Dienstag, 30. August 2011

Die SVP beherrscht die Klaviatur des Mobilisierens




Analog Politologe Perrin frage ich mich, ob die SVP nicht schon zu lange auf der Erfolgswelle reitet und es im Herbst nicht zu einer Abnützung kommen könnte. Unbestritten ist jedoch, dass die Partei im Politmarketing und im Themenmanagement den andern Parteien weit überlegen ist. 


Ich zitiere Tagi-online:




 Mit Inbrunst bei der Sache: Bundesrat Ueli Maurer, SVP-Vizepräsidentin Nadja Pieren und alt Bundesrat Christoph Blocher singen die Nationalhymne. (27. August 2011)
Bild: Keystone

   
Kandidaten für den National- und Ständerat unterzeichneten einen «Vertrag mit dem Volk». Sie gaben damit ihr Wahlversprechen ab. Im Vertrag versprechen die SVP-Politiker gegenüber ihren Wählern, sich gegen einen EU-Beitritt, für das Stoppen der Masseneinwanderung und die Ausschaffung krimineller Ausländer einzusetzen.
Bereits vor vier Jahren hatte die Partei ihre Wahlkämpfer ein Dokument mit den zentralen Themen der Partei unterschreiben lassen. Damals gehörte auch der Einsatz für die Senkung der Steuern zu den Versprechen. Derartige Verträge mit dem Volk haben auch schon im Ausland mehreren Politikern zum Erfolg verholfen.


Herr Perron, die SVP setzt an ihrer Delegiertenversammlung stark auf Symbolik, lässt einen Vertrag mit dem Volk unterzeichnen, verzichtet aber bewusst auf Reden. Gehen der SVP die Argumente aus?


Nein, das glaube ich nicht. Es gibt im Wahlkampf zwei wichtige Dinge: Form und Substanz. In diesem Sinn spielte die SVP gestern virtuos auf der Klaviatur des politischen Marketings. Darin ist die Partei in der Schweiz führend. Die SVP inszeniert sich und ihre Kandidatinnen. Der Event von gestern ist vor allem Handwerk, Kampfeswille - und viel Geld.


Inhaltlich hat man gestern in Oerlikon aber relativ wenig vernommen.


Das stimmt, das war aber auch gar nicht die Absicht hinter der Veranstaltung. Es ging nur um die Inszenierung der Partei und der eigenen Leute. Ich habe aber gewisse Zweifel, dass die SVP mit ihrer Initiative gegen die Masseneinwanderung den Geschmack einer breiten Öffentlichkeit trifft.


Warum? Ausländerthemen ziehen doch immer.




Das ist klar, aber hier ist die SVP für einmal zu wenig nah beim Volk. In den Kantonen Genf und Tessin wurde die Partei von kleinen Gruppierungen rechts überholt. Das Mouvement des Citoyens Genevois und die Lega dei Ticinesi konnten mit den Themen der ausländischen Arbeitskräfte punkten. Die Initiative war wohl vor allem eine Reaktion auf diese Wahlschlappen. Zusätzlich zum Tessin und Genf ist die Einwanderung im Kanton Zürich vielleicht noch ein Thema wegen den vielen Deutschen Neuzuzügern. Ob die Partei im Rest der Schweiz damit gross punktet, bezweifle ich.


Wird die SVP erneut die grosse Wahlsiegerin?


Die SVP hat in den letzten 20 Jahren die politische Schweiz richtiggehend umgepflügt. Keine Partei mobilisiert ihre Leute besser als die Volkspartei. Es zeigen sich aber gewisse Ermüdungserscheinungen. Zudem fehlt der Partei im Wahlkampf ein Knallerthema wie die Initiative zur Ausschaffung krimineller Ausländer oder die Minarett-Initiative. Ich denke, dass sich der Prozentanteil der SVP nicht gross verändern wird.


Die SVP bricht ihre Positionen im Vertrag mit dem Volk auf drei Punkte herunter. Die SP dagegen philosophierte monatelang über ihr neues Parteiprogramm.


Die SVP macht da alles richtig, sie setzt kurze Botschaften und wiederholt sie immer wieder. Das mit dem SP-Parteiprogramm war ein Betriebsunfall. Normalerweise haben die Parteileitungen ihre Schäfchen im Griff. An jener legendären Parteiversammlung entstand eine Eigendynamik. Plötzlich wurden mehrere Anträge der Juso angenommen. Am Schluss hatte die SP ein Parteiprogramm, das die Leitung eigentlich gar nicht wollte. Die SP könnte durchaus nochmals verlieren. Unter Christian Levrat setzt sie auf eine gewerkschaftsfreundliche Linie, bei der der Verteilungskampf zentral ist. Diese Strategie wird nicht aufgehen. Der frustrierte Familienvater, wenn ich die Strategie mal so zusammenfassen darf, wählt schon längst nicht mehr SP.


Wie beurteilen Sie den bisherigen Wahlkampf der SVP?


Die SVP hat viermal hintereinander die Nationalratswahlen gewonnen, weil sie den anderen Parteien betreffend Wahlkampf, Politmarketing und Themenmanagement haushoch überlegen war. Der Vorsprung schmilzt aber. Ich würde dem Wahlkampf der SVP die Note 5 geben.


Gestern hat die SVP zudem das Kosovo-Schlitzer-Inserat auf Druck der Verlage abgeschwächt. Das war doch knallhartes Kalkül.


Absolut. Seit 1992 geht die SVP nach dem gleichen Muster vor: Sie erregt Aufmerksamkeit mit einer Kampagne an der Grenze des guten Geschmackes und kommt dann - im Sog der öffentlichen Entrüstung - auch im redaktionellen Teil der Medien unter. Erstaunlich ist die Passivität der anderen Parteien.


Und FDP-Präsident Fulvio Pelli radelt mit dem Velo durchs Land...


Die Idee find ich gar nicht mal so schlecht. Pelli ist keiner, der in einer Arena glänzen kann. Aber er ist ein sympathischer Politiker aus einem schönen Teil der Schweiz. Den Ansatz, ihn mal anders zu zeigen, macht also durchaus Sinn. Wirtschaftsminister Schneider-Ammann wird der FDP bei den Wahlen aber schaden. Und auch mit der Initiative für weniger Bürokratie politisiert die FDP komplett am Volk vorbei. Die Partei wird wohl weiter verlieren. (Tagesanzeiger.ch/Newsnetz)


Ende Zitat




Kommentar: Ich gehe mit Politologe Perrin einig. Bei der SVP könnte es zu gewissen Ermüdungserscheinungen kommen.

Der Erfolg beim Botschaftenmanagement,  Mobilisieren und des Beeinflussens basieren auf folgenden bewährten Kommunikationsgrundsätzen:

- Mit Provokationen schafft sich die SVP Aufmerksamkeit und wenn sich die Gegner über die Plakate aufregen, helfen sie eigentlich der Partei zu einer Gratisverbreitung der Kernbotschaft. Oft wird das provokative Plakat  (als schlechtes Beispiel) nochmals abgebildet.

- Auf allen Plakaten wird die Kernbotschaft vereinfacht und gut visualisiert (Bilder sagen mehr als Worte)

- Die Dachbotschaft ist immer einfach und kurz. Die Reduktion des Vertrages mit dem Volk wurde auf drei Punkte reduziert

- Die Partei versteht, das Volk (und die Arbeiterschaft, die eigentlich zur SP gehört) zu mobilisieren, weil sie auf die Stimme des Volkes auf Probleme, die dem "Otto Normalverbraucher" unter den Nägel brennen, eingeht

- Nicht nur Christoph Blocher versteht es, sich zu inszenieren

- Dank  mediengerechter, verständlicher, bildhafter, einfacher Aussagen können die Medien die Akteure der SVP nicht einfach totschweigen und ausklammern. Die Auftritte der SVP Exponenten (Brunner, Blocher,  Ricklin, Amstutz, Mörgeli usw. bringen Einschaltquoten

- Durch die gefüllte Kampfkasse ist es nicht so einfach, die Parteiexponenten der SVP auch in den  linksfreundlichen  Medien einfach auszuklammern

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Aus Tagi:


Blochers Stimmenfangmaschine läuft auf Hochtouren