Kinder von Patchwork-Familien delinquieren öfter als andere Jugendliche
Dies hat jetzt eine Nationalfondstudie - Untersuchung eindeutig bestätigt. Doch sagt im Gunde genommen schon der gesunde Menschenverstand, dass es in Verhältnissen, die ungeordneter, unstabiler sind - vor allem bei vielen unterschiedlichen Bezugspersonen, Kinder in Schulen, Heimen aber auch in der Familie das Fundament eher fehlt und die Orientierungslosigkeit gefördert wird.
Stabilität, Wertvorstellungen, Ordnung, Disziplin geregelte Tagesabläufe, wenig Bezugspersonen erleichtern die Erziehungsarbeit enorm und geben Jugendlichen mehr Halt. Geregelte Strukturen, Verbindlichkeiten der Erzieher, die auch präsent sind somit besser als möglichste viele Fremdbetreuungen. Auch die Nestwärme im Vorschulalter und in der Unterstufe sind notwendige Voraussetzungen, um später den anspruchsvolleren Anforderungen des Alltags gewachsen zu sein. Für mich ist die Nationalfondstudie lediglich eine Bestätigung meiner langjährigen Beobachtungen im Umgang mit Menschen. Es würde sich sehr wahrscheinlich mehrfach lohnen, wenn desahlb der Staat weniger Geld ausgibt für Therapeuten, Psychologen, Betreuungspersonen und dafür Familien unterstützt, damit die Bezugspersonen für die Kinder mehr Zeit zu haben. Anstatt in Schulen die Kinder schon im Kleinkindalter herumzureichen und in der Primarschule von fünf sechs Personen betreuen zu lassen sollten wir Strukturen unterstützen, die eine konstante Bindungen und Verbindlichkeiten garantieren.
Die Gesellschaft müsste sich heute vielmehr fragen, wie man die schwache Bindung der Eltern an "ihre" Kinder wieder stärken könnte. Damit will ich nicht sagen, dass es keine Patchworkfamilien gibt, die gut funktionieren.
Quelle So-Zeitung 22- März 09:
Zürich Gruppenschlägereien, Ladendiebstahl, Drogenhandel: Bei solchen Verfehlungen sind in der Schweiz laut einer unpublizierten Nationalfondsstudie überdurchschnittlich viele Teenager aus Patchwork-Familien beteiligt. In der zunehmend beliebten Familienform – laut Statistikern sind heute 15 Prozent der Familien in der Schweiz «gepatcht» – häufen sich die Probleme.
Den pubertierenden Jugendlichen fehlt es an klaren Verbindlichkeiten und krisenresistenten Bindungen. Die vom Lausanner Kriminologen Marcelo Aebi durchgeführte Untersuchung verschiebt den herkömmlichen Fokus der Gesellschaftsforscher.
Bisher nahmen diese an, dass Problemkinder am häufigsten von Alleinerziehenden betreut würden. Jetzt wird klar: Prozentual mehr Kummerbuben und auffällige Mädchen leben in Patchwork-Familien.
Die schwache Bindung an Eltern ist ein entscheidender Faktor
Für seine Arbeit befragte Kriminologie-Professor Aebi 3600 Schülerinnen und Schüler im Alter zwischen 13 und 16. Die Teenager gaben anonym Auskunft über ihre familiäre Situation, zur Schule und zu sogenannt «abweichenden Verhaltensweisen». Damit sind leichte und schwere Straftaten gemeint, vom Diebstahl bis zu schwerer Gewalt. Entscheidend für das Fehlverhalten von Kindern sind laut dem Lausanner Forscher oft weiche Faktoren: fehlende Familienregeln, eine schwache Bindung an die Eltern oder keine Identifikation mit der Schule. «Grundsätzlich sind diese Aspekte wichtiger als der Familientyp», sagt Aebi. Die Studie zeigt: Wichtige Faktoren, welche die Kriminalität von Jugendlichen bestimmen, treten in Stieffamilien gehäuft auf. So gaben 21 Prozent der befragten Patchwork-Kinder an, zu mindestens einem leiblichen Elternteil eine schwache Bindung zu haben. Bei den traditionellen Familien kamen nur 6 Prozent der Teenager zu diesem Schluss. Die aus dem Gleichgewicht geratenen Beziehungen schlagen sich deutlich in den Deliktsquoten nieder: Fast überall – bei Drogenhandel, Ladendiebstahl, Vandalismus, Eigentums- oder Gewaltdelikten – führen Patchwork-Kinder die Rangliste an. Nur beim Computer- Hacking werden sie von den Eineltern-Kindern überholt. Unterm Strich haben Jugendliche mit einem Stiefvater oder einer Stiefmutter ein eineinhalbmal grösseres Risiko, mit dem Gesetz in Konflikt zu kommen, als Altersgenossen aus traditionellen Familien.
Auch haben sie schlechtere Chancen in der Schule und ein erhöhtes Risiko, Opfer einer Straftat zu werden.
Eine schwere Straftat, entstanden durch die Not eines Patchwork- Kindes, schreckte vor einem Jahr die Schweiz auf. Ein 15-jähriger Knabe erstach im Muotatal mit einem Küchenmesser seinen zwei Jahre jüngeren Stiefbruder und die Stiefmutter. Laut dem zuständigen Untersuchungsrichter waren Spannungen in der Familie ein wichtiger Teil des Tatmotivs. Die Umfrage «Selbst berichtete Delinquenz» wurde 1992 erstmals durchgeführt und jetzt wiederholt.
An der Studie sind 29 weitere Länder beteiligt. Ziel der Forscher ist es, Risikofaktoren zu eruieren, um darauf Präventionsstrategien aufbauen zu können. Die Lausanner Untersuchung stellte fest, dass Gruppenschlägereien, Vandalismus und Ladendiebstahl über alle Familientypen hinweg die am häufigsten begangenen Delikte von Jugendlichen sind. 8 Prozent der Befragten gaben an, alleine im Vorjahr eine solche Tat verübt zu haben. Einbruch und Fahrzeugdiebstahl kamen innerhalb eines Jahres bei 5 Prozent vor. Weitaus häufiger als Mädchen berichteten Knaben von Straftaten. Aufgrund der neusten Umfrage fordert Kriminologe Aebi jetzt «mehr Aufmerksamkeit und Hilfe für Patchwork-Kinder». Zum Beispiel in der Schule.
Frage: Weshalb stützt der Staat die gesunden Familien nicht ebenso stark wie Ehen, die sich nicht mehr den Kindern widmen können oder wollen?