Samstag, 15. Oktober 2011

Zur Rolle der Medien im Wahlkampf 11



In der Kommunikationslandschaft MEDIEN - PARTEIEN - KANDIDATEN - PUBLIKUM müssen wir uns nicht nur damit auseinandersetzen, wie die Parteien und Politiker sensibilisieren (hinsichtlich Themen), wie sie diese Themen visualisieren (mit welchen Bildern), wie  die Stimmberechtigten mobilisiert werden (wie  sich die Parteien verbünden) und wie sie personifizieren (Mit welchen Botschaftern?), um die Sieger auszumachen.
die Rolle der Medien in diesem Wahlkampf müsste eigentlich auch bedacht werden.






Bei der jüngstes ARENA mit Chefredakteure wurde der Wahlkampf 11 als zu langweilig ("Gähn langweilig"  titelte Blick am Abend) bezeichnet.  Warum ist der aktuelle Wahlkampf so lau? Diese Frage stand am Anfang im Zentrum der Diskussion.



Wer jedoch die Medienaktivitäten in diesem Wahlkampf betrachtet, stellt fest:


Es wurde  dieses Jahr von den Medien selten so ein grosser Aufwand betrieben. Es wurde in diesem angeblich lauen Wahlkampf für Auftritte von Parteien und Kandidaten enorm  viel Platz eingeräumt. Vom Berner Bundesplatz konnten wir täglich  Interviews mit Exponenten der Politik vernehmen.  Alle Medien räumten diesem Wahlkampf aussergewöhnlich viel Platz ein. Selten wurde so viel gemacht.
Die Aktivitäten der Medien waren somit alles andere als lau.


Wir müssen uns deshalb auch die Frage stellen, weshalb die Medien so einen enormen Aufwand betrieben haben. Weshalb suchten sie diese Nähe zu den Politikern? Weshalb das enorme Interesse am Kontakt mit Exponenten der Politik? Dies versuchte ich in einem Votum an der ARENA zu begründen:


- Die Medien wollen und müssen informieren (Informationsauftrag)


- Die Medien wollen Einschaltquoten. Es wäre nicht normal, wenn für einen Chefredakteur  die Auflagezahlen kein Thema wäre.


- Die Medien schätzen  Auseinandersetzungen, Kämpfe, Streit. Das sind wichtige  Treiber sind hinsichtlich "Wecken der Aufmerksamkeit", Einschaltquoten. Bekanntlich verkauft sich Ausserwöhnliches bei den Konsumenten immer besser  als emotionslose Fakten und Botschaften. Die  Medien haben somit ein  Interesse an ungewöhnlichen  Geschichten. Diese werden vom Publikum geschätzt.


- Die Medien brauchen und wollen Geld. Nicht nur hinsichtlich Inserate. Elektronische  Medien erhalten auch Konzessionen. Der Kontakt zum politischen Personal wird bewusst gesucht. Deshalb ist die Tendenz zur Nähe zur Politik und Politiker verständlich. Der aussergewöhnliche Aufwand in diesem Herbst ist sicherlich auch politisch geprägt.


- Medien profitieren  vom gekaufen Raum. Wenn die SVP in der Schlussphase mit Inseraten nochmals die Bürger mobilisiert (Beispielsweise die grossen Inserate, die vor einem Geheimplan warnen), so kann dies den Printmedien nur recht sein.


An der Arena war es offensichtlich, dass ich mit diesem Hinweis bei einzelnen Journalisten  etwas ausgelöst hatte. Diese Zusammenhänge werden nämlich nicht gerne gehört. Ein Chefredakteur wollte mir sogar während der Sendung unterstellen, ich hätte gesagt, die Medien würden nicht  trennen zwischen dem gekauftem Raum und redaktionellem Teil. Meine Analyse gehe davon aus, dass sich Journalisten  durch die Inserenten beeinflussen lassen.


Beobachter fragten sich: Weshalb diese ungehaltene Reaktion? Von einer Beeinflussung war gar  nie die Rede. Es wurde lediglich die Rolle der Medien im Wahlkampf beleuchtet und bewusst gemacht, dass Medien einen lebendigen Wahlkampf lieben, bei dem die Fetzen fliegen.
Es wäre durchaus nachvollziehbar, falls  Journalisten Auseinandersetzungen im Wahlkampf sogar bewusst schüren. 


An der ARENA (Elefantenrunde mit Chefredakteure) musste ich diesen unpopulären Aspekt im  Kommunikationsfeld MEDIEN - PARTEIEN - KANDIDATEN - PUBLIKUM beleuchten, mit dem Risiko, dass mein Beitrag einem Chefredakteur in den falschen Hals gerät. Einmal mehr bestätigte sich für mich ein Kommunikationsphänomen: Menschen hören selektiv, interpretieren und glauben das gehört zu haben, was man meint, gehört zu haben. Das heisst, viele hören das, was sie gehört haben wollen.


Fazit: Der Wahlkampf war aus der Sicht der Medien weniger lau als es einzelne Redakteure empfunden haben. Ich zweifle jedenfalls daran, dass dieses Jahr weniger Bürger mobilisiert werden konnten. Die Stimmbeteiligung wird sich nach meinem Dafürhalten im Rahmen halten und kaum einknicken.



Uebrigens: Zur  Kernfrage der Sendung ARENA: Wer wird siegen? Aus kommunikativer Sicht nur jene Politiker, die eine Botschaft, verständlich, überzeugend und glaubwürdig vermitteln können, die - wie erwähnt - Botschaften visualisieren können, die Verbündete finden, sich vernetzen und die Wähler mobilisieren können. Diese werden siegen. Die Botschafter der Parteien sind ausschlaggebend. Eine wissenschaftlichen Untersuchung (Universität Zürich) bestätigte : Das Image einer Person  schlägt die Fakten.


LINKS



18. Okt. 2009 ... Sowohl die Person als auch die Präsentation beeinflussen den Inhalt wesentlich. Fakten werden durch die Person oder die Darstellung gefärbt. ...
www.rhetorik.ch/Aktuell/09/10_18/index.html


Nachtrag zur Sendung:




Bild Die «Arena»-Runde mit den Chefredaktoren.
Hannes Britschgi, Roger Köppel, Markus Spillmann und Patrik Müller (von links nach rechts) hören einem Parteienvertreter zu. sf
Die jeweilige Schlagzeile zum Verlauf des Wahlkampfs 2011 wäre für die Chefredaktoren folgende:
«Stinklangweiliger Wahlkampf»
Roger Köppel, Verleger «Weltwoche»
Parteien und Medien hätten die Diskussion über wesentliche Themen verweigert. Ein weiteres Merkmal ist für ihn: «Alle gegen die SVP».
«Spannend auf dem Land, lau in der Stadt»
Patrik Müller, Chefredaktor «Der Sonntag»
Wenn man mit dem Auto über Land fahre, dann rieche es nach Wahlkampf, auch an den Podien werde in ländlichen Regionen intensiv diskutiert.
«Pastell statt grell»
Hannes Britschgi, Publizist Ringier
Der Wahlkampf sei etwas ruhig, aber es gebe sanfte Töne. Über das ganze Jahr hinweg gesehen, sei er interessant gewesen.
«Profilarm»
Markus Spillmann, Chefredaktor «NZZ»
Die Parteien seien fast nicht aufeinander eingegangen. Dies erwecke den Eindruck, dass jede Partei versuchte, sich selber zu positionieren. Kontroversen mit politischen Gegnern sei man aus dem Weg gegangen.
«Arena»: Wer gewinnt die Wahlen 2011?