medium, das zuerst informiert, sondern irgendein Weblog. Gerade in diesem Zeitalter der globalen Kommunikation ist Journalismus noch wichtiger geworden. Ich hoffe und glaube auch, dass diese Zeit einen Wendepunkt für den Journalismus darstellt, aus dem er gestärkt hervorgehen wird. Vielleicht wird es weniger Journalisten brauchen, da es viel mehr Kommunizierende gibt, aber ihre Rolle wird noch viel wichtiger. Nur die Nachricht an sich ist noch keine journalistische Leistung, aber sie in den richtigen Kontext zu setzen schon. Dies ist eine wichtige Rolle des Journalismus, an die ich weiterhin glaube. 


  • Wie läuft ein Studium im Journalismus ab?


Kommentar: Die Antwort von Hugo Bigi kann ich nur dick unterstreichen:


- Informationen müssen stimmen

- Die Nachricht allein ist noch keine journalistische Leistung

- Nachrichten müssen in den richtigen Kontext gestellt werden

Mir geht es in meinem BLOG ebenfalls darum, Informationen zu vertiefen, zu kommentieren, in einen neuen Kontext zu setzen.

ANALYSEN 



Tschanz und Niederhauser beleuchten Hildebrands letzten Auftritt. Aus meiner Sicht ist die Analyse in der NZZ lesenswert. (Gelb: Ergänzende Bemerkungen von mir)


Quelle NZZ:


«Guten Nachmittag, guten Abend, meine Damen und Herren. Es tut mir leid, dass ich sie schon wieder kurzfristig eingeladen habe. Wir werden uns jetzt dann lange Zeit nicht mehr sehen.»

Beatrice Tschanz: Diese Vorbemerkung ist missglückt. Man merkt, dass er nervös ist, er zupft an der Uhr, den Manschettenknöpfen und am Mikrophon. Der sonst so ruhige Mann ist in Bewegung. Das passt alles nicht zur staatsmännischen Rede, die er anschliessend hält.


Tinu Niederhauser: Bevor er beginnt, entschuldigt er sich. Das ist die denkbar schlechteste Ausgangslage. Anschliessend sucht er den Kontakt zum Publikum, das finde ich sympathisch. Als er sich ans Rednerpult stellte, konnte man sehen, wie angespannt er war. Das kann man angesichts der Ausgangslage allerdings nachvollziehen.


Ergänzung Marcus Knill:

Die Stresssignale (Zupfen an den Manschetten usw.) sind vermeidbar, wenn der Start bewusster zelebriert wird: 1. Kleiderkontrolle auf der Toilette.Während der obligaten Startpause am Pult muss der Check gemacht werden: Bin ich locker? Wer ist im Raum? Atmen (Analog dem Startritual eines Spitzensportlers vor dem Startschuss: Erst dann folgt die Begrüssung. Stress können wir nur mit Entspannung beantworten. Uebrigens hat der humorvolle Satz "Wir werden uns jetzt dann lange nicht mehr sehen"  die Situation entspannt. Das konnte man in den Gesichtern der Journalisten lesen (Schmunzeln).

Video: Der Prolog

«Ich bin stolz auf das, was wir bei der Schweizerischen Nationalbank erreicht haben»
«Geschätzte Damen und Herren. Ich bin stolz auf das, was wir bei der Schweizerischen Nationalbank seit meinem Einzug ins Direktorium im Jahre 2003 unterstützt durch das öffentliche Vertrauen erreicht haben.»

Tschanz: Mit der Begrüssung verändert sich sein Tonfall, seine Körperhaltung. Er spricht über die SNB, das ist das Terrain, auf dem er sich sicher fühlt. Das zeugt von einem geschickten Aufbau der Rede. Solange er bei diesem Thema ist, merkt man nicht, unter welchem enormen Druck er steht. Sobald er über Persönliches zu sprechen beginnt, sieht man ihm an, wie schwer ihm das fällt. Er ist offensichtlich kein Mensch, der es gewohnt ist, sein Innerstes nach aussen zu kehren. Er wirkt in diesem Moment zwar nicht, als wäre er mit seinem Rücktritt versöhnt, aber das macht mir nichts aus. Das wäre auch kaum nachvollziehbar, denn nicht mal der Abt von Einsiedeln wäre dazu imstande.


Niederhauser: Jetzt beginnt er, eine geschriebene Rede abzulesen. Seine Glaubwürdigkeit sinkt in diesem Moment gegen null. Wenn er davon spricht, sein Amt habe ihn mit grosser Befriedigung erfüllt, kann ich keine Befriedigung sehen. Eigentlich sagt er in diesem Moment, ‹es war eine anstrengende Zeit, ich demissioniere›. Der Inhalt ist nicht kongruent mit der Emotion. Der Aufbau zeigt, fast wie in einem Drehbuch, ein retardierendes Element – er zögert den Moment hinaus, bis er zum Paukenschlag ansetzt.



Ergänzung Marcus Knill:

Nach meinem Dafürhalten ist erkennbar, dass Hildebrand die Pflichtübung seines Beraters erfüllt und den Stolz auf die Leistung der Nationalbank unterstreichen muss. Ich hätte auch empfohlen, das Positive der NB hervorzuheben. Was stört ist am Anfang der falsche Sprechrhythmus (Rhythmische Akzente stimmen nicht).

Video: Hildebrand erteilt Redeerlaubnis

«Jetzt haben wir noch Zeit für ein paar Fragen. Nachher muss ich leider ins Parlament.»
«Jetzt haben wir noch Zeit für ein paar Fragen. Nachher muss ich leider ins Parlament.»

Niederhauser: Es ist beeindruckend zu sehen, wie klar er in diesem Moment den Lead übernimmt. Eigentlich kommt er als Zuhörer in eine passive Rolle, aber er bleibt trotzdem Herr der Veranstaltung. Er zeigt klar, wessen Frage er beantworten will, er erteilt Rederecht.


Tschanz: Der Bruch zwischen seinem Referat und der Beantwortung der Fragen ist gering. Man merkt, dass er den Redetext selbst geschrieben hat. Das war keine fremde Vorlage, sondern Hildebrand himself. Er ist in beiden Teilen sehr souverän.


Ergänzung Marcus Knill:

Das "leider" hätte ich gestrichen. Die Einleitung zur Fragerunde ist o.k. Hildebrand führt, weil er nach dem Hinweis "Zeit für ein paar Fragen" jederzeit abbrechen kann, allenfalls mit dem Hinweis: Nun noch eine letzte Frage.

Video: Der einzige Stolperer

«Die zweite Frage … die Transaktion… was war die Frage genau?»
«Die zweite Frage … die Transaktion… was war die Frage genau?»




Niederhauser: «Der Journalist hatte ihm drei Fragen gestellt, nach der ersten hat er den Faden verloren. Das war zwar der einzige Moment, in dem er die Kontrolle über die Situation aus der Hand geben musste, aber das lege ich ihm nicht als Schwäche aus. Die Fragen waren komplex, die Situation insgesamt anspruchsvoll.


Ergänzung Marcus Knill:

Vor diesem Stolperer hatte Hildebrand plötzlich gemerkt, dass er die Antworten hätte notieren müssen. Dass er jedoch kein Schreibzeug hat. Nach der Fragekette verlangte er ein Schreibzeug. Dadurch hatte er den Faden verloren. Erkenntnis: Zur Vorbereitung gehört immer auch der Check hinsichtlich Notizmaterial?

Video: Gegen das Lehrbuch

«Ich habe nie in dieser Geschichte gelogen, im Vergleich zu vielen anderen.»
«Ich habe nie in dieser Geschichte gelogen, im Vergleich zu vielen anderen. Aber die Tatsache ist, wenn ich als Präsident des Direktoriums vor Ihnen stehe und einige von ihnen das Gefühl haben, dass ich vielleicht doch lüge, und ich es empirisch nicht beweisen kann, dann habe ich nicht als Mensch ein Problem, denn ich bin mit mir im Reinen, aber ich habe potenziell als Präsident des Direktoriums ein Problem.»

Tschanz: Das ist vielleicht der stärkste Moment des gesamten Auftritts. Er tut etwas, das laut Lehrbuch eigentlich nicht richtig ist: Er wiederholt den Vorwurf. Aber in diesem Moment war es richtig, er nennt das Kind beim Namen und verwendet das äusserst starke Wort «lügen». Das ist entwaffnend. Und es zeichnet einen grossen Redner aus, weil er situativ auch Regeln der Kommunikation verletzt. Auffällig ist auch, dass er den Journalisten persönlich anspricht. Zuvor hatte er schon seinen Kundenberater und seinen Anwalt beim Namen genannt. Das schafft eine grosse Verbindlichkeit.


Niederhauser: Ein starker Moment. Beinhaltet eine Botschaft eine Negation, wird diese jedoch häufig überhöht. Wenn jemand davon spricht, keine graue Maus zu sein, sieht man die graue Maus. Aber Hildebrand hebt diesen Effekt auf, nicht zuletzt dadurch, dass die Sprachmodulation sehr klar seinem Gestus folgt. Das Paraverbale stimmt mit dem Verbalen überein. Zudem geht er in einen Gegenangriff über. Aber er schiesst weder die SVP noch die «Weltwoche» direkt an. Das ist guter Stil, das ist souverän. Und bestimmt er mit der Aussage «… dann ist es Zeit zu gehen» selbst den Schluss des Auftritts.


Ergänzung Marcus Knill:

Mit der Wiederholung des Wortes Lüge begab sich Hildebrand auf dünnes Eis. Vor allem mit dem Satz: Ich habe nie gelogen. Diesen Satz hätte ich nicht gesagt. Zumal sich tatsächlich nach der Konferenz zeigte, dass er die Wahrheit verschleiert hatte. Es zeigt sich, dass zwar die Frau die Transaktionen tätigte, Hildebrand aber das Einverständnis dazu gab.  In Krisensituationen gilt der Grundsatz: Alle Aussagen müssen "wasserdicht" sein. Ich muss aber nicht alles sagen, was ich weiss.


Mit der geschickten Formulierung ..."Im Vergleich zu vielen anderen" nannte Hildebrand keinen Namen. Die Journalisten wussten jedoch genau, wer damit gemeint war. Ich bezeichnete in verschiedenen Interviews diesen Auftritt als souverän. Hildebrands Argumentation sind ein Lehrstück für alle, die sich mit der Thematik MEDIENRHETORIK befassen.


LINKS VON WEITEREN ANALYSEN (MEDIENRHETORIK) von Marcus Knill:


Artikel in der Zeitschrift Persoenlich. ... Rhetorik.ch, Aktuell, Persoenlich Artikel ( mit Titeln) · Ebook [PDF] · 30.11.2011 · 19.10.2011 · 01.10.2011 · 31.08.2011 ...
www.rhetorik.ch/persoenlich.html

Aktuell Artikel · Artikel Inhaltsverzeichnis, Suche in Rhetorik.ch: Rhetorik Aktuell: Navigationsplattform für Rhetorik, Medien und Kommunikation ... 06 Aug 06: Persoenlich: Kraftvolle Stimme - vage Aussagen · 13 Jun 06: Warum polarisiert diese ...
www.rhetorik.ch/Aktuell/Persoenlich.html




EXPERTEN DER ANALYSE IN DER NZZ:



* Beatrice Tschanz (1944) war Journalistin, bis sie 1987 in die Unternehmenskommunikation wechselte. 1998 war Tschanz verantwortlich für die Kommunikation beim Absturz des Swissair-Flugs 111. Seit 2003 arbeitet Tschanz als selbstständige Beraterin.


** Tinu Niederhauser (1960) ist Kommunikations- und Medientrainer und berät unter anderen das Schweizer Fernsehen SF. Zudem unterrichtet er am Medienausbildungszentrum MAZ in Luzern und an der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften ZHAW in Winterthur.