Samstag, 9. August 2008

"Denken ist nach innen genommenes Sprechen"

(Dieses Zitat stammt von Jean Piaget (1896-1980), schweizer. Philosoph und Psychologe, der am 09.08.1896, also heute genau vor 112 Jahren geboren wurde.)

Nach meinem Dafürhalten bedingt gutes verständliches Sprechen vor allem, dass der Redner DENKEN kann. Ohne Denken kein sinnvolles Sprechen. In der Fachliteratur ist dann vom "Sprechdenken" die Rede, wenn der Redner denkt bevor er spricht. Aus meinem Dafühalten müsste es jedoch nicht "Sprech-Denken" heissen, sondern "Denk-Sprechen". Denn, wenn jemand redet und dann denkt, kommt es in der Regel nicht gut. Es gibt zwar genügend Menschen (und Politiker) die solange reden, bis es zu denken beginnt - statt umgekehrt. Vor allem in Krisensituationen oder bei Ueberraschungen gilt es:

Hören

denken

überlegen

evt. klären

den Gedanken innerlich auf den Punkt bringen

atmen

innehalten

und erst dann REDEN!

Piaget, der unweit unseres Refugiums "Salmenfee" gelebt hat und den ich vor Jahren bei seinen besinnlichen Gängen durch die Magerwiesen beobachten konnte, wusste genau, was er mit dem "nach innen genommenen Sprechen" gemeint hat. Piaget - die Walliser nannten ihn "Grillenloser"- veranschaulichte den Mitmenschen, was innehalten, was hören, was "nach innen hören" heisst.

Wie die Nazis die olympischen Spiele missbrauchten

Ich zitiere 20 min-online:

Fackellauf: Wer hats erfunden? - Die Nazis

Mit dem olympischen Fackellauf scheint sich die chinesische Propaganda zurzeit die Finger zu verbrennen. 1936 hatten die deutschen Nazis mehr Glück. Aber die hatten das Ritual auch neu erfunden.

Szene aus Leni Riefenstahls Film «Olympia» (1938): Die Ankunft der Fackel (Quelle: YouTube.com)
Interaktiv-Box

Deutsche Postkarte zum Fackellauf (Bild: DHM)

Ankunft des letzten Fackelträgers im Stadion (Bild: DHM)

Die ersten Olympischen Spiele der Neuzeit kamen noch ganz ohne Fackel und Feuer aus. Erst 1928 in Amsterdam wurde zum ersten Mal ein olympisches Feuer entzündet. Der eigentliche Fackellauf durch mehrere Länder war dann eine Erfindung der Nazi-Propaganda: Am 20. Juli 1936 wurde das Feuer in einer «Weihestunde» in den Ruinen des antiken Olympia mit einem Brennspiegel — selbstredend ein Produkt der deutschen Qualitätsfirma Zeiss — entzündet. Ausnahmslos blonde und blauäugige Athleten brachten dann die Fackel in zwölf Tagen von Griechenland über den Balkan und Ungarn in den Berliner Sportpalast.

Fest der Nazi-Propaganda

Die Olympischen Sommerspiele in Berlin waren ohnehin ein Fest der Nazi-Propaganda, die es tatsächlich schaffte, das NS-Regime vor der Weltöffentlichkeit in ein positives Licht zu rücken. Der Fackellauf sollte medienwirksam — wie zum Beispiel in Leni Riefenstahls Film «Olympia» — die Verbindung von griechischer Antike mit dem noch jungen germanischem Führerstaat inszenieren. Die Idee dafür stammte vom Generalsekretär des Organisationskomitees für die Spiele von Berlin, Carl Diem. Propagandaminister Goebbels griff sie begeistert auf und legte den Ablauf der Inszenierung fest.

Proteste in Prag

Ganz reibungslos verlief aber auch der erste Fackellauf nicht. Die griechische kommunistische Jugendorganisation OKNE plante, der olympischen Flamme den Weg nach Berlin zu verlegen. Ihre Aktionen wurden jedoch von der griechischen Polizei im Keim erstickt. Mehr Erfolg war den Nazi-Gegnern in der Tschechoslowakei beschieden: In der Hauptstadt Prag gelang es wütenden Demonstranten sogar, die Flamme zu löschen. Die Tschechen waren als einzige empört über die deutsche Inszenierung — schliesslich hatten die Nazis auf dem offiziellen Plakat eine Europakarte abgebildet, auf der das Sudetenland kurzerhand schon Deutschland zugeschlagen war (was 1938 dann tatsächlich geschah).

Erstaunlich: Auch bei dieser Olympiade der Fackellauf gab es Proteste und der Fackellauf wurde zum Politikum. Wer glaubt Politik und Sport habe nicht miteinander zu tun, dürfte ruhig in den Geschichtsbüchern blättern. Der olympische Gedanke müsste immer den Frieden ins Zentrum rücken und ein Staat, der Menschenrechte mit Füssen tritt, dürfte erst dann Spiele organisieren dürfen, wenn er die demokratischen Rechte und die Friedensbestimmungen erfüllt. In Peking ist dies leider nicht der Fall.

Ueberwältigende Eröffnungsfeier in Peking: Perfektoniertes Massenphänomen weckt ungute Gefühle

Illu: Spiegel-online

Wahrscheinlich kann so eine gigantische Show, wie wir es an der Eröffnungsfeierlichkeiten in Peking gesehen haben, gar nicht mehr wiederholt werden. Gedrillte Menschenmassen, die funktionierten wie Teilchen einer gigantischen Maschinerie. Wer die Eröffnungsfeier mitverfolgen konnte, musste sich die Frage stellen, wie solch gigantische perfekte Gleichschaltung von einzelnen Menschen überhaupt möglich werden kann. Die Massenveranstaltungen im dritten Reich weckten damals ebenfalls einen kalten Schauer. Bei den pompösen bis ins letzte Detail koordinierten Präsentationen von Einzelbewegungen kippte man als Beobachter von Staunen und Bewunderung rasch zu unguten Gefühlen. Was man zu sehen bekam, war im Grunde Genommen eine gigantische PR Aktion, bei der das Individuum keinen Platz mehr hatte. Menschen mutierten zu kleinen Elementen einer Masse und mussten sich der perfekten Maschinerie unterordnen. So wie die Elite-Soldaten im Stechschritt synchron den Fahnenaufzug zelebriert hatten, so integrierte sich jedes einzelnen Massenteilchen (sie bestanden aber aus Menschen) vollkommen synchron. Wir erlebten eine Demonstration von Einordung, Unterordnung, bei der Individualität ausgeschaltet war. Trotz der gewaltigen Massenwirkung weckte die Show in mir sonderbare Gefühle, vor allem als alle die Arme hitlergrussähnlich in die Höhe reckten. Da stellte ich mir die Frage: Welchen PR Zweck hat diese einmalige gigantische Veranstaltung zu erfüllen? Angeblich bin ich nicht der einzige, der das Massenphänomen nicht einfach nur blind bewunderte und aus Ehrfurcht vor der Perfektion und den Massenphänomenen die Absicht der Organisatoren völlig ausblendete. Ich las immerhin nachträglich in nzz- online:

Gigantische Show des Lichts und der Massen

Peking perfektioniert zur Olympia-Eröffnung den Gleichschritt

Der Abschluss der Eröffnungsfeier mit olympischem Feuer
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Der Abschluss der Eröffnungsfeier mit olympischem Feuer (Bild: Reuters)

Zur Eröffnung der XXIX. Olympischen Spiele hat Peking ganz auf die Überwältigung durch Licht und Menschenmasse gesetzt. Wären die Kinderszenen nicht gewesen, hätten Gigantismus und Perfektion eher zwiespältige Emotionen hinterlassen. Zum Schluss wurde der so umstrittene Fackellauf nochmals zelebriert.

Die XXIX. Olympischen Spiele in Peking sind eröffnet. Die gigantische Show, der im ganzen Land entgegen gefiebert worden war, begann mit einem Countdown aus Lichtern, getragen von mehr als 2000 Trommlern, die in absoluter Synchronität einen ersten Vorgeschmack auf die Inszenierung der Massen boten.

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. Bilderstrecke: Olympia-Eröffnung
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Überflutung der Sinne

Pünktlich zum glückbringenden Zeitpunkt am 8.8.08 abends um 8 Uhr 8 (Ortszeit) markierte ein erstes von vielen Feuerwerken des Abends den Anfang der Feier. In atemloser Folge und mit einem enormen Aufgebot an Darstellern wurden danach die Errungenschaften der chinesischen Zivilisation gefeiert, von der Erfindung des Papiers, über die grosse Mauer bis zur Oper. Die Überflutung der Sinne durch die lebenden Bilder aus Menschen und Farben war schwindelerregend.

Tai Chi in der Masse

Der Sprung nach der Darstellung von 5000 Jahren Geschichte in die Gegenwart erfolgte ohne jeden Hinweis auf die kommunistische Revolution. Mao war aus dem Stadion offenbar verbannt.

Mensch in der Masse

Die Eröffnungsfeier, die vom Filmregisseur Zhang Yimou gestaltet worden war, sollte die grösste und teuerste in der Geschichte der olympischen Bewegung werden. Einen derartig überwältigenden Einsatz des Menschen in der Masse hatte man tatsächlich seit Leni Riefenstahl 1936 in Berlin nicht mehr gesehen – und jene Choreografie dürfte in Peking um den Faktor 100 übertroffen worden sein.

Bei aller optischen Schönheit hinterlässt das Untergehen des Individuums in der Masse ein höchst ungutes Gefühl.

Wenn Tai Chi, eigentlich ein meditativer Sport, von Tausenden von Soldaten gleichzeitig ausgeübt wird, macht das eher Angst. Wären nicht immer wieder Szenen mit Kindern, den ungekrönten Kaisern Chinas, sowie leisere Musikstücke eingeflochten worden, der Eindruck wäre noch zwiespältiger gewesen.

Spektakulärer Globus

Das Motto der Spiele «One World One Dream» wurde durch einen riesigen Erdball symbolisiert, einem der spektakulärsten Elemente des Abend. Er diente als Turngerät für Akrobaten, die offenbar keine Schwerkraft kannten, sowie als Projektionsfläche für allerlei Bildbotschaften.

Unter den 91'000 Zuschauern im Stadion befanden sich auch rund 80 Staats- und Regierungschefs aus aller Welt: an ihrer Spitze der amerikanische Präsident Bush, der französische Staatspräsident Sarkozy und der russische Ministerpräsident Putin. Die Staats- und Regierungschefs von Deutschland, Grossbritannien und Kanada blieben dem Ereignis jedoch fern.

Aus 20 Min:

Gigantische Eröffnungsfeier in Peking

Als offizieller Vertreter weilten Bundespräsident Pascal Couchepin und dessen Gattin Brigitte vor Ort.

(Quelle: Zattoo)

Der kolossale Beginn der Eröffnungszeremonie

(Quelle: YouTube)

Kommentar: Vor wenigern Tagen sah ich einen Dokumentarfilm aus einer gigantischen Fabrik in China. Die Eröffnungsfeier erinnerte mich immer wieder an die Arbeiter der besagten Fabrik. Unifomiert sassen hunderte von Arbeitern und Arbeiterinnen an Fliessbändern und verhielten sich roboterähnlich ohne zu reden. In der Pause bewegten sich die Masse auf einen Platz und mussten sich in Viererkolonne vor dem Kontrolleur aufstellen. Dann wurde die Arbeit beurteilt und einzelne Personen vor der Gruppe kritisiert. Bei der Eröffnungsfeier kamen mir immer wieder diese unglaublichen Aufnahmen der normierten Fabrik in den Sinn. Verzicht auf jegliche Individualität. Es ist erstaunlich, wie Menschen in China in kurzer Zeit so abgerichtet werden können (Erziehung, Schule, Sport), dass sie das Einordnen und Unterordnen als völlige Selbstverständlichkeit akzeptieren und der Wunsch nach Individualität gleichsam abgestorben ist. Bei der Eröffnungsfeier hatte sich jeder Mitwirkende gewiss stolz eingeordnet und untergeordnet, weil für ihn individuelle Ansprüche keinen Platz haben und er froh ist, dass er seinem Land dienen darf. Diese für den Westen ungewöhnliche Einstellung hat für mich etwas Unheimliches.

Zahlen zur Eröffnungsfeier der 29. Olympischen Spiele

– 91 000 Zuschauer verfolgten die Feier live im «Vogelnest»

– 4 Milliarden TV-Zuschauer sahen weltweit zu

– 14 000 Darsteller nahmen an der Eröffnungsfeier teil

– 15 153 verschiedene Kostüme wurden präsentiert

– 258 000 Quadratmeter gross ist die Fläche im Innern des Stadions

– 300 Tonnen wog das gesamte Beleuchtungs-Material

– 35 Minuten Verspätung handelten sich die Organisatoren beim Einmarsch der über 1 000 Athleten aus 204 Nationen ein.

Quelle:

Blick.ch LIVE in Peking

Nachtrag:

Es ist nachvollziehbar, dass Journalisten und Politiker von der überwältigenden Show begeistert waren und den Zusammenhang Propaganda - pompöser Pracht nicht mehr beachteten. So wie die Sportwelt 1936 vor dem Diktator paradierte und durch die bombasitischen Präsentationen der Nazis schon damals den Zusammenhang zur politischen Absicht nicht erkannt hatten, so blieb in Peking am 8.8.08 vielen Beobachtern bei der einmaligen Gigantenshow ebenfalls der Atem - vielleicht auch der kritische Geist - weg. Selbst unser Bundespräsident schwärmte von der Eröffnungsfeier. Trotz der Begeisterung für so eine perfekte Massendarstellung und das bis ins letzte Detail inszeniert Schauspiel sollten wir die politische Instrumentalisierung dieser Orchestrierung der Massen nicht übersehen. Peking gelang es am 8.8., die Welt - mit einer einmaligen, kostspieligen überwältigenden Darstellung - sich als modernes erfolgreiches Land zu inszenieren. Diese gespenstisch , farbenprächtige, pathetische Massendarstellung übertünchte völlig die totalitäre, menschenverachtende Seite des Staates, der alles im Griff hat - auch die Medien und die Freiheiten des Einzelnen. Wir werden wahrscheinlich nicht mehr so rasch so eine monumentale Schauveranstaltung sehen können. Peking gelang es, mit diesem Auftakt das Pfauenrad zu schlagen und die Zensur, Kinderarbeit, die Unterdrückung des Tibets aber auch die Umweltzerstörung dank der suggestiven Kraft der Bilder aus den Köpfen der geladenen Gästen und den Millionen Zuschauern zu tilgen. Alle Propagandaveranstaltungen bezwecken vor allem eines: Das hässliche Gesicht der Wahrheit soll verdrängt werden. Alle Massenveranstaltungen, alle Vorführungen im perfekten Gleichschritt haben immer etwas Faszinierendes, sei es ein militärischer Vorbeimarsch, eine begeisterte Menschenmenge, eine Massenveranstaltung. Die Beobachtenden lassen sich in der Masse leicht täuschen. Es ist so, als werde bei Massenphänomenen ein Teil unseres Gehirns ausgeschaltet.

Uebrigens:

Diktaturen können sexy sein kann, vor allem dann, wenn sie das Publikum mit Pomp, Pauken und Trompeten einzulullen verstehen. Auch in Peking wird es bestimmt den Sportlern gut gefallen. Sie werden die chinesische Gastfreundschaft genießen und nur gute Eindrücke mit nach Hause nehmen. Die Sportreporter werden fleißig berichten und jeden Tag den Medaillenspiegel aktualisieren. Und wenn alles vorbei ist, werden alle respektvoll finden - niemand müsse sich für etwas entschuldigen, wofür man nicht verantwortlich ist. Niemand stört es, dass nach den Spielen, die Dreckschleudern wieder wie vor den Spielen in Gang gesetzt, Hunde gegessen, Kinderarbeit zugelassen, Medien geknebelt, Menschenrechte weiterhin mit Füssen getreten werden .