Donnerstag, 22. Oktober 2009

Der Einfluss einer Fernsehsendung

Die Geschichte ist einfach: Jemand hat ein Medikament gegen Schuppenflechten entwickelt. Die Pharma kauft darauf die Rechte und das erfolgreiche Medikament verschwindet bewusst in einer Schublade. Denn: Die billige wirksame Salbe hätte die Vermarktung der eigenen teuren Medikamente gestoppt.

Nachdem das Fernsehen die Geschichte detailliert gebracht hatte, hat dies nun Folgen. Für uns ein weiteres Kapitel unter dem Titel "DIE MACHT DES FERNSEHENS":

Ich zitiere Spiegel:

Reaktion auf TV-Bericht

Verschmähte Neurodermitis-Creme kommt auf den Markt

Chronische Neurodermitis: Haben Pharmakonzerne jahrelang ein wirksames Medikament verhindert?
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Corbis

Chronische Neurodermitis: Haben Pharmakonzerne jahrelang ein wirksames Medikament verhindert?

Seit Jahren weigern sich Medikamentenhersteller, eine wirksame Salbe gegen Neurodermitis und Schuppenflechte zu vermarkten - jetzt hat eine TV-Dokumentation dieses Pharma-Versagen angeprangert. Mit Erfolg: Schon in wenigen Wochen kommt die Creme in deutsche Apotheken.

"Leider können wir Ihren Anruf im Moment nicht persönlich entgegennehmen, da unser Telefon aufgrund der Vielzahl der Anrufe überlastet ist", sagt eine Stimme auf dem Anrufbeantworter der Regeneratio Pharma GmbH in Remscheid. Seit Dienstag kann sich das kleine Unternehmen vor lauter Anfragen kaum retten. Dabei standen die Telefone jahrelang still in der Firma, die gegen die Hautkrankheiten Neurodermitis und Schuppenflechte möglicherweise eine Rezeptur kennt. Von der wollte allerdings kaum eine Pharmafirma etwas wissen.

Das ist jetzt anders: Nachdem die ARD am Montagabend den Bericht "Heilung unerwünscht - Wie Pharmakonzerne ein Medikament verhindern" ausgestrahlt hat, reißt das Interesse nicht ab. In dem Beitrag erzählt Klaus Martens von den jahrelangen, vergeblichen Bemühungen der Mediziner Karsten Klingelhöller und Thomas Hein, ihre selbst entwickelte und in klinischen Studien geprüfte Salbe gegen die beiden Hautkrankheiten auf den Markt zu bringen. Zahlreiche Pharmafirmen lehnten im Lauf der Zeit ab. Die auf den Namen Regividerm zugelassene Creme ist bis heute nicht in Apotheken zu kaufen.

Nach der Sendung hat sich nun jedoch offenbar ein Vertriebspartner gefunden: die schweizerische Mavena Health Care AG. "Seit Dienstag weiß ich, dass Regividerm ab Mitte November in Deutschland erhältlich sein wird", sagt Renate Kott-Roesmer, Geschäftsführerin von Mavena Health Care Deutschland. Das Unternehmen übernehme den Vertrieb der Salbe, die von der Firma Regeneratio Pharma GmbH hergestellt wird, einst gegründet von Karsten Klingelhöller.

Billige Alternative

In Deutschland leiden rund acht Millionen Menschen an Neurodermitis und Psoriasis (Schuppenflechte). Dem Beitrag zufolge ist die Salbe gegen die chronischen Hautkrankheiten so einfach hergestellt wie nebenwirkungsarm: Sie besteht hauptsächlich aus Vitamin B12 und Avocadoöl. Auf der Internetseite www.regividerm.de heißt es: "Regividerm Salbe ist ein geprüftes Therapeutikum, das auf Grund seines Wirkmechanismus als Medizinprodukt der Klasse II a in der EU und in der Schweiz registriert ist." Nach Angaben des Herstellers sollen 100 Gramm 28,85 Euro kosten. "Damit wird der Verbraucherpreis ca. 40% unter dem preisgünstigsten Vergleichspräparat für die Indikation Psoriasis liegen", heißt es auf der Internetseite.

Gegen Neurodermitis und Psoriasis gibt es bereits zahlreiche wirksame Salben und Arzneien. Das Problem: Viele haben schwere Nebenwirkungen. So reiben sich Neurodermitis-Kranke oft Cortison auf die betroffenen Hautstellen. Juckreiz, Rötung und Entzündung schwinden dann - doch die Haut wird dünn und empfindlich. Nach dem Absetzen treten die Irritationen meist schnell wieder auf.

Bei Regividerm soll das anders sein - das haben klinische Studien gezeigt, zu denen sich Peter Altmeyer und Markus Stücker von der Klinik für Dermatologie an der Ruhr-Universität Bochum vor Jahren von den Erfindern Klingelhöller und Heim überreden ließen. Die Studenten hatten ihre Salbe in den achtziger Jahren zunächst an Klingelhöllers damaliger Freundin ausprobiert, die an Schuppenflechte litt. Sie testete die rosa Creme als erste mit Erfolg: Ihre Haut wurde glatt und schuppte nicht mehr.

"Das ist rosa Hühnerkacke"

Daraufhin wendeten sich die Mediziner in spe mit ihrer Idee an die Universitätsklinik. "Das ist rosa Hühnerkacke" sagte Peter Altmeyer damals - und war doch neugierig. In einer klinischen Studie testeten die Ärzte die einfache Rezeptur im Vergleich zu einer Placebo-Creme an 49 Patienten. Das Fazit der Forscher damals in der Fachzeitschrift "British Journal of Dermatology": "Die Vitamin B12-Creme ist dem Placebo bei Neurodermitis signifikant überlegen. Zudem wurde die Behandlung gut toleriert." Klingelhöller ließ sich daraufhin seine Rezeptur weltweit patentieren.

Auch gegen Psoriasis untersuchten Altmeyer, Stücker und ihre Kollegen die Wirksamkeit der Wundercreme. 13 Patienten mit Schuppenflechte trugen sie auf der einen Körperhälfte Regividerm, auf der anderen eine bereits zugelassene Salbe mit dem Wirkstoff Calcipotriol auf. Den Ergebnissen zufolge war der Therapieerfolg auf beiden Seiten vergleichbar - mit deutlich weniger Nebenwirkungen auf der Regividerm-Seite.

In den USA stießen diese Ergebnisse auf großes Interesse: Nach der Lektüre der Publikationen testete der Kinderarzt Ronald Januchowski die Creme in einer eigenen Studie. Er prüfte bei Kindern mit Neurodermitis ebenfalls, ob die rosa Salbe besser wirkt als ein Placebo-Präparat. Im "Journal of Alternative and Complementary Medicine" schreibt er 2007: "Topisches Vitamin B12 sollte als Therapieoption bei Kindern mit Neurodermitis in Betracht gezogen werden."

"Geld verdient man am chronisches Leid"

Doch trotz der erfolgversprechenden Ergebnisse konnte Klingelhöller keinen Abnehmer für seine Rezeptur finden. In dem Beitrag werden Pharmariesen wie Novartis, Merck und Wyeth genannt, die sich nicht für das Präparat entscheiden wollten. Es "passe nicht ins Portfolio" lautete eine der fadenscheinig klingenden Erklärungen. Klingelhöller geht davon aus, dass die Firmen um den Absatz ihrer eigenen, aufwendig getesteten und entweder weniger wirksamen oder nebenwirkungsreichen Substanzen fürchten. "Geld verdient man am chronischen Leid", meint Klingelhöller.

Der gescheiterte Forscher selbst hat sein eigenes Kapital in die Firma Regeneratio Pharma gesteckt. Er ist hochverschuldet und machte nur noch einzelne Versuche, die Creme bei einem Pharmakonzern unterzubringen. Dass die Salbe nun bald in deutschen Apotheken zu kaufen sein wird, könnte auch seinem Leben eine neue Wendung geben.

TV sei Dank!

Nachlese Tagi:

Schweizer vermarkten verschmähte Neurodermitis-Creme

Jahrelang hatten die Pharmafirmen kein Interesse daran, ein günstiges Medikament gegen Neurodermitis und Schuppenflechte zu vermarkten. Nun springt ein Unternehmen aus Baden ein – dank einer Fernseh-Dokumentation.

Nachlese:

20 Min

Alles nur ein PR GAG?

Knatsch um Hautsalbe

Heilung unerwünscht - PR schon?

Jahrelang soll die Markteinführung einer wirksamen Salbe gegen Neurodermitis erfolgreich von der Pharmaindustrie abgeschmettert worden sein. Nun verdichten sich Hinweise darauf, dass eine ausgefuchste PR-Masche hinter der vermeintlichen Verhinderung des Produkts steckt.

Libyen Geisel Affaire: Was kann der Bundesrat tun?

Folgende Optionen wären möglich. Heute entscheidet der BR, was er zu tun gedenkt:

Welche Möglichkeit hat der Bundesrat überhaupt? (Quelle blick-online)

  • Diplomatische Beziehungen abbrechen: Ein offizieller Abbruch der Beziehungen würde die Situation der Geiseln weiter verschlechtern.
  • Libysche Vermögen einfrieren: Der Gaddafi-Clan hat bereits den grössten Teil seines Vermögens abgezogen.
  • Wirtschaftliche Sanktionen: Der Handel mit dem Gaddafi-Land ist faktisch bereits seit längerem zum Erliegen gekommen. Auch hier: starke Geste, wenig Wirkung.
  • Einreisesperre für Libyer: Eine Massnahme, die am meisten Druck ausüben würde. Vor allem, wenn sie mit der Ablehnung von Schengen-Visa an libysche Staatsbürger verbunden wird. Der libyschen Oberschicht würde das Reisen in ganz Europa vergällt, und auch auf die geschätzten Spitalbehandlungen in der Schweiz müsste sie verzichten.
  • Ausländische Vermittler einschalten: Am erfolgversprechendsten, wenn es hochkarätige Persönlichkeiten sind. Doch mit dem unberechenbaren Gaddafi verhandeln auch internationale Staatsmänner nicht einfach so mal «huschhusch». Das Dilemma der Schweiz: Harte Massnahmen haben im aktuellen Fall vor allem symbolische Wirkung, verschlechtern aber die Lage der Geiseln real.
  • Nachlese Medienkonferenz:

    Der Bilck.ch Live-Ticker Bundespräsident Merz spricht zur Libyen-Krise. Uns geht es um die Ehre und Würde der Schweiz. Heute müssen wir leider feststellen: Die Geiseln sind nicht zurückgekehrt. Wir haben jetzt das EDA beauftragt, diese Situation weiter zu verfolgen. Der Vertrag mit Libyen ist gültig. Ich habe ihn unterzeichnet, um die beiden Schweizer zurückzubringen. Das ist nicht gelungen. Das ist sehr hart. In einer verfahrenen Situation habe ich Libyen die Hand gereicht. Der Bundesrat ist jetzt enttäuscht, das Libyen sich nicht an Abmachungen hält. Bundespräsident Merz verteidigt seine Reise vom 20. August: Das war keine Blitzreise. Ich würde allles wieder so machen. Das Gesicht verliert der, der sich nicht an Abmachungen hält. das bin nicht ich. Bundesrätin Calmy-Rey sagt: Wir leiden mit den Familien der Geiseln. Zur Reise am Wochenende der Bundesratsdelegation nach Libyen sagt Calmy-Rey, wir haben massiv in Tripolis protestiert. Libyen verletzt internationale Verträge. Libyen zeigt keine Anzeichen, die Beziehungen normalisieren zu wollen. Auf die Frage, was die Schweiz jetzt unternehmen wolle, verweigert Calmy-Rey aber die Antwort. Speziell fragt ein Journalist, warum die Schweiz Libyen vor internationalen Institutionen nicht anklage. Calmy-Rey: Zu unserer Strategie sagen wir heute nichts! Ein Journalist erinnert Calmy-Rey daran, sie habe bereits gesagt, man sei zwei Millimeter von einer Lösung mit Libyen entfernt. Um wieviele Kilometer handelt es sich denn heute? Calmy-Rey (verärgert): Das überlasse ich Ihnen.

    NZZ:

    Der Bundesrat gesteht Sackgasse in der Libyen-Affäre ein

    Keine Angaben über neue Strategie

    Der Bundesrat ist in der Libyen-Frage ratlos.
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    Der Bundesrat ist in der Libyen-Frage ratlos. (Bild: Reuters)
    Der Bundesrat ist in seiner Klausurtagung vom Mittwoch zum Schluss gekommen, dass die bisherige Strategie gegenüber Libyen keinerlei Erfolg gebracht hat. Die Delegation habe in Libyen nochmals in aller Schärfe gegen die völkerrechtswidrige Verschleppung protestiert. Was weiter unternommen wird, bleibt offen.

    Der Bundesrat habe in seiner Klausurtagung eine ausführliche Lagebeurteilung vorgenommen, berichtete Bundespräsident Merz in der Pressekonferenz des Bundesrates am Donnerstag. Es müsse festgestellt werden, dass die Beziehungen zu Libyen nach wie vor nicht normalisiert und die Geiseln nicht zurückgekehrt sind. Über ein Jahr lang habe man jetzt verhandelt und in guter Schweizer Tradition das Gespräch gesucht. Der in Libyen abgeschlossene Vertrag sei völkerrechtlich gültig. Er habe ihn unterzeichnet mit dem Ziel die Geiseln zurückzubringen.

    Tagi:

    Libyen-Krise: Der Bundesrat ist ratlos

    Bundespräsident Hans-Rudolf Merz und Aussenministerin Micheline Calmy-Rey haben das Verhalten Libyens scharf kritisiert. Ob nun Retorsionsmassnahmen ergriffen werden, blieb offen.

    «Das ist hart für die Geiseln»: Hans-Rudolf Merz und Micheline Calmy-Rey an der Pressekonferenz in Bern.

    «Das ist hart für die Geiseln»: Hans-Rudolf Merz und Micheline Calmy-Rey an der Pressekonferenz in Bern. Bild: Keystone

    Micheline Calmy-Rey und Hans-Rudolf Merz machten vor den Medien in Bern deutlich, dass der bisher eingeschlagene Weg zur Lösung der bilateralen Probleme keinen Erfolg brachte. Der Bundesrat nahm gestern an seiner Klausursitzung im bernischen Jegenstorf eine ausführliche Lagebeurteilung in der Affäre Qadhafi vor, wie Merz sagte.

    Der Bundespräsident zeigte sich enttäuscht, dass die vertraglich vereinbarte Frist zur Normalisierung der bilateralen Beziehungen verstrich, ohne dass die beiden Schweizer Geschäftsleute heimkehren konnten. «Das ist hart für die beiden und unerträglich für ihre Familien und Freunde», erklärte Merz. «Wir teilen ihren Schmerz in dieser Situation.» Zudem kritisierte er das Verhalten der libyschen Seite, die nichts unternommen habe, um die Beziehungen zu normalisieren: «Die Schweiz hält sich an ihre Abmachungen und Versprechungen gegenüber allen Staaten und erwartet, dass Libyen ein Gleiches tut.»

    Libyen kooperiert nicht

    Auch Aussenministerin Calmy-Rey unterstrich abermals, dass nicht die Schweiz, sondern Libyen das Problem sei. Die Schweiz habe immer eine konstruktive Strategie verfolgt und trotz allem die Zusammenarbeit mit den libyschen Behörden gesucht. Die libysche Seite hingegen verweigere systematisch jegliche Kooperation.

    Der Bundesrat hat das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) nun beauftragt, das weitere Vorgehen festzulegen.

    Nähere Angaben, welche Strategie künftig verfolgt werden soll und ob Retorsionsmassnahmen in Betracht gezogen werden, machten Merz und Calmy-Rey allerdings nicht.

    Bundesrat Merz hat angeblich sein Gesicht wieder gefunden. Dafür hat für ihn Gaddafi das Gesicht verloren.