Montag, 29. Januar 2007

Gewalt im Alltag - etwas Normales?

Am Samstagabend wird auf der Bahnhofstrasse Schaffhausen ein 49 jähriger Mann von mehreren Jugendlichen umzingelt und spitalreif zusammengeschlagen.

Im Oberstufenschulhaus Matt in Littau rastete ein 14 jähriger Schüler- serbischer Abstammung - aus und bedrohte Lehrer und Mitschüler. Er wollte sogar den Lehrer töten.

Die Liste an Gewalttaten könnte auch bie uns (wir reden nicht von amerikanischen Verhältnissen) laufend ergänzt werden und viele werden einmal mehr behaupten, es gebe unter den Jugendlichen gar nicht mehr Gewalt wie früher. Die Oeffentlichkeit und die Medien wären lediglich vermehrt sensibilisiert. Früher hätte man nur nicht alles publiziert. Zu dieser Selbstschutzbehauptung setze ich berechtigte Fragezeichen.

Ich hatte gestern im Fernsehen eine längere Reportage mitverfolgt, die den Unterricht an einer deutschen Oberstufenschule über mehrere Wochen mit der Kamera verfolgt hatte. Was sich da abgespielt hatte,war weder Theater noch getürkt. Es wurde der Alltag nachgezeichnet , wie er sich an vielen Schulen abspielt.

Was uns dabei zu denken geben musste:

Die Lehrkräfte bringen es nicht mehr fertig, allein einen normalen Unterricht zu erteilen. Sozialarbeiter, Mentoren, Psychologen müssen den Lehrkräften beistehen. Jeden Tag Konflikte, Zoff, Provokationen - Schüler spielten gleichsam mit machtlosen( ohn-mächtigen) Lehrerinnen und Lehrern. Schwänzen, blau machen ist etwas Normales. Sozialarbeiter müssen Jugendliche jeden Tag zu Hause abholen. Normales Unterricht scheint nicht mehr möglich. Lehrkräfte streichen die Segel. Spielregeln sind nicht mehr durchsetzbar - können auch nicht mehr durchgesetzt werden.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Musiklehrerin oder ein Rektor noch Freude am Job haben kann, wenn

- Anweisungen einfach ignoriert werden

- sich die Schüler weigern, am zugewiesenen Ort, den Platz einzunehmen

- ständig fünf bis 10 Schüler durcheinander reden

- Anordnungen unflätig widersprochen werden

- die Klasse desinteressiert in oder auf den Bänken herumhängt

- auf Geheiss die Kopfbedeckung nicht abgenommen wird

- während der Stunde SMS geschrieben werden

- die Ohrstöpsel nicht entfernt werden (Jeder kann für sich Musik hören)

- Zuhören ein Fremdwort ist

- zugelassen wird, dass mit unwilligem Ton widersprochen werden kann

- sich Jugendliche nicht mehr beherrschen können

Kommunikation und Gewalt

Ich bin der festen Ueberzeugung, dass der Umgangston, das nonverbale Verhalten und die einfachsten Spielregeln, wie: "Ich höre dem Gegenüber zuerst zu, ohne zu unterbrechen". "Worte nehme ich ernst" jahrelang bewusst gemacht werden müssten. Das kann nicht nachträglich noch schnell eingeübt werden.

Disziplin ist eine Grundvoraussetzung um lehren und lernen zu können.

Lernen ohne positives Lernklima ist unmöglich.

Es ist ein völlig verkehrte Vorgehen, wenn Lehrkräfte die Gewalt in der Sprache, verbale Gewalt tolerieren, um erst nachträglich zu versuchen, einzugreifen. Es kann etwas nicht stimmen, wenn in schwierigen Klassen Psychologen, Lernhelfer, Mediatoren oder Supervisoren helfen müssen, die Disziplin einigermassen durchzusetzen.

Es ist für mich unvorstellbar, dass unterrichten Freude machen kann, wenn zuerst eine Viertelstunde lang diskutiert werden muss, ob Anweisungen zu befolgen sind. Wenn nach 20 Minuten die letzten Nachzügler kommentarlos Platz nehmen und jeden Tag 10 Prozent der Schüler schwänzen können. Wenn Anordnungen, Regeln laufend missachtet werden können, wenn es sich Lehrer bieten lassen müssen, beschimpft zu werden und es nicht mehr möglich ist, im normalen Umgangston miteinander zu reden.

Unsere These: Die Gewalt müsste schon im Kleinen, in der Familie, im Klassenzimmer erkannt werden und zwar zuerst im kommunikativen Verhalten (Ton, Worte, Körpersprache, Stimme). Die koikative Kompetenz müsste früh erworben werden, wie lesen und schreiben. wir gewöhnen uns an Verhaltensmuster (positive wie negative). Wenn Jugendliche nie gelernt haben, zuzuhören, Umgangsformen zu befolgen , müssen wir uns nicht wundern, wenn diese Jugendliche auf der Strasse auch nicht mehr bereit sind, sich an Spielregeln zu halten.