Dienstag, 16. Dezember 2008

Moritz Leuenberger visualisiert in seinem Blog, wie Meinungen in den Strudel der Mehrheitsmeinung kommen können.

Ich zitiere:

Remous
Bild: Flikr

Meine öffentlich geäusserten Gedanken zu den Rasern konfrontieren mich mit einem ganz anderen Phänomen. Ich erlebe plastisch, wie mediale Straffung und Zuspitzung den ursprünglichen Inhalt allmählich verändern kann und wie ein zunächst differenzierter und eigenständiger Gedankengang einen Drall erhält, so dass er zunächst im mainstream der öffentlichen Meinungen mitschwimmt und schliesslich in den Strudel der Mehrheitsmeinung gezogen wird. Es begann mit den drei vorherigen Beiträgen im Blog. Sie wurden von insgesamt gegen zweihundert Kommentaren diskutiert und in verschiedenen Medien aufgenommen. Die SonntagsZeitung fragte mich schliesslich nach einem grundsätzlicheren Interview. Das Gespräch mit den beiden Journalisten verlief für mich anregend; ich schätze es, in einem Interview nicht nur ein Frage- und Antwortspiel abzuspulen, sondern zu diskutieren und dabei angeregt zu werden.

  • Nach einem solchen, etwas längeren Gespräch ist es allerdings nichts als natürlich, wenn die schriftliche Fassung gerafft werden muss und vieles vom Gesagten nicht mehr erscheinen kann. Dennoch bin ich mit dem veröffentlichten Text des Interviews zufrieden, denn ich vermochte meine Skepsis gegenüber härteren Strafen darzulegen und auf das weite Spektrum der in via sicura geplanten Massnahmen Gewicht zu legen. Deshalb verweise ich an dieser Stelle ganz gerne auf das Interview:Die Justiz zeigt merkwürdige Beisshemmungen“.
  • Sehr viel zugespitzter erschien allerdings der Anriss auf der Titelseite. Da war nur von Justizkritik und höheren Strafen, die ich fordere, die Rede. Auch das scheint mir aber hinnehmbar, denn schliesslich konnte ja jedermann einige Seiten weiter hinten das Interview ausführlich lesen.
  • Mit diesem hatte dann aber der Aushang der Zeitung gar nichts mehr zu tun, denn auf diesem prangte an allen Verkaufsstellen in der Schweiz die Ankündigung, welche ich nun wirklich nicht gemacht habe, nämlich: „LEUENBERGER: TODESRASER SOFORT INS GEFÄNGNIS!“
  • Darauf meldete sich die Schweizer Tagesschau und wollte ein Interview zu meiner Forderung nach höheren Strafen und zu der Justizkritik. Ich handelte die Bedingung aus, dass auch meine grundsätzlichen Gedanken zum Zuge kämen. Obwohl das garantiert wurde, wurden die Aufnahmen dann doch wieder sehr justizkritiklastig zurechtgeschnitten, so dass
  • am nächsten Tag in den Zeitung zu lesen war, ich unterstütze die Initiative von roadcross (was ich nie gesagt habe) und ich hätte die Verwahrung von Rasern gefordert.
  • Das wiederum hat nun zur Folge, dass ich Zustimmung von jenen Kreisen bekomme, denen ich im ursprünglichen Interview just erklärt habe, dass höhere Strafen zwar für den moralischen Stellenwert eines Verbrechens ihre Berechtigung hätten, aber für die ursächliche Verhinderung von Verbrechen nur bedingt taugen würden.
  • So wurden meine Aussagen durch stete Zuspitzungen und Interpretationen in den mainstream der gängigen Forderung nach härteren Strafen abgedrängt
Ich will an dieser beispielhaften Erfahrung nur darlegen, wie sich eine ursprüngliche Botschaft durch viele Spindoctors und subjektive Interpretationen zu einer neuen verformen kann und dass auch ich in meinem Amt nicht davon verschont bleibe. Ich hoffe deshalb doch sehr, dass dieser Beitrag nicht seinerseits einen Drall verpasst erhält und am Schluss als Medienschelte kommentiert wird.

Kommentar: Das Phänomen, das Bundesrat Leuenberger beschreibt, ist bei allen Verkürzungen zu beobachten. Mir ist es im Zusammenhang mit einer Beurteilung Christoph Blochers beim Blick auch so ergangen. Auf der Titelseite war aus meinem Text zu lesen: "Was ist mich Blocher los?" Und auf der ersten Doppelseite prangte der grosse Titel: " Er ist wie ein verletztes Tier!" Die Kunst im Umgang mit Medien ist die Kunst, Verkürzungen so vorzunehmen, dass der Inhalt nicht verfälscht wird. Die Gefahr, dass durch das Weglassen, Kürzen und Schneiden, Aussagen entstellt werden oder in den Sog des Mainstreams kommen, lässt sich leider nie vermeiden.

Würden Sie dies über einen verstorbenen Freund öffentlich machen?

im Blick gelesen nach dem Tod von Horst Tappert:

Horst Tappert ist im Alter von 85 Jahre in München gestorben. (AP)

Ein Freund von Horst Tappert (ich nenne den Namen nicht) schrieb für Blick:

Horst Tappert und ich hatten ein freundschaftliches Verhältnis, das auf sonderbare Weise zustande kam. Ein humorvoller, äusserst höflicher ‹Charmebolle›, dieser Tappert . Also verbrachten wir und seine Frau, die ihn immer super betreute, einen langen Abend.

Den gelungenen Gag mit ihm haben wir nie gesendet. Das war sein ausdrücklicher Wunsch. Einen Tag nach den Aufnahmen hat er mir nämlich in einem handgeschriebenen, langen Brief dargelegt, dass er sein Toupet nicht getragen habe und er sich so im Fernsehen niemals zeigen könne. In der Aufregung während den Aufnahmen sei ihm seine Vollglatze gar nicht bewusst gewesen. Das galt es zu respektieren.

Auch in meiner Erinnerung bleibt Horst Tappert als gewissenhafter Oberinspektor, auf den man sich verlassen konnte in dieser unsicheren Welt.»

Frage: Wie wäre es, wenn man den damaligen Wunsch Tapperts, das Toupet im Film nicht zu zeigen, auch nach dem Tod respektiert, indem man dies als Freund nach dem Tod auch nicht verbal preisgibt? Schreiben Sie Ihre Meinung ---> k-k@bluewin.ch