Dienstag, 13. September 2011

Illegale Partys und Gewalt


Will die Polizei Gewalt verhindern muss sie rasch einschreiten und Leute rasch verhaften, findet ein Strafrechtsprofessor. In Zürich bei den Kravallen am Bellevue vom letzten Samstag, wurden angeblich nur zwei Personen verhaftet.
Eskaliert die Gewalt, wird den Sicherheitskräften vorgeworfen, sie habe dem Treiben tatenlos zugesehen. Bei Sachbeschädigungen muss dann eingegriffen werden, wonach der Vorwurf folgt, der Einsatz der Polzei viel sei brutal gewesen.


Ich zitiere 20 Min:


Wer hinter der illegalen Bellevue-Party steckt, ist weiterhin nicht bekannt - obwohl Mehrere behaupten, sie seien die «Organisatoren». Eine Schätzung des Schadens liegt nun vor.



  • Tränengas und Gummischrot: Ausschreitungen nach illegaler Party in Zürich 
    100 000 Franken beträgt der Schaden, der am Wochenende rund um das Bellevue angerichtet worden ist. Dies ist jedoch erst eine erste Schätzung der Stadtpolizei nach einer Begehung der Gegend mit Fachleuten. Die Zahl könnte noch steigen. «Wir bekommen laufend neue Schadensmeldungen von Privaten», sagt Stapo-Sprecher Michael Wirz.



Wer die Veranstalter waren, ist indes schwierig zu eruieren. 20 Minuten Online hat mehrere Schreiben von Leuten erhalten, die behaupten, sie hätten die Party organisiert. Reto* sagt: «Wir haben das ursprüngliche SMS verfasst und auch verschickt.» Am Schluss hätten Mehrere mitorganisieren wollen.
Er bezeichnet seine Gruppe als eine von mehreren Veranstaltern von illegalen Parties in Zürich. Das Team sei ein Mix aus DJ's, Musikern, Leuten aus der Elektro-Szene - die meisten seien jung. «Wir veranstalten solche Partys weil wir keine Lust haben, in teure Clubs voller hochnäsiger Leute zu gehen», erklärt Reto weiter.


«Gehen sicher nicht zur nächsten Party»


«Es war uns wichtig, dass die Party friedlich über die Bühne geht, dass es keine Krawalle gibt.» Als Jugendliche habe man beweisen wollen, dass so etwas auch ohne Tumulte gehe. «Leider kamen dann auch gewaltbereite Fussballfans.»


Was das aktuell kursierende SMS mit einer Einladung für eine weitere Party am Samstag in Zürich betrifft, stellt Reto klar. «Das kommt nicht von uns, wir gehen da sicher nicht hin.»


«Polizei muss möglichst viele Personen verhaften»


Mittlerweile hat sich auch der Zürcher Strafrechtsprofessor Martin Killias zu den Ausschreitungen gemeldet. Er verlangt von der Polizei ihre Strategie zu überdenken. Der Fokus der Einsatzkräfte dürfe nicht allein darauf liegen, Sachschäden zu verhindern, so Killias. «Die Polizisten müssten sich darauf konzentrieren, möglichst rasch viele Personen zu verhaften», sagte Killias am Montag Nachrichtenagentur SDA. Am Sonntag waren lediglich zwei Personen verhaftet und angezeigt worden.
Gebe es nach solchen Ausschreitungen nur wenige Festnahmen, erhielten die Gewaltbereiten ein Gefühl der «Risikolosigkeit». «Sie wissen, dass sie randalieren und Private erheblich schädigen können, ohne das etwas passiert», sagte Killias.


«Solche Veranstaltungen sind auf Ausschreitungen angelegt»


Der Strafrechtsprofessor findet es grundsätzlich richtig, dass die Polizei die Party auflösen wollte. «Solche Versammlungen sind auf Ausschreitungen angelegt.» Es sei jeweils nur eine Frage der Zeit, bis die Situation eskaliere.
Die Tumulte seien ein «Happening» mit hohem Unterhaltungswert. Killias hält es deshalb sehr wohl für denkbar, dass sich die Szenen wiederholen.


Ermittlungen laufen auf Hochtouren



Im Hintergrund liefen die Ermittlungen auf Hochtouren, sagte Michael Wirz, Mediensprecher der Stadtpolizei Zürich. «Wir hoffen, weitere Täter festzunehmen.» Bei solchen Ausschreitungen müsse die Polizei immer situativ Massnahmen ergreifen.
Am Samstag seien die Einsatzkräfte sehr stark gefordert gewesen, für Ruhe und Ordnung zu sorgen und eine Ausweitung der Tumulte zu verhindern. «Diese Sofortmassnahmen waren sehr wichtig». Um die Situation zu entschärfen, seien zudem sehr schnell Kantonspolizisten beigezogen worden.
*Name von der Redaktion geändert
Im Grossformat auf dem Videoportal Videoportal
Im Grossformat auf dem Videoportal Videoportal
Im Grossformat auf dem Videoportal Videoportal
Im Grossformat auf dem Videoportal Videoportal


Kommentar: Insoweit hat Killias recht. Bekommt so eine illegale Party eine Eigendynamik,  zieht sie  die unterschiedlichsten Gruppen an, die gewaltbereit sind und die Chance nutzen können - im Schutze der Massen - die Lust an der Gewalt risikolos auszuleben. Es kommt zu einem Konglomerat von links und rechts, gewaltbereiten Fussball-Hooligans, Jugendlichen, die sich langweilen und Exponenten der linksextremen Szene, wie der schwarze Block, dessen Handschrift wir vor allem am 1. Mai sehen.


Nachtrag: Aus 20 Min ein Erklärungsversuch von







Wie kann eine ursprünglich friedliche Veranstaltung plötzlich derart ausarten?
Claude Ribaux: 



  Wir sind hier mit einem klassischen Phänomen des menschlichen Verhaltens in einer Masse konfrontiert: Sobald jemand ein Tabu bricht, wird es für die anderen einfacher, diese Grenze auch zu überschreiten. Die persönliche Hemmschwelle sinkt deutlich und man gibt sich in einem gewissen Sinn dem Ritual der Masse hin. Alkohol und andere Drogen verstärken diesen Effekt noch.


Generalisieren Sie damit nicht das Verhalten von einer Handvoll Leute, während die grosse Masse keine Gesetzesverstösse beging?


Natürlich muss man da klar differenzieren, nur eine Minderheit hat sich am Samstag straffällig verhalten. Es ist allerdings eine Tatsache, dass bei derartigen Ereignissen immer auch junge Leute mitmachen, die sonst völlig unauffällig leben.


Schwelt also in uns allen ein Gewalttäter?

 
Wir sind nicht zivilisiert geboren, sondern werden es durch unsere Erziehung und Bildung. Anstand und Rücksicht wird einem beigebracht. Sozialpsychologische Versuche wie das berühmte Milgram-Experiment in den Sechzigerjahren zeigen aber, dass Leute in Extremsituationen bereit sind, diese aufgebaute innere Grenze zu verschieben. Es ist wie ein Feuer, das – einmal ausgebrochen – nur noch schwer zu kontrollieren ist. Hinzu kommt, dass man in der Masse seine eigenen Aktionen ohnehin weniger reflektiert.


Wie soll sich die Polizei bei solchen Massenveranstaltungen verhalten?

 
Die deutschen Behörden haben gute Erfahrungen mit sogenannten Konfliktvermittlern gemacht. Das sind speziell ausgebildete Polizisten, die ihr Vorgehen gegenüber potentiellen Krawallmachern so transparent wie möglich machen und ihnen Ultimaten setzen. Das soll aber nicht heissen, dass Gesetzesverstösse einfach toleriert werden dürfen. Im Fall vom Bellevue kam natürlich erschwerend hinzu, dass die Organisatoren nicht erkennbar waren. Die Polizei wusste also gar nicht, an wen sie sich hätte wenden können. Generell gilt, dass sie mit solchen Szenen auf Tuchfühlung bleiben muss.


Haben wir hier – wenn auch in kleinerem Ausmass – mit einem ähnlichen Jugendphänomen zu tun, das vor kurzem die englischen Städte heimsuchte?


Es gibt durchaus Faktoren, die vergleichbar sind. Dennoch besteht meiner Ansicht nach kein direkter Zusammenhang. Die Krawalle in England hatten soziokulturell eine tiefere Ursache als diejenigen vom Bellevue. Die Botschaft der Zürcher Jugend war schlicht: «Wir wollen Party machen und dabei von niemandem gestört werden!»


LINKS:


5. Apr. 2000 ... Politiker, Agitatoren und Bandmanager wissen die Massenphänomene geschickt zu nutzen. Um Massen zu beeinflussen, gab es nicht nur die ...
www.rhetorik.ch