Donnerstag, 11. Januar 2007

Bohlen ging schon früher zu weit

Bild online schreibt heute:

Jetzt dreht Bohlen durch!

Es folgt dann die Frage:

Geht Bohlen zu weit?

Dieter Bohlens vierte DSDS-Staffel ist jedoch heute nicht unausstehlicher als früher. Sie ist so unausstehlich wie je und je. Er ist immer zu weit gegangen!

Bohlen spielt seit Jahren den „Richter Gnadenlos“ über wenige talentierte oder die sogenannte Gurken-Kandidaten. Wir kommentierten verschiedentlich Bohlens unwürdige Exkutionsrhetorik . Die alten Anlysen können Sie im Suchfenster - oben rechts unter www.rhetorik.ch - finden. Sie müssen dort lediglich das Stichwort Bohlen eingeben.

Schon beim ersten Vor-Casting im Sommer auf Mallorca kündigte Bohlen an:

"Diesmal gibt von mir so harte Sprüche wie noch nie!"

Nicht verwunderlich. "Bild" spornte Bohlen ständig an - zu noch fieseren Sprüche und die Redaktion freute sich jeder Jahr, wenn Bohlen die Kandidaten in der neuen Staffel so richtig fertig machte. Die fragwürdigsten Aussagen wurden hernach online publiziert.

Bohlens Urteile haben überhaupt nichts mit Humor zu tun. Ist es ein Leistung, wenn man jungen Menschen , die ihren echten Auftritt ernst nehmen, vernichtende, beleidigende Worte an den Kopf wirft? Beispielsweise:

• „Du stehst da wie ein Schwanz in der Hochzeitsnacht. Aber am Ende kommt auch bei dir nichts raus.“

„Damit kannst du Kakerlaken ins Koma singen.“

„Du singst, als wenn du ’ne Klobürste im A... hättest.“

„Nett. Aber nett ist eben auch die kleine Schwester von Sch...“

„Nur gegen Schmerzensgeld höre ich mir das noch länger an.“

„Bei mir kommen solche Geräusche aus anderen Öffnungen.“

„Jeder Hasen-Pups hat mehr Power.“

„Warst du in der Kirche? Siehst so durchgeorgelt aus.“

„Deine Stimmbänder im Mülleimer – das wäre artgerechte Haltung.“

„Du bist wie Sprudelwasser: blubber, blubber und kein Geschmack.“

Die jüngsten Sprüche haben auch diese Jahr nichts mit Dialogik zu tun. Bohrens Killerrhetorik lebt vor allem von der Schadenfreude der Nichtbetroffenen. Wenn (naive?)Kandidaten mit fiesen Formulierungen vor einem Millionenpublikum erniedrigt werden, so kann dies Folgen haben. Die Jugendlichen wurden bestimmt nicht vorgängig auf einem Beipackzettel gewarnt: Ihre Teilnahme könnte für Sie gravierende psychische Folgen haben.

Den Kandidaten Alexander Berger und Paul Matu sagte Bohlen beispielsweise:

„Was ist der Unterschied zwischen euch und einem Eimer Sch...? Der Eimer!“

Die Schulfreunde von Alexander und Paul fanden nach der Sendung:

„Das war echt hart, wir waren geschockt. Wir wollten ja nur ein bisschen Spass machen. Irgendwo muss auch Schluss sein.“

Psychologin Dr. Gisela Rascher:

„Für die Casting-Kandidaten ist es hart. Da platzt ein Traum mit einem Satz. Mit diesem Zynismus können die Jugendlichen überhaupt nicht umgehen. Diese Szenen werden dann oft wiederholt, man ist am Boden zerstört und schämt sich.“

Sprecherin Anke Eickmeyer vom RTL:

„Einige Sprüche werden wir nicht ausstrahlen, denn im Eifer des Gefechts rutschen Dieter Bohlen und der Jury auch mal Sprüche unter der Gürtellinie raus.“

(Kommentar: Aus unserer Sicht "meist" unter der Gürtellinie)

Bohlen verteidigt zwar seine Exekutionsrhetorik mit den Worten (Quelle: BILD online):

„Es geht nicht darum, kleine Mädchen zum Heulen zu bringen, sondern die aufzuwecken, die irrtümlich glauben, singen zu können.“

(Kommentar: Bohlen kann doch nicht so dumm sein, dass er die Differenz zwischen AUFWECKEN und BELEIDIGEN nicht kennt).

Kommentar

Wir bleiben bei unserer Meinung:

Wer mit Menschen zu tun hat, vor allem, wer Menschen kritisieren muss, hat sich stets bewusst zu bleiben: Es geht um Menschen, um ihre Würde, um ihre Psyche. Bohlen scheint das Wort WERTSCHAETZUNG nicht zu kennen. Dennoch lassen ihn die Medien seit Jahren gewähren. Einen Lehrer würde man längst entlassen, würde er Jugendliche so behandeln wie Bohlen. Ich höre den Einwand: Diese Kandidaten sind doch selber schuld. Sie liefern sich freiwillig dem eigenen "Henker" freiwillig aus. Sie müssten bestens wissen, was ihnen blüht, falls.... Diese Argumentation hat bestimmt etwas für sich. Die Jugendlichen sind sich aber kaum bewusst, welche Auswirkungen das öffentliche Blossstellen und die unwürdige Erniedrigung auf die Psyche haben können. Was für zns gravierend und folgenschwer ist, bleibt der Umstand, dass Millionen von Jugendlichen die "Fertigmachsprüche" des Vorbildes Bohlen nachahmen. Sie lernen gleichsam am Bildschirm (die Sprüche werden immerhin einem Millionenpublikum zelebriert) dass Bohlens miese Exekutionsrhetorik bei den Medien gut ankommt. Die Fäkalsprache würde sonst von der Oeffentlichkeit nicht toleriert und von den Medien honeriert. Jugendliche erkennen schnell: Exekutionsrhetorik lohnt sich. Sie bringt Geld und ist cool. Sie kann auch zu Hause oder im Freundeskreis erfolgversprechend umgesetzt werden. Bohlens Sprüche werden trotz der kritischen Frage von der BILDredaktion nach wie vor geschätzt und gelobt. Verbalo-Brutalo Dieter Bohlen darf munter weiterhin vor 6,2 Mio. Zuschauern Menschen legal fertig machen. Für Bild bleibt Bohlen trotz Niveaulosigkeit der unangefochtene Sprüche-König. Seine verletzenden Sprüche sind für die Boulevardpresse immerhin Geld wert. Sie werden nämlich gelesen. Der Zweck scheint somit wieder einmal die unfairsten Mittel zu heiligen.