Sonntag, 4. Mai 2008

SVP will rasch handeln

20 Min online:

Kontext:

SVP will Widmer-Schlumpf rasch los werden

Der SVP-Zentralvorstand wird am 17. Mai in Zürich über die Eröffnung eines Ausschliessungsverfahrens gegen die SVP Graubünden entscheiden. Das Verfahren werde rasch vorangetrieben, teilte die Partei heute mit.

Die von der Bündner SVP gedeckte

Widmer-Schlumpf habe ihre Wahl in den Bundesrat nachweisbar mit den politischen Gegnern vorbereitet, um den amtierenden Bundesrat Christoph Blocher aus der Landesregierung zu verdrängen, hält die Partei fest. Damit habe sie ihr persönliches Interesse und das Interesse der politischen Gegner der SVP klar über jenes der eigenen Partei gestellt. Sie habe im weiteren die SVP-Parteispitze hinters Licht geführt mit der Zusicherung, eine allfällige Wahl in den Bundesrat nicht anzunehmen. Auch habe sie die Öffentlichkeit wahrheitswidrig über das Zustandekommen ihrer Kandidatur orientiert.

Da die Statuten der SVP Schweiz es nicht erlaubten, ein einzelnes Mitglied auszuschliessen, müsse nun die Bündner Sektion handeln.

Die auf Ende April gesetzte Frist sei bedauerlicherweise ungenutzt abgelaufen, womit als letztes Mittel die Eröffnung eines Ausschliessungsverfahrens anstehe. Dazu würden der Leitende Ausschuss und der Zentralvorstand am kommenden 17. Mai in Zürich eine ausserordentliche Sitzung abhalten. Falls eine Eröffnung beschlossen werde, würden diese Parteigremien eine zweite Sitzung mit dem Aussschliessungsgeschäft traktandieren. Dieser Termin sei noch offen. Ebenso offen sei, wann die Delegiertenversammlung über eine allfällige Beschwerde gegen einen allfälligen Ausschluss befinden werde.

Illustration news.ch:

Sonntag, 4. Mai 2008 /
Bern - Die SVP Schweiz bleibt hart:

Die SVP kommt unter Zugzwang, denn sie muss verhindern, dass es zu einer Spaltung kommt .

Die Welle - Beeinflussungsphänomene

St Galler Tagblatt:

«Menschen sind zu allem fähig»

Jürgen Vogel spielt im Spielfilm «Die Welle» den Lehrer, dessen Kurs zum Thema Autokratie binnen kürzester Zeit eine gefährliche Eigendynamik annimmt. Ein Gespräch über Verführbarkeit, Rebellion, Nationalismus.

Könnte in Deutschland noch einmal eine Diktatur entstehen?

Jürgen Vogel: Ja, das glaube ich schon. Eine Diktatur ist immer möglich. Es wäre arrogant, das zu bestreiten. Wir Menschen sind zu allem fähig, und Diktaturen existieren heute noch in den verschiedensten Teilen der Welt. Die sogenannten ethnischen Säuberungen und die Massenvergewaltigungen in Ex-Jugoslawien sind ja auch nicht ewig her, und diese Dinge geschahen nicht weit weg von uns. Man muss nicht immer sechzig Jahre zurückschauen. Auch Ruanda hat gezeigt, wozu Menschen in der Lage sind. Und das schliesst uns mit ein.

Das Experiment im Film «Die Welle» bezieht sich nicht explizit auf faschistisches Gedankengut.

Vogel: Ja. Es geht um den Gemeinschaftssinn, der in eine falsche Richtung rutscht, sobald er keine andere Meinung mehr zulässt und sich über Andere hinwegsetzt. Das finde ich auch besser. Mit der alten Nazisymbolik könnte so etwas bei uns wahrscheinlich nicht wieder so schnell passieren. Dafür wissen wir zu viel. Das Experiment hat ja damals in Amerika stattgefunden, wo die Leute über Faschismus fast gar nichts wussten.

Was macht uns heute so anfällig für Demagogie?

Vogel: Wir leben in einer Gesellschaft, in der jeder alles machen kann. Jeder kann sich individualistisch ausdrücken. Alles geht in Ordnung, alles ist richtig. Du kannst im Stil der 70er rumrennen oder Hip-Hopper sein, zur gleichen Zeit findet alles statt. Man hat so viele Freiheiten, dass es einen beinahe schon verängstigen oder unsicher machen kann. Ich bin zwar individualistisch, aber wer bin ich eigentlich und was will ich überhaupt? Man fühlt sich in seiner Freiheit irgendwie einsam. Man hat keinen Raum, in dem man sich zu Hause fühlt und der einem Schutz bietet. Deshalb sind wir generell verführbar, gerade über diesen Gemeinschaftssinn.

Gab es Zeiten in Ihrem Leben, in denen Sie für Ideologien empfänglich waren?

Vogel: Klar, die gibt es doch bei jedem. Ich war damals zwei Jahre lang Schulsprecher. Es war die Zeit des Kalten Krieges und wir haben in unserer Schule eine atomwaffenfreie Zone gebildet. Im Grunde genommen war das ja auch schon eine Ideologie. Leider haben uns die 68er viel weggenommen. Wenn man erlebt, wie Engagement scheitern und sich umkehren kann, desillusioniert einen das ganz schön. Leute, die vorher links orientiert waren, wollen plötzlich Lauschangriffe machen. Die Helden der Jugend, wie Rudi Dutschke, wurden erschossen. Man hatte das Gefühl, das alles hat schon einmal stattgefunden, aber es hat auch nichts genutzt. Und heute sind die 68er oft die grössten Spiesser. Der nachfolgenden Generation wurde so die revolutionäre Energie genommen. Erst bei der Anti-Globalisierungsbewegung, die von ganz jungen Leuten getragen wird, spürte man wieder etwas davon.

Wogegen rebellieren Sie?

Vogel: Gegen Normen oder das, was ich dafür halte. Im Grunde habe ich alles anders gemacht, als man es als Schauspieler normalerweise tut. Nicht, weil ich es so cool fand, sondern weil es mir ein Grundbedürfnis war. Wenn mir jemand gesagt hat, Fernsehen sei gefährlich, wenn man Kinoschauspieler sein möchte, dann war mir das egal. Wenn ich Bock drauf habe, gehe ich in Talkshows oder zu Uri Geller. Ich finde es wichtig, dass man sich nicht beugt. Man kann eine gute Serie machen und einen miesen Kinofilm. Manchmal sieht man es Leuten in Shows an, dass sie sich schämen, da zu sein. Schrecklich! Wenn man dazu steht, was man tut, kann man alles machen. Auch Fehler.

Namhafte Kollegen, Musiker oder Schauspieler, fühlen sich dazu berufen, auch politisch ihre Meinung zu äussern. Mit welchen Gefühlen verfolgen Sie das?

Vogel: Ich finde, dass wir schon Politik machen, indem wir Dinge darstellen. Was ist Politik eigentlich? Ist nicht deine Haltung gegenüber einer Figur schon Politik? Und sollte man sich nicht auf das reduzieren, was man wirklich kann? Es gibt sicherlich Gründe, wenn manche Leute sagen, ich muss jetzt da aussteigen und mal ganz klar was sagen. Ich kann das nicht verurteilen. Man sollte sich aber niemals vor einen parteipolitischen Karren spannen lassen.

Über das Fahnenmeer während der Fussball-WM waren die Deutschen sehr stolz. Wann wird so etwas gefährlich?

Vogel: Die WM fand ich sehr wichtig. Zum ersten Mal seit langer Zeit dachte man in der Welt im Zusammenhang mit Deutschland nicht zuerst an das Dritte Reich. Das war einfach nur gut. Die Leute, die von überall kamen, haben sich gut gefühlt und gefeiert. Das mit der Fahne war wie eine Befreiung. Man muss sich für die Dinge schämen, die im Dritten Reich geschehen sind, aber man muss sich nicht generell schämen, deutsch zu sein. Wenn man eine Fahne schwenkt, dann will man damit ja nicht ausdrücken, besser als Andere zu sein. Man darf das nicht mit völlig falschem Nationalismus verwechseln.

Was kann man gegen diesen falschen Nationalismus tun?

Vogel: Es bringt nichts, gegen etwas zu sein. Man muss für etwas einstehen. Wenn man sich gegen jemanden ausspricht, hört man auf, miteinander zu reden. Man sollte lieber versuchen, herauszufinden, wo das Problem liegt. Woher kommt es, wie kann man es verhindern? Wenn ich sage, ich bin gegen dich, dann ändere ich gar nichts. Das zu glauben, wäre völliger Quatsch. Es sind Jugendliche, Kids, Leute, die desillusioniert sind. Die will ich wieder zurückkriegen und sie nicht bekämpfen oder ihnen sagen, wie Scheisse ich sie finde. Das macht vielleicht unsere Politik, aber das ändert nichts an dem Problem.

Wofür sind Sie?

Vogel: Für eine Perspektive. Man darf nicht so schnell aufgeben und muss ein Ziel haben. Wie man es dann erreicht, bleibt jedem selbst überlassen.

Kommentar: Der Film "Die Welle" macht uns bewusst, dass die Mechanismen der Beeinflussung und Manipulation die gleichen geblieben sind. Es lohnt sich immer wieder, sich mit diesen Phänomenen auseinanderzusetzen.

Siehe www.rhetorik.ch (Navigation über das Inhaltsverzeichnis: Beeinflussen)

Der Film "Die Welle" macht bewusst, wie einfach Menschen manipulierbar sind. Der Film hilt die Meschen sensibler, hellhöriger und kritischer zu machen. Die Beeinflussungsphänomene dürfen nicht nur aus dem Blickwinkel der Beeinflussung von rechts zu betrachten. Solche Phänomene geschehen überall, wo sich das Individuum voll und ganz in der Gruppe auflöst. Selbst bei Punkern, Sportfans oder eingeschworenen "Teams" kann es soweit kommen, dass das einzelne Mitglied nicht mehr ausscheren kann. Es MUSS mitmachen. Meist geht es nicht nur um UNIformes Verhalten. Das Aeussere, Kleider Frisur manifestiert sich gleichsam in einer Uniform. Punker, Skins auch Mitglieder des Schwarzen Blocks passen sich den Normen der Gruppe an. Wer dazugehört unterzieht sich den Gruppennormen, Wer ausschert, wird mit Verachtung bestraft oder ausgestossen.