Montag, 20. August 2007

Sollten Lehrer auch benotet werden?

Die Thurgauer Lehrer sollen künftig nach Einsatz und Leistung bezahlt werden. Die lohnbestimmende Beurteilung soll in Schulhäusern wie in der übrigen Arbeitswelt möglich werden. Dagegen läuft der Lehrerverband Sturm. Anton Strittmatter (Schweiz. Lehrerverband): "Noten für Lehrer sind Lottospiele, die überall Schiffbruch erlitten haben."

Obwohl es für Lehrkräfte angeblich keine tauglichen lohnwirksamen Qualifikationssysteme gibt, vertrete ich die Meinung, dass alle Ausbildner, Berater, auch Therapeuten, selbst Aerzte, beurteilt werden können, beurteilt werden dürfen. Doch müssten dabei gewisse Bedingungen eingehalten werden: Wir dürfen uns nicht nur auf EINE Beurteilung verlassen. Wie beim 360 Grad Feebackverfahren bedarf es mehrerer Urteile von verschiedensten Seiten.

So wie man Urteile von Kunden einholen kann, könnten auch die Schüler schreiben, was sie vom Unterricht halten (Beurteilung von unten). Aus dieser Meldung erführen wir beispielsweise, ob es einem Kind wohl ist, ob es dem Unterricht folgen kann, ob die Lehrkraft auf das einzelne Kind eingeht.

Aus den Bemerkungen der Eltern erfahren wir anderseits, wie gut ein Lehrer mit dem Elternhaus zusammenarbeitet. Hier geht es nicht um eine fachliche Beurteilung, sondern nur um die subjektive Sicht der Eltern.

Auch die Behörde kann einen besonderen Aspekt beurteilen. (Beurteilung von oben) Aber auch dieser Spiegel sagt noch nichts aus über die methodischen, pädagogischen Aspekte des Unterrichtes.

Der Schulleiter oder der Schulinspektor (falls vorhanden) deckt eher die fachlichen Aspekte ab.

Aber auch die Selbstbeurteilung ist ein wichtiger Parameter für das Gesamtbild.

FAZIT: Bei einer mehrseitigen Beurteilung hätte kein Lehrer etwas "zu befürchten". Falls sich einzelne Schüler nach einer schlechten Beurteilung gleichsam rächt, würde dies - dank der Mehrfachbeurteilung - sichtbar. Auch Lehrpersonen müssen heute lernen, mit Fremdbeurteilungen umzugehen. Die Meldungen haben nur einen Zweck: Der Unterricht soll besser werden. Es geht nicht um eine Beurteilung als Selbstzweck, es geht nur um die Verbesserung des Unterrichtes, um eine hilfreiche Verhaltensänderung. Teure Feedbackverfahren mit dem üblichen enormen Papierkrieg dürfen nicht zu einer Pflichtübung verkommen,wie es leider oft der Fall ist. Ich habe Behördenmitglieder erlebt, die gar nicht darauf erpicht waren, mit einer konstruktiven Kritik dem Lehrer zu helfen. Es ging ihnen vor allem nur darum, Kritik zu äussern.

Mein Vorschlag: Händigen wir der Lehrperson alle Beurteilungen persönlich (evt. auch anonym) aus. Die Feedbackblätter sollten auch nicht weitergereicht werden. Die Lehrperson wird dadurch nicht blossgestellt (an den Pranger gestellt). Ich bin sicher, dass offene "Meldungen"- von verschiedensten Seiten - dasselbe bewirken, wie das Videofeedback in unseren Seminaren. Die Leute sehen sich dort so, wie sie sich geben - dank / Bild- / Tonspiegel/Expertenspiegel. Ob es Lehrer wollen oder nicht: Die zahlreichen Sichten beeinflussen zwangsläufig den Unterricht oder das Verhalten. Jeder lernwillige Mensch möchte Schwachpunkte (sogenannte blinde Flecken) erkennen und eliminieren. Ohne Einsicht, ohne die Bereitschaft, sich ändern zu wollen, kommt es zu keinen nachhaltigen Verbesserungen. PS: Bei meinen Hospitationen von Dozenten habe ich an der Hochschule Rapperswil ein taugliches Modell kennengelernt, das darauf beruht, dass die Meldungen der Studierenden dem Lehrbeauftragten direkt zugestellt werden, weder dem Rektorat noch der Aufsichtsbehörde. Dieses Feedbackverfahren führte dazu, dass die Dozenten selbst daran interessiert waren, ihre Defizite zu beheben.