Montag, 16. Juli 2007

Zur unbedachte Bemerkung des Innenministers: War es nur ein Missverständnis? __________________________________________________________________ Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble versucht, die Aufregung über seine Äusserungen zur Tötung von Terroristen zu dämpfen. Bei seinen Bemerkungen sei es um den Kampf gegen die Terrororganisation al-Qaida und die rechtliche Stellung der Soldaten im Völkerrecht und im Verteidigungsfall gegangen, sagte Schäuble dem ZDF-"heute-journal". "Daraus isst ein Missverständnis entstanden, als wollte ich eine gesetzliche Regelung, um Terrorismusverdächtige töten zu können, im Polizeirecht. Das habe ich nie gesagt, das ist auch gar nicht meine Absicht." ____________________________________________________________ Im SPIEGEL-Gespräch der vergangenen Woche hatte Schäuble gesagt: "Nehmen wir an, jemand wüsste, in welcher Höhle Osama Bin Laden sitzt. Dann könnte man eine ferngesteuerte Rakete abfeuern, um ihn zu töten. (...) Die Amerikaner würden ihn mit einer Rakete exekutieren, und die meisten Leute würden sagen: Gott sei Dank. Aber seien wir ehrlich: Die Rechtsfragen dabei wären völlig ungeklärt, vor allem, wenn daran Deutsche beteiligt wären. Wir sollten versuchen, solche Fragen möglichst präzise verfassungsrechtlich zu klären, und Rechtsgrundlagen schaffen, die uns die nötigen Freiheiten im Kampf gegen den Terrorismus bieten. Ich halte nichts davon, sich auf einen übergesetzlichen Notstand zu berufen, nach dem Motto: Not kennt kein Gebot." ___________________________________________________________________ Weiter warnte Schäuble davor, die Debatte über Massnahmen im Kampf gegen den Terrorismus zu tabuisieren. "Ich glaube, wir müssen von der Notwendigkeit, auf die terroristische Bedrohung angemessen zu reagieren, die Öffentlichkeit in Deutschland schon überzeugen." Er wisse, dass das nicht immer nur Beifall finde. "Aber ich sehe schon die Verantwortung zu sagen, die Lage ist ernst. Wir sind alle Objekt der terroristischen Bedrohung." Und deswegen müssten die Sicherheitsbehörden auch die notwendigen gesetzlichen Instrumente haben, um dieser Verantwortung gerecht werden zu können. "Eindeutig auf der Grundlage von Verfassung und Recht, nichts anderes." __________________________________________________________________ Durch dieses Interview hatte Schäuble eine Welle der Empörung beim Koalitionspartner ausgelöst. Zuletzt hatte sich Bundespräsident Horst Köhler eingeschaltet: Er habe seine "Zweifel, ob man zum Beispiel Dinge wie die Tötung eines vermeintlichen Terroristen ohne Gerichtsurteil, ob man das von der leichten Hand machen kann", sagte Köhler dem ZDF. Am Ende werde aber eine rechtsstaatliche Lösung gefunden. Weiter sagte Köhler: "Man kann darüber nachdenken, ob die Art, wie die Vorschläge kommen - vor allem in einer Art Stakkato, ob das so optimal ist. Wie sollen die Leute das verkraften?" Drastische Worte fand der Kieler Innenminister Ralf Stegner (SPD). Der Bundesinnenminister gefährde mit seinen Plänen zur Terrorabwehr die Koalition. Polizisten dafür einzusetzen, Terrorverdächtige umzubringen, sei schlicht Auftragsmord. "Was Schäuble betreibt, hält eine Koalition nicht ewig aus", sagte Stegners Sprecher. Bundeskanzlerin Angela Merkel dürfe sich nicht länger vornehm zurückhalten. Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) äusserte sich kritisch: "Die Gewerkschaften erwarten, dass die Kanzlerin den Innenminister stoppt, der mit seinen unsäglichen Anregungen Demokratie und Rechtsstaat in Verruf bringt, wenn nicht gar gefährdet." Es gehe "nicht um Denkverbote". Sicherheit und Bürgerrechte dürften aber nicht gegeneinander ausgespielt werden. ___________________________________________________________________ Kommentar: Der Wirbel ist auf ein bekanntes Kommunikationsphänomen zurückzuführen: Aussagen werden missverstanden, wenn sie zu allgemein formuliert werden. Schäuble hätte ausführlicher, konkreter informieren müssen. Im Nachhinein ist es sehr schwer, missverständliche, mehrdeutige Aussagen zu korrigieren. Wir finden: Wenn Wolfgang Schäubli in der Sonntagspresse nachträglich behauptet, dass er als Behinderter Opfer verbaler Attacken geworden sei, so ist dies eine billige Selbstschutzbehauptung. Der Innenminister müsste selbskritisch über die Bücher gehen und sagen: Künftig muss ich konkreter und eindeutiger reden! ____________________________________________________________ Nachtrag: Bewusste Missverständnisse? ____________________________________________________________ Es ist nicht das erste Mal, dass Schäuble missverständlich redet. ____________________________________________________________

Für Missverständnisse eigener Art hat Schäuble schon häufiger gesorgt. Nicht immer zum Gefallen seiner eigenen Partei, die auch diesmal - in Gestalt des niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff - höflich ihr Unbehagen an mancher Formulierung des Innenministers ausdrückte.

Im Sommer 2002, als die USA sich anschickten, einen Angriff gegen den Irak konkret zu planen, verstörte er seine Unionskollegen mit einem Interview in der "Bild am Sonntag". Deutschland werde sich im Falle eines Uno-Mandats in "angemessener Form" an einer Aktion gegen den Irak beteiligen. Das war eine Formulierung, die geradezu zu Interpretationen einlud: Flugs dachte da mancher an eine Kriegsbeteiligung der Bundeswehr. Das Interview brachte Unionsabgeordnete, die im Bundestags-Vorwahlkampf waren, in Argumentationsnöte. Schäuble musste mit zahlreichen Äußerungen den Eindruck geraderücken, er sei für eine Beteiligung am US-Waffengang. Mitten im Wahlkampf war dies damals für die Union verheerend.