Mittwoch, 19. März 2008

Tibet und China: Dreht sich doch noch die Gewaltspirale?

Wir lesen im Spiegel online:

TIBET-CHINA-ESKALATION

"Jetzt darf Gewalt kein Tabu mehr sein"

Der Dalai Lama fordert friedlichen Widerstand - doch viele junge Tibeter denken anders.

In Dharamsala, dem Sitz der Exilregierung, verdammen junge Buddhisten die Untätigkeit des Westens und fordern notfalls den Einsatz von Gewalt. Auch wenn sie ihren Führer damit brüskieren.

"Schauen Sie sich das an", fordert der alte Mönch im roten Gewand den Inder auf, der gerade vorbei schlendert, und reicht ihm einen Stapel Fotos. "Das sind Bilder aus Lhasa und aus der Umgebung der tibetischen Hauptstadt." Der Inder, mit seiner Familie in Dharamsala im Himalaja-Bundesstaat Himachal Pradesh im Urlaub, blättert den Stapel durch, hustet, reicht dem Mönch die Bilder zurück. "Das tut mir Leid", sagt er mit blassem Gesicht und geht rasch weiter. "Ich bitte um Vergebung, wenn ich Sie erschreckt habe", ruft der Mönch ihm hinterher - und hält die Fotos dem nächsten Passanten hin.

AUFSTAND IN LHASA

Tibetische Reiter stürmen chinesische Stadt - Polizei setzt Tränengas ein

Spektakuläre Bilder vom Aufstand der Tibeter: Ein Kamerateam beobachtete Hunderte aufgebrachte Demonstranten, die teils zu Pferd eine Stadt stürmten. Wutentbrannt riss die Menge eine chinesische Fahne herunter, hisste eine tibetische.

Kommentar: Wir gehen davon aus, dass die Tibetfrage noch Einiges zu reden geben wird. Weder SCHWEIGEN noch GEWALT löst das Problem.

Tagi- online:

Tibetdemo

Keine Entspannung in Tibet

China erhöht den Druck: Die Regierung geisselt den Dalai Lama als «Wolf in Mönchskutte» und verstärkt die Truppen in den Grenzregionen.

n-tv.de:

Tibet ist abgeschottet.

Das Bild zeigt Krawalle in Lhasa am 14. März.

Tagi online:

chinesen

Letzter Journalist verlässt Tibet

China zieht Truppen in den Provinzen nahe Tibet zusammen. Derweilen verlässt der letzte Journalist die Unruheregion.

**************************************************************** GEDANKEN ZUM SPANNUNGSFELD POLITIK UND OLYMPIADE

Quelle TAGI-online:

Politisch motiviererte Boykotte sind nicht neu. China lehne «jeden Versuch ab, die Spiele zu politisieren», hiess es. Vor dem historischen Hintergrund wirkt dieser Rückgriff auf das angeblich unpolitische Wesen der Olympischen Spiele allerdings reichlich exotisch: Denn allzu oft waren die Spiele eine Bühne für politisch motivierte Boykotte und Drohungen, für Streitigkeiten um Flaggen und Nationalitäten, gar für ruchlosen politischen Terror.

Auch das IOK, Gralshüter der olympischen Ideale, spielte nicht selten jene Rolle, die sie offiziell stets entrüstet von sich wies, nämlich den «Knüppel der Politik»:

So schloss das IOK 1920 und 1948 die Verlierer der beiden Weltkriege von den Spielen aus, und es folgte auch bei der Vergabe der Spiele nicht selten politischen Erwägungen oder gar Zwängen. Nicht nur, aber auch im Falle Pekings.

In einer alles andere als heilen Welt sind Olympia-Boykotte zweifellos politische Akte; Entscheide gegen einen Boykott allerdings häufig auch. Bleibt die Frage, in welchem Zusammenhang Boykottbewegungen entstanden und was sie denn «gebracht» haben.

Auch wenn bei den Boykotten von 1980 (Moskau) und 1984 (Los Angeles) noch der steife ideologische Wind des Kalten Krieges die olympische Bewegung an den Rand des Abgrundes blies: Die Argumente Pro und Kontra folgten (und folgen auch heute) stets ähnlichen Mustern.

Mit Boykotten ein Zeichen setzen

Im Kern ging es den Initianten von Boykotten darum, in wichtigen politischen Fragen ein Zeichen zu setzen, Flagge zu zeigen.

Olympia mit seiner Charta, die die olympische Bewegung auf den Frieden, den Kampf gegen jegliche Diskriminierung und die Achtung der Menschenwürde verpflichtet, bot dazu einen gewissermassen unverdächtigen Bezugsrahmen. Die Boykotte gingen pikanterweise stets von Regierungen aus, die sich laut IOK-Regelwerk eigentlich nicht in die Entscheide der nationalen olympischen Komitees einmischen dürften.

Die legitime Empörung über das Apartheid-Regime Südafrikas, über sowjetische Gewalt in Ungarn oder Afghanistan mutierte zur Losung, sich mit «solchen Leuten» nicht an denselben Tisch zu setzen. Dabei spielte - in Erinnerung an Berlin 1936 - auch die Überlegung eine Rolle, «einer aggressiven Macht, die nach frischer Tat mit blutigen Händen dasteht, nicht zu einer Fassade von internationaler Versöhnung, Brüderlichkeit, von Festlichkeit, Harmlosigkeit, von ungemindertem Ansehen und Unverwundbarkeit» zu verhelfen (NZZ, 1980).

Mit der zurzeit waltenden Vorsicht klingt dieses Motiv auch in der aktuellen Peking-Diskussion an.

So sagte der Menschenrechtsdelegierte der deutschen Bundesregierung etwa, es dürfe keine Spiele geben, «die als Jubelkulisse die Sicht auf die permanenten Menschenrechtsverletzungen verdecken».

Wenn es wirklich darum ging, die Selbstinszenierung des Veranstalters zu verderben, dann hat wenigstens der Boykott von Moskau tatsächlich etwas bewirkt. Dem olympischen Zauber fehlten Strahlkraft und gute Laune, sportlich gelten jene Spiele mit nur 81 beteiligten Nationen als zweitklassig.

Doch den Rückzug der sowjetischen Truppen aus Afghanistan hat der Boykott selbstredend nicht bewirkt. Genauso wenig wie vier Jahre später das Fernbleiben des Ostblocks in Los Angeles die Coca-Cola-Rezeptur verändert hat.

Der Widerstand gegen Olympia-Boykotte stützte sich seit jeher auf den Versuch, den Sport als überfordertes Opfer darzustellen, das die Scherben einer unvollkommenen Welt zusammentragen soll. «Was die Staatsmänner der Welt nicht hinkriegen, das kann man nicht dem Sport zuschieben», hiess und heisst es dann etwa. Für Sportler, die jahrelang auf Olympia trainiert hatten, war ein von oben verordneter Boykott zweifellos ein herber Schlag. Sie nahmen dieses «Opfer» umso unwilliger auf sich, als gleichzeitig die wirtschaftlichen Beziehungen mit den «Bösen» dieser Welt weitergingen und üppig gediehen, unter dem Deckmantel opportunistischer Slogans wie «Wandel durch Handel».

Aus ähnlichem Grund wehren sich denn heute auch manche Sportfunktionäre gegen die Forderung, mit Blick auf Olympia das Thema Menschenrechte in China offensiver zu thematisieren. Soll denn der Sport das tun, was die Wirtschaft mit ihren blühenden China-Geschäften nicht will, und was sich die Politik teilweise nicht traut? Vielleicht hat der IOK-Präsident ja dies gemeint, als er sich zum unglücklichen Satz hinreissen liess, es sei «nicht die Aufgabe des IOK, die Menschenrechtssituation in Tibet zu verbessern».

Brücken statt Mauern errichten

Die Rolle des Sportes sei es, Brücken zu bauen und nicht, Mauern zu errichten, beteuern die Protagonisten der olympischen Bewegung immer wieder. Ihr Instrument müsse das Gespräch und nicht der Boykott sein. Dem liegt die Annahme (Hoffnung?) zu Grunde, dass ein Gastgeberland Olympischer Spiele verstärkt im Fokus der Weltöffentlichkeit steht, was die Behebung von Defiziten in der Menschenrechtslage beschleunigen könne.

Der frühere IOK-Präsident Juan-Antonio Samaranch behauptet, China habe sich seit der Vergabe der Spiele (2001) weiter geöffnet und radikal gewandelt: «Es gibt eine Börse, es gibt Millionäre, es gibt schlichtweg alles.» Samaranch verwechselt da wohl gesellschaftlichen Wandel mit wirtschaftlichem Aufschwung. Aber er ist nicht der Einzige, der sich von den Kontakten, die mit Olympischen Spielen zwingend einhergehen, irreversible Prozesse der Öffnung verspricht. Die umstrittene Vergabe der Spiele nach Peking erhielte dadurch auch eine dem IOK sehr willkommene nachträgliche Legitimation.

Amnesty International Deutschland warnte indessen - schon vor den Ereignissen in Tibet - vor der Prognose, «dass die Spiele gewissermassen automatisch zu einer sowohl grundlegenden als auch nachhaltigen Verbesserung der Menschenrechtssituation führen würden». Die Olympischen Spiele in Peking seien nicht nur mit Chancen, sondern auch mit Risiken verbunden. Dazu gehöre die Gefahr, dass die Regierung im Vorfeld dieses Grossereignisses die nationalen Medien stärker kontrollieren und vermehrt gegen soziale Randgruppen und Bürgerrechtler vorgehen werde.

Prognose: Niemand will und wird dieses Jahr Spielverderber sein!

Nachtrag Karfreitag aus 20 Min-online:

99 Tote in Tibet - Schweiz soll handeln Bei den sich ausweitenden antichinesischen Protesten sind auch in der Provinz Gansu Tibeter gestorben.

Die Schweiz soll nicht weiter schweigen, fordern 176 Bundespolitiker: 150 Nationalräte und 26 Ständeräte haben den Bundesrat aufgefordert, gegen die «chinesische Gewalt» im Tibet Stellung zu beziehen.

aus Tagi online (Karfreitag):

tibet

China verschärft die Jagd auf Demonstranten

Die Regierung in Peking hat ihre Fahndung nach Menschen intensiviert, die sich an den Protesten in Tibet beteiligt hatten.

Unterdessen unterstützen amerikanische Politiker die Demonstranten.