Dienstag, 8. Juli 2014

Noten für den Bundesrat

Nach dem Schulreisli die Noten

 So gut sind unsere Bundesräte

Gut ein Jahr vor den Wahlen gibt die Politik-Redaktion dem Bundesrat Noten. Dabei steht fest: Burkhalter ist der Klassenbeste.


Sie steht im Gegenwind: Eveline Widmer-Schlumpf (58, BDP) scheint ihren Kredit aufgebraucht zu haben. Lang profitierte die 2007 gewählte Finanzministerin vom Goodwill der Mitte-links-Parteien. Denn sie war bereit gewesen, SVP-Tribun Christoph Blocher (73) aus dem Bundesrat zu hieven. Inzwischen sind ­Na­tio­nal- und Ständeräte kritischer. Ohne starke Fraktion im Rücken kassiert die Bündnerin Niederlagen in beiden Kammern. Jüngstes Beispiel: die Klatsche beim Erbschaftssteuer-Abkommen mit Frankreich. Auch wenn «EWS» Probleme der Banken mit den USA kommen sah, konnte sie das Parlament nicht von einem darauf zugeschnittenen Gesetz überzeugen. Immerhin erreichte sie für die CS eine Einigung. Im Kampf gegen Steuererleichterungen für Bausparer und Familien, die ihre Kinder selber betreuen, folgte ihr das Volk und lehnte die Vorlagen ab. Grosse Frage: Tritt sie 2015 nochmals an? Die BDP kann nicht auf ihr einziges Aushängeschild verzichten. Widmer-Schlumpf wird als blitzgescheite Taktikerin genau sondieren, ob sie Wiederwahlchancen hat. Spürt sie Widerstand, könnte sie abtreten. Eine Abwahl wie Blocher wird sie kaum riskieren.



MEDIENRHETORIK (Urteil Marcus Knill): 
Obschon  es Evelinie Widmer-Schlumpf fertig brachte, Christoph Blocher aus dem Bundesrat zu treiben und jahrelang von den Blocher Gegnern profitieren konnte, fällt es  ihr heute zunehmend schwerer, das Parlament und die Bevölkerung zu überzeugen. Bei vielen Auftritten hat man  das Gefühl, eine bescheidene Frauwolle ihre Argumente mit ihrem aufgesetzen Lächeln spielend durchbringen. Allmählich merken nun  auch Laien, dass die Finanzministerin eine gewiefte, ehrgeizige Taktikerin ist und die Tastaturzunutzen weiss, um - übrigens  ohne grosse Partei im Rücken - knallhart die Macht auszuüben. Ich befürchte, dass Eveline Widmer-Schlumpf bei der nächsten Wahlen über die Klinge springen muss. Das Volk wird nämlich der Auflösung des Bankgeheimnisses kaum folgen. 

Seine Altlasten holten ihn ein: Johann Schneider-Ammann (62, FDP) ist seit November 2010 Wirtschaftsminister – mit sehenswerten Erfolgen. Er brachte eine grosse Agrarreform durchs Parlament und unterzeichnete ein Freihandelsabkommen mit China. Auch wehrte er linke Vorstösse für eine stärkere Umverteilung erfolgreich ab: Das Volk schickte Ini­tiativen bachab, die eine maximale Lohnspanne von 1:12 und 4000 Franken Mindestlohn verlangten. Eine Schlappe aber musste der Langenthaler hinnehmen: Er gehörte zum bundesrätlichen Trio, das die Masseneinwanderungs-Initiative der SVP hätte bodigen sollen. Ausgerechnet in der Schlussphase des Abstimmungskampfs holte ihn seine Vergangenheit ein – als Firmenchef der Ammann-Gruppe hatte er Millionen Franken zur Steueroptimierung auf den Cayman Islands deponiert. Sein Ansehen litt unter der Steuer-Affäre. Der rhetorisch schwache, behäbige Berner wird keine Wahlkampf-Lokomotive sein. Verliert die FDP die Wahlen, könnte er abgewählt werden.



MEDIENRHETORIK (Urteil Marcus Knill):
Der Wirtschaftminister ist seit Jahren ein dankbares Opfer. Er wird von Giacobbo - Müller gerne zitiert. Wenn Schneider- Ammann frei spricht, formuliert er so  sonderbar gestelzt, dass die Auftritte zur Lachnummern werden. Mit dem Sprechfluss stimmt es selten.
Am Bildschirm wirkt Schneider-Ammann stets trocken. Er zeigt kaum Emotionen. Ich habe ihn noch nie begeistert gesehen.  In Printmedien schneidet Schneider- Ammann besser ab, als in den elektronischen Medien.  Er will sich jedoch - wie Simonetta Simaruga - für konstruktive Lösungen einsetzen. Im Gegensatz zur neuen SP Bundesrätin ist jedoch Schneider - Ammann bei den Begriffen Verlässlichkeit, Ehrlichkeit, Glaubwürdigkeit, lösungsorientiertes Zusammenarbeiten, Dialogik viel weniger konkret als seine Kollegin. Unser Wirtschaftsminister wird sich auch künftig  als vorbildlicher Kommunikator keinen Namen machen.
Für ihn ist   das EINFACHE nicht EINFACH.  Man müsste ihm  beibringen, so zu reden, wie man mit einem Tischnachbarn an einer Party spricht - gemäss der KISS-formel: "Keep it simpel und short.
Für die Bevölkerung bleibt der intelligente Wirtschaftsminister nach wie vor eine farblose, graue Maus.

Die Chance ergriffen: Vom grauen Mäuserich zum weltgewandten Staatsmann: Aussenminister Didier Burkhalter (FDP) hat in diesem Jahr imagemässig mächtig aufgeholt. Tadellos meisterte der 54-Jährige die Doppelbelastung von Bundespräsidium und OSZE-Vorsitz. Ob im hitzigen Schlagabtausch in Bundesbern, in den goldverzierten Räumen des Kreml oder bei Begegnungen mit dem Volk – der Neuenburger macht eine gute Figur. Trittsicher, besonnen und doch bestimmt. Auch deshalb darf die FDP mit Selbstvertrauen ins Wahljahr gehen: Mit Burkhalter verfügen die Liberalen – endlich wieder – über einen echten Sympathieträger in der Landesregierung. Der stets braun gebrannte Romand, der den öffentlichen Auftritt nicht sonderlich zu mögen scheint, muss allerdings noch zeigen, ob er als Aushängeschild seiner Partei im Wahlkampf taugt. Über die gesamte Legislatur betrachtet jedoch fällt Burkhalters Bilanz durchmischt aus. Auch er war mitschuldig an der Niederlage bei der Masseneinwanderungs-Initiative. Burkhalter mag der richtige Mann für die Weltbühne sein. Dass er wichtige Geschäfte auch hierzulande durchbringen kann, hat er noch nicht bewiesen.



MEDIENRHETORIK (Urteil Marcus Knill):
Didier Burkhalter kam bereits beim Amtsantritt sehr gut weg. Seine Gedanken formuliert er bedacht, aber bestimmt.
Auch auf internationalem Parkett bewegt er sich sicher. Er ist nicht mediengeil, obschon er vor Mikrofon und Kamera mit seiner beschiedenen Art beim Publikum punktet. Nur nach der Niederlage  bei der Masseinwanderungsinitiative  wirkte er  erstmals irritiert.
Burkhalter beherrscht als Französichsprechender die deutsche Sprache recht gut. Er hatte einmal ein Handicap: Mit seinem Vorschlag, man sollte prüfen, die Geiseln in Libyen mit militärischen Mitteln zu befreien, setzte er sich in die Nesseln und wurde für seinen Vorschlag hart kritisiert. Seit der Wahl werden Bukhalter Führungsqualitäten zugesprochen.  Ich habe im PERSOENLICH ein Interview mit ihm eingehend analysiert und hatte festgestellt: Er argumentierte geschickt, wirkte glaubwürdig und schnitt auch rhetorisch recht gut ab. Seine Antworten  überzeugten. Zwar beurteilen ihn einzelne Journalisten heute als eher schwacher, konfliktscheuer Bundesrat.

Von der SVP gepiesackt: Am 9. Februar erlitt Simonetta Sommaruga (54, SP) den grössten Flop ihrer politischen Karriere. Als Justizministerin federführend, verlor sie die Abstimmung über die Masseneinwanderungs-Initiative – die grösste Schlappe des Bundesrats seit dem EWR-Nein. Jetzt muss Sommaruga das Anliegen der SVP umsetzen. Und nicht nur das: Auch für die ebenfalls von ihr bekämpfte Ausschaffungs-Initiative und das Pädophilen-Volksbegehren muss sie Lösungen finden. Von zahlreichen Problemen im Asylbereich sind noch immer viele ungelöst. Kein Wunder, kursieren Gerüchte, sie würde gerne das Departement wechseln. Sommaruga agiert vorsichtig, ständig bedacht, keine Fehler zu machen. Die ausgebildete Konzertpianistin wirkt bei ihren Auftritten immer noch spröde und kommuniziert nur, wenn sie wirklich muss. Gegner hat sie in ihrer Partei keine, Grund zur Sorge auch nicht. 2015 wird sie spielend  wiedergewählt.

MEDIENRHETORIK (Urteil Marcus Knill):
Nach der happigen Niederlage bei der Masseneinwanderungsinitiative folgt nun für Simonetta Sommaruga die Nagelprobe. Wird sie weiterhin so  sachlich und wohlbedacht kommunizieren? Es ist ihr zuzumuten, dass sie die aktuellen heissen Eisen weiterhin vorsichtig aus dem Feuer zu nehmen versteht.
Bei den 1. Augustreden erhielt die Justizministerin von mir gute Noten. Sie hielt sich an folgendes bewährte Erfolgsrezept:
  • Ich spreche nur, wenn ich mich gedanklich vorbereitet und etwas zu sagen habe.
  • Ich rede frei und so wie ich bin (keine Schauspielerei)
  • Ich bedenke den Start und den Schluss, nachdem ich eine Kernbotschaft (Dachbotschaft) bestimmt habe
  • Diese Kernbotschaft muss aber noch mit einem Beispiel, mit einer Geschichte einem Erlebnis veranschaulicht werden. Die Botschaft wird dadurch nachhaltig.
  • Wenn ich von dem überzeugt bin, was ich sage, kann ich viele rhetorische Fehler machen. Das vereinfacht das Reden vor Publikum. 
  • Die Botschaft kommt nur dann an, wenn die Rednerin sich mit dem Inhalt identifiziert,
  • Die Stimme muss mit Körpersprache und Botschaft übereinstimmen.


Sein Stresstest steht noch an: Vor den Medien gibt sich der neuste Bundesrat Alain Berset (42, SP) betont locker. Bei Anlässen tritt er gern ohne Krawatte auf. In der Sache aber ist er knallhart. Bei Freund und Feind gilt er als «harter Hund», der Entscheidungen trifft und seine Ziele erreichen will. Berset ist ein Etatist, einer, der an einen starken Staat glaubt. Trotzdem ist er jetzt gezwungen, contre cœur, gegen die Einheitskassen-Initiative der SP anzutreten. Einen Gegenvorschlag musste er fallen lassen, es war seine erste Niederlage als Gesundheitsminister. Dagegen erreichte er eine Senkung der Medikamentenpreise. Mit ­einem anderen Gegenvorschlag gelang es ihm, die Ärzte von einer teuren Initiative abzubringen. Seine Volksabstimmungen hat er bisher gewonnen – abgesehen von der von Didier Burkhalter geerbten Managed-Care-Vorlage und vom Familien-Artikel. Mit der Rentenreform einem gewaltigen Projekt, steht ihm die grösste Herausforderung noch bevor. Sein Kompromissvorschlag hat Linke wie Rechte verärgert – doch das spornt ihn nur noch mehr an.



MEDIENRHETORIK (Urteil von Marcus Knill)
Alain Berset überzeugt bei seinen Medienauftritt durch seine natürlich, lockere Art. Ich verweise auf das jüngste Selfie auf dem "Schulreisli". Beim Gesundheitswesen muss er aber  noch einige Hürden nehmen. Widerstände scheinen ihn zu beflügeln. Im Gegensatz zu Alt-Bundesrat Blocher ist der SP Bundesrat Alain Berset  eher ein Mann der leisen Töne. Bei seinem ersten Auftritt - als er französisch, italienisch und deutsch sprach - hatte er  bei der Bevölkerung gepunktet.
Er hat eine sympathische, natürliche Art, wirkt stets besonnen und antwortet überlegt.  Es werden kaum alle deutschsprachigen Bundesräte so gut auf französisch antworten könnten, wie Berset sich in deutsch ausdrücken kann. Im Gegensatz zu Micheline Calmy-Rey wirkt er weniger egozentrisch. Er hat etwas staatsmännisches.  Er ist bei den Interviews kaum angreifbar, weil es kaum Angriffsflächen bietet. Monsieur "Parfait", wie Berset auch genannt wird, muss höchstens aufpassen, dass er nicht zu geschliffen, zu angepasst verhandelt. Berset meidet  allzu konkrete Details. Er holt dafür - dank seines Humors - viele zusätzliche Bonuspunkte.


Vom Volk alleingelassen: Ueli Maurer (63) ist Einzelkämpfer. Der SVP-Bundesrat steht in der Landesregierung oft isoliert da, sein Einfluss ist eher gering. Er gilt dort als einziger Befürworter der Masseneinwanderungs-Initiative, hält sich aber  öffentlich zurück respektierterte das Kollegialitätsprinzip – nicht selbstverständlich für ihn als ehemaligen Parteichef. Das Jahr 2014 war für ihn schwierig. Im Gripen-Abstimmungskampf leistete er sich mehrere Fauxpas – und bekam vom Volk die Quittung: das Nein zu den Kampfjets. Es war Maurers wichtigste Vorlage der Legislatur. Sein Einsatz für die Olympischen Spiele im Bündnerland 2013 endete ebenfalls mit einer Niederlage. Der nächste grosse Kampf ist die Armeereform. Die Linke verspürt nach dem Gripen-Sieg Rückenwind. Die laut Maurer «beste Armee der Welt» soll weiter verkleinert werden. Auch beim Nachrichtendienstgesetz droht Maurer ein Schiffbruch. Trotzdem dürfte er eine weitere Amtszeit anstreben – denn grosso modo mag er seinen Job. Obwohl er gern hemdsärmlig auftritt.


MEDIENRHETORIK (Urteil von Marcus Knill):
Seine Hauptstärke: Er spricht mediengerecht und wird von der Bevölkerung verstanden.
Er  stand oft im Gegenwind und scheint von vielen unterschiedlichen Beratern beeinflusst zu werden. Jedenfalls trat er zu oft in Fettnäpfchen und leistete sich zu viele Kommunikationsfehler. Trotz aller Pannen kommt Maurer in den Medien immer wieder  gut weg. Von den 7 Patzern gab der Wutanfall bei Sandro Brotz (Rundschau) viel zu reden. VBS Chef Ueli Mauer hat sich auch in einem Weltwoche Interview abfällig gegenüber Bundesratskollegen geäussert: Das war ein No-go.

Die Strahlefrau verliert an Glanz: Doris Leuthard (51, CVP) blickt bisher auf eine durchzogene Legislatur zurück. Knapp verlor sie die Abstimmung über die Zweitwohnungs-Initiative, ihr Raumplanungsgesetz aber brachte sie durch. Die schmerzhafte Niederlage bei der Autobahn­vignette vermochte ihr Sieg mit der Vorlage über den Bahnausbau Fabi nur halbwegs auszubügeln. Und schon stehen weitere grosse Herausforderungen an: Die mit einer Benzinpreiserhöhung verbundene Schaffung des neuen Strassenfonds wird für Leuthard zum Husarenritt. Und ob sie den Bau einer zweiten Gotthardröhre beim Volk durchbringt, bleibt fraglich.  Auch die Umsetzung der Energiestrategie 2050 wird nicht einfach. Mit acht Jahren Amtsälteste, ist die Aargauerin im Umgang mit den Parlamentariern selbstbewusst bis zur Divenhaftigkeit. Als Routinierin ist sie dossierfest und mächtig: Sie spielt bei vielen Geschäften die Rolle des Züngleins an der Waage. Der Zoff mit Eveline Widmer-Schlumpf ist abgeflaut. Leuthard dürfte 2015 wieder antreten. Winkt ihr doch 2017 das Bundespräsidium – als krönender Abschluss ihrer Bundesratskarriere?


MEDIENRHETORIK (Urteil von Marcus Knill):
Bei der freudestahlenden Doris Leuthard besteht die Gefahr, dass sie durch ihre Zickzackkurse an Glaubwürdigkeit einbüsst. (Ausstieg aus Atomenergie - Benzinpreiserhöhung)
Diese selbstbewusste Magistratin holt bei der Bevölkerung immer wieder Punkte. Ich vermute, dass die Verkehrsministerin bei der zweiten Gotthardröhre einen schweren Stand haben wird. Sie könnte nun von ihrem Glanz etwas einbüssen.
Was mich interessieren würde. Welche Coach hat mit welchem Lernbild der Magistratin gezeigt, wie der Tick mit dem ungewohnten Aufreissen der Augen eliminiert werden konnte. Ich vermute, dass sich dieses Stressverhalten durch die Routine  selbst korrigierte. 
Bei Doris Leuthard habe ich zwei 1. Augustreden analysiert.
Die erste Rede in Eischoll. Ich fuhr damals ins Wallis vor Ort und analysierte diese Rede eingehend. Zusammenfassend stellte ich dort fest:
Es hat eine sympathische, gewinnende junge Magistratin gesprochen. Diese 1. August Rede war laut und kraftvoll, aber leider viel zu vage in den Aussagen.

2013  musste ich für die Presse die 1. Augustreden aller Bundesräte analysieren.
Hier das Medienecho zur Rede Leuthards:

Doris Leuthard - Unoriginell

Gleich wie Bundesrat Schneider-Amman beschwörte 
 die Umwelt-und Verkehrsministerin ebenfalls 
"die Bereitschaft, für einander da zu sein"
als typisch schweizerische Tugend. 
Anstehende Reformen sollten mit
Dialogbereitschaft angegangen werden. 
"Doch dies sei eigentlich Jammern
auf hohem Niveau", bilanzierte die 
CVP-Bundesrätin.

Leuthard stelle Wilhelm Tells Aussage 
"Der Starke ist am mächtigsten
allein" in Frage, 
"Das ist ein deutlicher
Wink mit dem Zaumpfahl gegen 
alle politischen Kräfte, die eine
Isolationspolitik huldigen." 
Stattdessen solle man am gleichen Strick
ziehen und zusammenstehen. 
"Die Schweiz, ein einig Volk. 
Das ist aber schon
lange kein originelles Motiv mehr", 
so der Kommunikationsprofi.

Verzicht auf Noten?

Gefragt sind ehrliche Bewertungen
 

Es ist wieder Zeugniszeit - damit folgen einmal mehr in der Presse  Leserbriefe und Kommentare in denen Eltern und Psychologen den Wert von Benotungen bezweifeln.
Im Bild am Sonntag vom 6. Juli sieht auch Theologin Margot Kässmann in ihrer Kolumne keinen Sinn,  Kinder zu benoten.

Tatsächlich wären Beurteilungen unsinnig, wenn die Lehrkräfte Bewertungen beschönigen, um den Kindern den Zugang zur Arbeitswelt zu erleichtern. Dies ist leider immer wieder der Fall.
Geschöne Zeugnisse führen  dazu, dass Personalverantwortliche eigene Tests machen und die Stellensuchenden unabhängig von den Zeugnissen nach einer Probezeit selbst beurteilen.
Im Berufsalltag spielen für sie vor allem die Rubriken
FLEISS
ORDNUNG
AUFMERKSAMKEIT
PFLICHTERFUELLUNG
BETRAGEN
eine viel grösserer Rolle als die Kopfnoten.
Leider haben viele Schulen die Beurteilung dieser wichtigen Bereiche abgeschafft.



Im Berufsalltag oder im Studium sind später Prüfungen und Benotungen eine Selbstverständlichkeit. Es ist deshalb wichtig, dass sich Jugendliche schon in der Schulzeit an solche Herausforderungen gewöhnen. Wer nicht gelernt hat, mit Prüfungsstress und Benotungen umzugehen, ist  später benachteiligt.
Es lohnt  sich aber vor allem,  Jugendliche recht früh in der Selbstbeurteilung zu schulen, damit es zu glaubwürdigen Beurteilungen kommt. Das Arbeits- und Sozialverhalten müsste zudem  in den Zeugnissen wieder  stärker gewichtet werden.