Montag, 25. Dezember 2006

Roger Blum stv. Ombudsmann bringt es auf den Punkt (Quelle: LINK Ausgabe 9/2006):

Informationen bringen und Informationen holen

Informationen dürfen den Medien nicht verweigert werden, nur weil befürchtet wird, diese würden die Aussagen verdrehen.

Aber auch die Medien müssen sich aktiv um eine Stellungsnahme von Angeschuldigten bemühen - besonders bei hartnäckigen Fällen.

Ausgehend von einer Beschwerde der Cisalpino AG gegen einen 10 vor 10 Beitrag (Die Panne in einem Kehrtunnel wurde in der Sendung mit früheren Zwischenfällen verglichen), fühlte sich die Cisalpino AG angegriffen und klagte bei der Ombudsstelle.

Die Beschwerde wurde abgewiesen. Ein Satz liess die Beschwerdestelle aufhorchen, der betonte, dass

"10 vor10" in der Sendung darauf hingewiesen habe, dass weder bei Cisalpino AG noch die SBB vor der Kamera zum Vorfall Stellung nehmen wollten. Auch die Bahnunfall-Untersuchungsstelle des Bundes hätte vom Vorfall nichts gewusst.

Die Beschwerdeführerin leitete daraus ab:

" Mit etwas journalistischer Sorgfalt hätte entdeckt werden müssen, dass wenn drei Stellen (SBB, Cisalpino, BVA) zum Vorfall keine Stellung beziehen wollen, dies wohl kaum aus dem Grund geschah, dass etwas vertuscht werden wollte, sondern dass man es als zwecklos ansah, gegen vorgefasste Meinungen von Reportern anzugehen."

Nach Blum steckt hinter dieser Aussage eine Grundhaltung, die mit Willkür zu tun habe:

Ich informiere nur, wenn mir die Journalisten passen!

Kommentar:

Wir teilen die Auffassung Blums, dass Behörden, Aemter, Firmen, oeffentliche Betriebe, Parteien, Interessengruppen, Instituationen oder Organisationen von sich aus informieren sollen, wenn es sich um Themen von öffentlicher Relevanz handelt. Der Bringschuld kann man sich nicht entziehen, weil vermutet werden kann, die Medien würden negativ berichten. Die Medien haben bei uns die Freiheit, auch negativ über jemanden zu berichten. Nur in totalitären Systemen gibt es dank Zensur ausschliesslich wohlwollende Berichte. Die Cicalpino AG vernachlässigte ihr Botschaften- und Kommunikationsmanagement. Wenn gewisse Untersuchungen hängig sind, so darf dies den Medien gesagt werden und man müsste immer auch begründen können, warum noch nichts gesagt werden kann. Wir stellen fest: Bei den Kommunikationsverantwortlichen der Cisalpino AG ist eine Nachlese fällig.

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Roger Blum verweist aber auch auf die Pflicht der Medien, bei heiklen Vorfällen (er erwähnt die tödlich verlaufene Herzoperation) auf die Anhörung der betroffenen Personen grösste Sorgfalt zu verwenden und schreibt:

"Journalistinnen und Journalisten dürfen nicht leichthin annehmen, ein vorerst unwilliger Gesprächspartner verzichte auf die Anhörung zu detaillierten schwerer Vorwürfe. Je direkter die zur Publikation vorgesehenen Vorwürfe jemanden persönlich angreifen, desto nachhaltiger muss der Journalist sich um eine Aeusserung des Betroffenen bemühen."

Kommentar:

Den Rat Blums "Bei Verweigerung einer Stellungnahme empfiehlt es sich, die Vorwürfe ergänzend schriftlich (z.B. per E-Mail und/oder Telefax) zu unterbreiten", können wir nur unterstreichen und doppeln bei der Bringschuld der Akteure nach:

Es lohnt sich nie zu mauern!

Aber auch auf die Holschuld der Journalisten hatte Blum zu Recht hingewiesen. Es darf nie sein, dass nach der Devise gearbeitet wird: "Gott sei Dank haben wir niemanden erreicht. Jetzt können wir aus vollen Rohren schiessen."

FAZIT: Es gibt kein Informationsverweigerungsrecht (Akteure haben eine Bringschuld). Je gravierender ein Fall ist, müssen sich die Medien um eine Stellungnahme der Angeschuldigten bemühen (Medien haben eine Holschuld).