Dienstag, 25. November 2008

Obamas Kommunikationsstrategie - ein Lehrstück

aus persönlich.com:

Lehren aus der Obama-Kampagne
"Yes, we can!": Die Wahl des 47-jährigen Barack Obama zum 44. US-Präsidenten war nicht nur ein historisches Ereignis, sondern auch ein Meilenstein in der Geschichte des politischen Marketings. Was aber machte seine Kampagne so einmalig? Der Zürcher Politologe Louis Perron hat selbst für einen namhaften amerikanischen Politberater gearbeitet. Für “persönlich” analysiert er den amerikanischen Wahlkampf und vergleicht ihn mit hiesigen Politauseinandersetzungen.

“Ja, das können wir”

Einige Beobachter haben das Gefühl, das Beeindruckende an der Obama-Kampagne war, wie sie das Internet und die neuen Technologien genutzt hat. 8000 Internetgruppen, 50 000 lokale Events und 1,5 Millionen Internethelfer sind in der Tat beeindruckend. Es ist aber nur ein Teil der Geschichte. Campaigner meinen häufig, eine Kampagne heisse, Produkte wie Plakate, Broschüren oder eben Webseiten zu produzieren. Richtigerweise jedoch sollte eine Kampagne als eine Serie von Entscheiden betreffend Botschaft, Strategie, Fundraising und Produkten verstanden werden. Die Obama-Kampagne hat diese Entscheide früh gefällt und beinhart durchgezogen. Das ist das Beeindruckende. In Schweizer Kampagnen versteht man unter Message meistens einen inhaltslosen Spruch. Eine gute Message ist aber mehr als ein Spruch, jedoch weniger als ein Parteiprogramm. Im Falle von Obama war die Message die folgende: “Barack Obama bringt den Wechsel, den das Land dringend braucht. Er wird die Wirtschaft wieder ankurbeln, nicht nur für Wall Street, sondern auch für Main Street. Konkret heisst das: Steuererleichterungen für 95 Prozent der Amerikaner und eine Ausweitung der Krankenversicherung. Im Gegensatz zu anderen Politikern war Obama immer gegen den Krieg im Irak. Es ist Zeit für eine neue Hoffnung und dafür, die Gespaltenheit des Landes hinter uns zu lassen. Ja, das können wir.”

Keine inhaltsleeren Sprüche

Die Message wurde dann prägnant zusammengefasst im Slogan: “Change we can believe in. Change we need.” Es gab wohl niemand in den USA, welcher nicht wusste, wofür Obama steht. Das sind nicht inhaltsleere Sprüche im Stil “gut für Bern”, “ein starkes Duo” oder “unsere Ständerätin”, wie wir es von Schweizer Wahlkämpfen gewohnt sind. Das hat politisches Fleisch am Knochen. Das ist auch eine wichtige Lektion für kommerzielle Werber, welche politische Kampagnen machen: Die Leute, welche tatsächlich wählen gehen, tun dies, um ein politisches Statement abzugeben. Politische Werbung hat eine andere Dynamik als kommerzielle Kampagnen. Man muss Unterschiede viel klarer aufzeigen. Wenn Herr und Frau Schweizer sich alle vier Jahre an einem Tag entscheiden müssten, ob sie während den nächsten vier Jahren bei Coop oder Migros einkaufen, würde dies die Dynamik der Werbung grundlegend verändern. Langfristige Image-Kampagnen würden verschwinden, und die beiden Konkurrenten würden sich offensiver am Kragen packen.

Schweizer sind weniger strategisch

Im Fall von Obama stimmten das politische Angebot und die politische Nachfrage gemäss den Exit Polls perfekt überein: 71 Prozent derjenigen, welche mit Bush unzufrieden waren, stimmten für Obama. 63 Prozent der Wähler fanden die Wirtschaft das Thema Nummer eins. Diese Gruppe stimmte überwältigend für Obama. Seine Position zum Irak hat ihn während den Vorwahlen klar von der Frontrunnerin Hillary Clinton unterschieden. Falls Sie momentan in einer politischen Kampagne sind, stellen Sie sich die folgenden Fragen:

Haben Sie eine solch kohärente Botschaft formuliert?

Entspricht Ihre Botschaft der Nachfrage der Zielgruppe?

Gibt es im Land noch Leute, welche Ihre Botschaft nicht gehört haben? Falls ja, was ist Ihr Plan, dies zu ändern?

Was im Fall von Obama erstaunlich ist, ist die Kohärenz und die Disziplin, mit welcher die Message während notabene zwei Jahren kommuniziert wurde.

Der Kandidat, der Kampagnenmanager David Plouffe, der Chefstratege David Axelrod sowie die mehr als tausend Angestellten haben an einem Strick gezogen. Lieber eine riskante und suboptimale Strategie, und alle arbeiten in die gleiche Richtung, als drei Clans, und jeder verfolgt eine andere, hervorragende Strategie. Europäische Politiker und Campaigner fokussieren zu viel auf die Produkte und zerbrechen sich zu wenig den Kopf darüber, wie sie den Kommunikationsprozess disziplinieren können. Die Disziplin betreffend die Message ist vor allem bei einer sogenannten “grassroots”- Kampagne, einer Kampagne welche von unten gegen oben mobilisiert, wichtig. Eine Bewegung mit so vielen freiwilligen Helfern funktioniert nur, wenn alle enthusiastisch an die gleiche Sache glauben und an der Spitze strategische Disziplin herrscht! Die Leute, welche Obama gewählt haben, welche für Obama von Tür zu Tür gegangen sind und welche für Obama gespendet haben, haben es alle aus dem gleichen Grund getan: Sie wollten change!

Wenn in Schweizer Wahlkämpfen von Zielgruppen die Rede ist, geht man meistens wenig strategisch ans Werk. Die allermeisten Kampagnenpläne sehen diesbezüglich gemäss meiner Erfahrung gleich aus: die Jungen, die Nichtwähler, die Stammwähler. Die Obama- Kampagne hingegen hat es genau so gemacht, wie man es tun sollte:

-Eine konkrete Strategie festlegen, welche Wählerkoalition man erreichen will. Im Falle von Obama hiess dies vor allem, junge und schwarze Wähler neu zu registrieren und zu mobilisieren.

Das Resultat: 96 Prozent der Schwarzen stimmten für Obama, die Schwarzen bildeten 13 Prozent des Elektorates (+2 Prozent im Vergleich zu 2004). 66 Prozent der 18- bis 29-Jährigen wählten Obama. Sie bildeten 18 Prozent des Elektorates (+1 Prozent im Vergleich zu 2004).

-Wähler dieser Gruppe individuell identifizieren, kontaktieren und mobilisieren. Wer von der Internetkampagne Obamas lernen will, muss vor allem zwei Dinge lernen: Datenbanken und harte Arbeit! Gerade in Proporzsystemen wie in Europa wäre es erfolgversprechend, spezifische Zielgruppen zu definieren und Datenbanken mit individuellen Namen, Adressen und E-Mails aufzubauen