Marcus Knill: Johari-Fenster und Feedback

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AUS "DIE WELT"



Pointen setzen

Schlagfertigkeit ist mehr als eine passende Retourkutsche. Gefragt sind Kreativität und Improvisationstalent, um in jeder Situation handlungsfähig zu bleiben

Von Deike Uhtenwoldt

Wie ein Schulkind hatte der Unternehmensberater mit seinem Stuhl gekippelt und war mit lautem Karacho umgefallen. Mitten auf einer internationalen Konferenz und vor Führungskräften aus aller Welt. Eine peinliche Stille folgte, in der sich der Gefallene aufrichtete, den besorgten Blicken in der Runde freundlich begegnete und mit fester Stimme verkündete: "Ich kann's zweimal, ohne mir dabei weh zu tun!"
Die Pointe traf ins Ziel, die Konferenzteilnehmer brachen in schallendes Gelächter aus. "Ein anderer Unternehmensberater wäre vermutlich rot geworden oder hätte nur eine Entschuldigung gestammelt", sagt Gitte Härter. Gerne nennt die Münchner Trainerin dieses Beispiel, um Richtung und Reichweite des Begriffs Schlagfertigkeit zu verdeutlichen. Es gehe nicht darum, immer gleich eine Retourkutsche parat zu haben und anderen an den Karren zu fahren. Sondern um Improvisationstalent, Kreativität und kommunikative Kompetenz. "Schlagfertigkeit bedeutet, der Situation gewachsen zu sein und handlungsfähig zu bleiben."
Andere Trainer nehmen den Begriff wortwörtlich: Für sie ist Schlagfertigkeit die Kunst des Zurückschlagens mit dem Ziel, das Gegenüber "fertig" zu machen. "Sie brauchen eine Identität als schlagfertiger Mensch", sagt Rhetoriktrainer Matthias Pöhm. Und dazu gehöre eben, auch Dinge in einer großen Runde zu sagen, die nicht allen gefallen werden. "Schlagfertigkeit ist Frechheit", so das Credo des selbst ernannten Schlagfertigkeitspapstes aus München: "Ja, ich frotzele auch manchmal und lasse die anderen schlecht aussehen."
Auch Gitte Härter kann wahnsinnig gut Witze über andere machen, wie sie betont. Aber inzwischen hat die Autorin gelernt, auf den Applaus auf Kosten anderer zu verzichten. "Solche kurzen Siege schaden immer." Als die Rechtsanwaltsgehilfin merkte, daß die Kollegen Angst vor ihrer scharfen Zunge hatten und sich zurückzogen, übte sie sich in Zurückhaltung. Eine Art Anti-Schlagfertigkeitstraining, aber vom Prinzip her identisch: Denn am Anfang stehe immer die Beschäftigung mit sich selber. "Es ist vielmehr Persönlichkeitstraining als Technik".
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Der zweite Schritt ist die Zielfindung: Wie möchte ich Schlagfertigkeit genau nutzen? Der dritte Schritt ist das Training: "Das geht nicht von heute auf morgen." Aber mit selektiver Wahrnehmung und praktischem Lernen. Für Gitte Härter hieß die Devise "Ich will jetzt etwas sagen, aber ich sag' nur die Hälfte." Für schüchterne Menschen heißt sie: Ich bringe mich hier jetzt mal ein, und sei es mit der Aussage: Da bin ich sprachlos. "Diese Art der Schlagfertigkeit kann man lernen. Aber nicht durchs Auswendiglernen von witzigen Pointen."
Schlagfertigkeit lernt man durch Mitdenken, so der Schweizer Kommunikationsberater Marcus Knill. Ob in den Medien oder im Alltag, es lohne sich, sich situationsgerechte, schlagfertige Antworten auszumalen. "Dann wird aus der verpatzten Reaktion bald eine zeitgerechte Situation." Brainstorming und Blödeln lernt man am besten spielerisch und zum Spaß. "Aber wenn es ernst wird, muß ich schon etwas denken dabei."
Beispielsweise, wenn der Vorgesetzte einen vor Kollegen niedermacht: "Mein Tip, beim nächsten Mal vorher Gehirn einschalten." In solchen Fällen fühlen wir uns bloßgestellt und blockieren, die Stimme wird trocken und schrill. "Diese Reaktionskette muß durchbrochen werden", sagt Knill. Durch bewußte Tiefenatmung und Entspannung der Muskeln von Armen und Gesicht. Durch Trennung von Form und Inhalt und die Beschreibung der Situation: "Sie verletzen mich gerade."
Ganz schön viel Programm für eine Situation, die unter Zeitdruck steht. Um die Geschwindigkeit zu trainieren, helfen am Anfang Standardformeln, simple Fragestellungen, wie "Haben Sie das so gemeint?", rät der Experte: "Stellen Sie in Frage, das ist besser als der innere Rückzug." Auf jeden Fall sollte man nicht auf die Schlagfertigkeitstrainer hören und dem Chef entgegnen: "Ich passe mich doch nur Ihren Arbeitsgepflogenheiten an." Dann verläßt man nicht nur den Grundsatz der Wertschätzung, dann verliert man womöglich auch seinen Arbeitsplatz, warnt Marcus Knill: "Schlagfertigkeit war nie ein Erfolgsrezept."