Samstag, 5. Februar 2011

Zur Problematik der beschönigten Arbeitszeugnisse


Der Eiertanz ums Arbeitszeugnis


H. S., der in neun Heimen 114 Kinder missbrauchte, bekam immer gute Arbeitszeugnisse. Diese dürften ja nicht schlecht sein, wehren sich Heimleiter. Stimmt nicht, sagt der Arbeitsrechtler. 
(aus TAGI):
Welches Arbeitszeugnis darfs denn sein? Weil Arbeitgeber Konflikte scheuen, geben sie tendenziell gute Noten.


Welches Arbeitszeugnis darfs denn sein? Weil Arbeitgeber Konflikte scheuen, geben sie tendenziell gute Noten.
Bild: Keystone



«Man kann den Wert solcher Zeugnisse durchaus hinterfragen»: Arbeitsrechtsexperte Roger Rudolph.

«Das Zeugnis muss ja grundsätzlich positiv geschrieben sein (…) es ist nicht zulässig, dass man im Zeugnis schlechte Sachen erwähnt», sagte der Co-Leiter des Heimes St. Martin im bernischen Oberthal, Hans-Jörg Lory, zu «10vor10». Der Vorgesetzte ist mit dieser Meinung nicht allein, auch wenn sie falsch ist. Sein Berufskollege vom Haus Christophorus im welschen Renan, Florian Gantenbein, rechtfertigte ein gutes Zeugnis trotz schlechter Erfahrungen mit dem Mann so: «Man kann das nicht ausdrücken, das ist die Form des Zeugnisses.» H. S. war im Haus Christophorus aufgefallen, weil er in einem Fall ein Kind ohrfeigte.


Die beidenHeimleiter sitzen einem weit verbreiteten Irrtum auf. Nur wenige Arbeitgeber wagen es, negativ formulierte Arbeitszeugnisse auszustellen, wie Arbeitsrechtler Roger Rudolph im Gespräch mit Tagesanzeiger.ch/Newsnetz erklärt.


Herr Rudolph, dürfen Arbeitgeber nur positiv formulierte Arbeitszeugnisse ausstellen?
Nein. Das trifft nicht zu. Es ist aber leider eine recht verbreitete Unsitte.


Warum ist das so? 


In vielen Fällen wollen sich die Arbeitgeber einfach keine Probleme einhandeln. Dies ist bis zu einem gewissen Grad auch verständlich, denn die Sache ist klar: Je wohlwollender das Arbeitszeugnis formuliert ist, desto geringer ist das Risiko, dass man sich damit Ärger einhandelt. Keiner will wegen einer Zeugnisstreitigkeit vor dem Richter landen. Das lohnt sich für die Beteiligten in der Regel nicht.
Was sind denn die Regeln an welche sich der Arbeitgeber beim Ausstellen des Arbeitszeugnisses halten muss?
Es gibt gewisse Grundsätze im Zeugnisrecht. Die findet man nicht im Obligationenrecht. Sie sind von den Gerichten in der Rechtsprechung entwickelt worden. Wichtig ist zum Beispiel der Grundsatz der wohlwollenden Beurteilung. Das heisst, das Zeugnisse, da sie den Arbeitnehmern das Fortkommen erleichtern sollen, in der Tendenz positiv formuliert sein sollen…
… aber?
Noch wichtiger ist der Grundsatz der Zeugniswahrheit. Dieser Grundsatz steht über allem. Sobald etwas ein gewisses Gewicht hat und für Leistung oder Verhalten der betreffenden Person charakteristisch ist, hat der Arbeitgeber das Recht, aber auch die Pflicht, das zu vermerken. Wenn also ein Arbeitgeber generell sagt, man kann und darf nicht negative Aspekte in ein Arbeitszeugnis bringen, ist diese Aussage falsch.


Wo sind die Grenzen beim Erwähnen von negativen Merkmalen?


Die Frage hier ist, ob etwas ausreichend Gewicht hat, um im Arbeitszeugnis als negativ vermerkt zu werden. Einmal blau machen reicht dazu natürlich nicht.


Die Meinung ist immer noch weit verbreitet, Arbeitszeugnisse dürften gar keine negativen Beurteilungen enthalten.


Das stimmt. Ich stelle aber eine gewisse Tendenz weg von dieser Praxis fest. Es gibt vermehrt Arbeitgeber, welche das Wahrheitsgebot ernster nehmen, auch wenn sie mit der Aufnahme negativer Aspekte ins Arbeitszeugnis einen Rechtsstreit in Kauf nehmen müssen. Es ist aber noch immer eher die Ausnahme.

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Es besteht also die Gefahr, dass ein Arbeitgeber, der jemanden einstellen will, durch das Arbeitszeugnis getäuscht wird?


Das ist tatsächlich so. Der alte Arbeitgeber halst dem neuen Arbeitgeber im schlimmsten Fall das Risiko auf, dass dieser bei der Einstellung getäuscht wird.


Sie sprachen zuvor von der Pflicht des Arbeitgebers, gewichtige Negativpunkte ebenfalls zu erwähnen. Was droht, wenn das wider besseres Wissen nicht geschieht?


Nehmen wir ein Beispiel. Ein Bankangestellter hat Geld am Arbeitsplatz veruntreut und muss in der Folge die Firma verlassen. Nun ist der Arbeitgeber verpflichtet, das im Arbeitszeugnis zu vermerken. Tut er das nicht und beim neuen Arbeitgeber kommt es erneut zu einem solchen Vorfall, so riskiert der alte Arbeitgeber, dass er vom neuen zur Verantwortung gezogen wird. Das Problem dabei ist, dass solche Fälle oft nicht nachzuweisen sind. Es gibt bis heute nur ganz wenige Urteile, in denen es zu Sanktionen kam.


Auch wenn Sie leichte Veränderungen bei der Praxis mit der Ausstellung von Arbeitszeugnissen feststellen. Es bleibt beim Eiertanz. Machen denn Arbeitszeugnisse so überhaupt Sinn?


Teilweise muss ich ihnen recht geben. Mann kann den Wert solcher Zeugnisse durchaus hinterfragen. Verwendung sehe ich trotzdem. Etwa im Sinn eines ersten Eindrucks oder als Triage bei zahlreichen Bewerbern. Für eine genaue Analyse des Bewerbers reicht ein solches Zeugnis natürlich nicht. (Tagesanzeiger.ch/)

 LINK:

Zeugnissprache

Arbeitszeugnisse enthalten mehr Information als ein erster Blick zeigt. .... GRUNDSATZ DES WOHLWOLLENS, Das Arbeitszeugnis soll dem Arbeitnehmer das ...
www.rhetorik.ch/Zeugnis/Zeugnis.html - Cached - Similar




Kommentar:



Arbeitszeugnisse sind meist schön gefärbt: Deshalb sollte der neue Arbeitgeber beim alten per Telefon zusätzliche Informationen einholen.

Werden im Arbeitszeugnis Mängel erwähnt, so müsste der  Mitarbeiter vorher schon einmal schriftlich gerügt worden sein  (Brief oder im Protokoll des Mitarbeitergespräches). Es ist es nicht haltbar, plötzlich Negatives im Zeugnis zu vermerken.

Ein Arbeitszeugnis sollte auch etwas über das Arbeitsverhältnis aussagen, nicht (nur) über den Angestellten. Bei Kündigung ist dieses Verhältnis oft schlecht - und genau das gehört nicht ins Arbeitszeugnis!

Wenn man Informationen einholt, muss berücksichtigt werden, wäre es ein Fehler zu glauben, ehemalige Arbeitgeber oder Kollegen würden immer nur die Wahrheit sagen.

Ein Arbeitszeugnis dient in erster Linie dazu festzustellen, wie lange jemand in einer Anstellung war und was er dort für Aufgaben hatte. Alles weitere erfährt man über Referenzen. Und wenn jemand keine Referenzen angibt, dann sagt das mehr über ihn aus, als ein schlechtes Zeugnis...

Leider zeigt die Praxis: Die Mehrheit meiner Klienten mit ungenügenden Leistungen nehmen sehr rasch einen Anwalt oder zumindest einem Gewerkschaftsekretär, um ein zu gutes Zeugnis zu erwirken. Sie sind bereit, dafür den Weg durch alle Instanzen zu gehen. Dieses Problem gilt es  zu berücksichtigen.

Es ist somit verständlich: Der Arbeitgeber will will sich keine weitere Probleme aufhalsen! Deshalb gibt er ein gutes Zeugnis. Man hat so den Mitarbeiter los. Das hat für ihn den Vorteil, dass sich die Konkurrenz nachher mit diesem schwierigen Fall auseinandersetzen muss.

Ich kenne Arbeitgeber, die vom Arbeitsgericht gezwungen worden sind, ein positives Arbeitszeugnis auszustellen. Eine Arbeitsbestätigung wurde gar verweigert. So löst man das Problem elegant: Der Angestellten darf mitunter sein Arbeitszeugnis selber ausstellen. Dann gibt es keine Probleme mehr.

In einem Zeugnis sollte vor allem erwähnt werden, was der Arbeitnehmer kann. Es geht nicht darum, zu schreiben, was er nicht kann. Was geschrieben wird muss wahr sein. ABer man muss nicht alles schreiben, was wahr ist.
Für den Arbeitgeber sind Zeugnisse mit nicht guten Bewertungen vor den Richtern bis hin zum Bundesgericht - welche zunehmend von den Arbeitnehmern fast gratis (Rechtsschutz-Versicherungen) angerufen werden - kaum durchzusetzen. Eine schlechte Leistung gar aufzuführen oder als Kündigungsgrund zu nennen, führt bereits in 1. Instanz zum Abflug und Büssung des Arbeitgebers.

Die Problematik mit Zeugnissen, die verlässlich sind, beginnt schon in der Volksschule. Es gibt Kantone, da wird es den Lehrern untersagt, disziplinarisches Fehlverhalten  oder unerlaubtes Fernbleiben zu notieren. Deshalb müssen wir uns nicht wundern, dass Zeugnisse nicht mehr ernst genommen werden und Firmen eigene Tests vornehmen.   

Sommaruga im Clinch mit Scheidungsvätern

Scheidungsväter sind eine sozialpolitische Zeitbombe

Ich zitiere TAGI:
Unterschätzt Bundesrätin Sommaruga die Wut der Scheidungsväter? Sommaruga lässt sich nach ihrer Wahl von Frauen feiern.
Unterschätzt Bundesrätin Sommaruga
die Wut der Scheidungsväter?
Sommaruga lässt sich nach ihrer Wahl
von Frauen feiern.

Noch keine 100 Tage im Amt, liess die frischgewählte Bundesrätin Simonetta Sommaruga am 12. Januar eine kleine Bombe platzen: Sie wolle erst einen Vorschlag für die gemeinsame elterliche Sorge als Regelfall vorlegen, wenn gleich auch noch die komplexe Frage des nachehelichen Unterhalts geregelt wird. Zurück auf Feld eins.
Blicken wir kurz zurück: Seit dem Inkrafttreten des neuen Scheidungsrechts am 1. Januar 2000 wird im Scheidungsfall die elterliche Sorge einem der beiden Elternteile – im Normalfall der Mutter – zugeschlagen. Nur wenn beide Elternteile mit der gemeinsamen elterlichen Sorge einverstanden sind, kann das Gericht diese verfügen. Im Wissen um den Traditionsreflex der Gerichte verfügen Frauen also seit 10 Jahren faktisch über ein Vetorecht – und ein superbes Druckmittel während des Scheidungsverfahrens. Nicht erstaunen kann ob dieser Ausgangslage, dass in der Schweiz eine stetig wachsende Zahl stetig wütender werdender «Scheidungsväter» vernehmbar wird. Sie fühlen sich doppelt benachteiligt:


Erstens müssen sie trotz Scheidung weiterhin für Kinder und Gattin bezahlen, bekommen ihre Kinder aber vielleicht noch jedes zweite Wochenende zu Gesicht – und hausen selber in einer Ein-Zimmerwohnung, die sie sich mit dem Restlohn grad noch knapp leisten können.


Ein Mitspracherecht für Erziehungsfragen haben sie keins.


Eine sozialpolitische Zeitbombe.
Am 7. Mai 2004 reichte der Schwyzer CVP-Nationalrat Reto Wehrli deshalb ein Postulat ein, das die gemeinsame elterliche Sorge als Regelfall fordert. Das leuchtete der Parlamentsmehrheit ein. Im Oktober 2005 erteilte es dem Bundesrat den Auftrag, einen entsprechenden Vorschlag zu erarbeiten. Nach fünf Jahren Arbeit und abgeschlossener Vernehmlassung sollte der Bundesrat im letzten Dezember endlich den versprochenen Vorschlag vorlegen. Bis eben Simonetta Sommaruga befahl: zurück auf Feld eins.
Natürlich gibt es gute Gründe, die Frage der elterlichen Sorge zusammen mit den finanziellen Scheidungsfolgen anzupacken, wie die neue Bundesrätin es will. Nur ist ihr Entscheid nicht im luftleeren Raum gefallen:
Erstens hat sie vom Parlament – ihrer vorgesetzten Stelle – einen anderen Auftrag erhalten. Das Parlament wollte ausdrücklich nicht mehr und nicht weniger als die gemeinsame elterliche Sorge als Regelfall zu verankern. Allen ist klar, dass die Fronten bei einem emotional derart aufgeladenen Themen so heiss entflammen werden, dass jede Verknüpfung verschiedener Themen das Risiko des Totalabsturzes massiv vergrössert.


Zweitens setzt sich Sommaruga dem Vorwurf aus, wegen der anstehenden Wahlen 2011 eine Verzögerungstaktik zu verfolgen und den innerparteilichen Frieden mit den SP-Frauen höher zu gewichten als das Schicksal der betroffenen Väter. Dass das neue Paket innert eines Jahres geschnürt werden könne, wie Sommaruga versichert, ist völlig unrealistisch.


Drittens missachtet Sommaruga die Brisanz der Thematik, ja, leistet einer weiteren Radikalisierung der betroffenen Männer Vorschub. Noch ist die Aufregung um die kruden Parolen der IG Antifeminismus um SVP-Politiker René Kuhn in frischer Erinnerung. Wer die Diskussion verfolgt hat, weiss, dass sich Männer.ch als Dachverband der Schweizer Männer- und Väterorganisationen deutlich von dieser Art Sündenbockpolitik distanziert hat. Bei aller Kritik aber gilt es festzuhalten: Die Wut und Ohnmacht dieser Männer ist real, extrem real.


Scheinheilig mutet deshalb die Empörung über die antifeministischen Tiraden an, wenn frau mit solchen Politmanövern gleichzeitig Öl in das Feuer des Geschlechterkampfs giesst.
Das ist Gift für den weiteren Prozess. Es wäre ja eigentlich nicht so schwer: Eltern sind Eltern und bleiben Eltern, auch wenn sich die beiden Elternteile entscheiden, nicht mehr Liebespaar sein zu wollen. Kinder brauchen ihre Eltern, und zwar beide Eltern. Entsprechend darf die Frage im Scheidungsfall doch nicht heissen: Wie verteilt man das vorhandene Geld und das «Recht am Kind» fair auf? Die einzig vernünftige Frage heisst: Wie kann sich das Familiensystem unter neuen Vorzeichen so organisieren, dass es Mutter, Vater und Kinder so gut wie möglich dabei geht? Die traditionelle «Mann = Ernährer, Frau = Mutter»-Lösung wird hier kaum je taugen. Das genau aber ist die Wahl der Richter, wenn die Eltern streiten. Wir fordern: Wenn sich die beiden Eltern nicht einigen können, muss die Rückfallebene 50:50 heissen. Konkret: Die faktische Verantwortung muss genauso wie die Pflicht zum Geldverdienen und das Recht auf Sorge je hälftig verteilt werden. Nehmt die Männer in die Pflicht statt sich über sie zu beklagen oder sie auszuschalten – und ihnen auch noch das Existenzminimum wegzunehmen.
Für Männer.ch als Brückenbauer im Geschlechterdialog ist Sommarugas Kurswechsel ein unheimliches Signal. Hoffen wir, dass es sich als Wahlkampftaktik entpuppt und nicht Ausdruck ihrer politischen Kultur ist. Denn um in einem derart schwierigen Dossier wie dem Scheidungsrecht nachhaltige Lösungen zu finden, brauchen wir eine Bundesrätin, die sich dem Geschlechterdialog auf Augenhöhe verpflichtet. Eine Bundesrätin, die anerkennt, dass eine nachhaltige Lösung in dieser Frage keine Gewinner und Verlierer kennen darf.






Kommentar: Die neue Bundesrätin ist im Clinch. Einerseits möchte Sie (wie versprochen) lösungsorientiert regieren und anderseits will sie die Feministinnen nicht vor den Kopf stossen.
Sie muss aufpassen, dass sie sich nicht zur Anwältin einer Gruppe machen lässt.