Sommaruga im Clinch mit Scheidungsvätern
Scheidungsväter sind eine sozialpolitische Zeitbombe
Ich zitiere TAGI:Noch keine 100 Tage im Amt, liess die frischgewählte Bundesrätin Simonetta Sommaruga am 12. Januar eine kleine Bombe platzen: Sie wolle erst einen Vorschlag für die gemeinsame elterliche Sorge als Regelfall vorlegen, wenn gleich auch noch die komplexe Frage des nachehelichen Unterhalts geregelt wird. Zurück auf Feld eins.
Blicken wir kurz zurück: Seit dem Inkrafttreten des neuen Scheidungsrechts am 1. Januar 2000 wird im Scheidungsfall die elterliche Sorge einem der beiden Elternteile – im Normalfall der Mutter – zugeschlagen. Nur wenn beide Elternteile mit der gemeinsamen elterlichen Sorge einverstanden sind, kann das Gericht diese verfügen. Im Wissen um den Traditionsreflex der Gerichte verfügen Frauen also seit 10 Jahren faktisch über ein Vetorecht – und ein superbes Druckmittel während des Scheidungsverfahrens. Nicht erstaunen kann ob dieser Ausgangslage, dass in der Schweiz eine stetig wachsende Zahl stetig wütender werdender «Scheidungsväter» vernehmbar wird. Sie fühlen sich doppelt benachteiligt:
Erstens müssen sie trotz Scheidung weiterhin für Kinder und Gattin bezahlen, bekommen ihre Kinder aber vielleicht noch jedes zweite Wochenende zu Gesicht – und hausen selber in einer Ein-Zimmerwohnung, die sie sich mit dem Restlohn grad noch knapp leisten können.
Ein Mitspracherecht für Erziehungsfragen haben sie keins.
Eine sozialpolitische Zeitbombe.
Am 7. Mai 2004 reichte der Schwyzer CVP-Nationalrat Reto Wehrli deshalb ein Postulat ein, das die gemeinsame elterliche Sorge als Regelfall fordert. Das leuchtete der Parlamentsmehrheit ein. Im Oktober 2005 erteilte es dem Bundesrat den Auftrag, einen entsprechenden Vorschlag zu erarbeiten. Nach fünf Jahren Arbeit und abgeschlossener Vernehmlassung sollte der Bundesrat im letzten Dezember endlich den versprochenen Vorschlag vorlegen. Bis eben Simonetta Sommaruga befahl: zurück auf Feld eins.
Natürlich gibt es gute Gründe, die Frage der elterlichen Sorge zusammen mit den finanziellen Scheidungsfolgen anzupacken, wie die neue Bundesrätin es will. Nur ist ihr Entscheid nicht im luftleeren Raum gefallen:
Erstens hat sie vom Parlament – ihrer vorgesetzten Stelle – einen anderen Auftrag erhalten. Das Parlament wollte ausdrücklich nicht mehr und nicht weniger als die gemeinsame elterliche Sorge als Regelfall zu verankern. Allen ist klar, dass die Fronten bei einem emotional derart aufgeladenen Themen so heiss entflammen werden, dass jede Verknüpfung verschiedener Themen das Risiko des Totalabsturzes massiv vergrössert.
Zweitens setzt sich Sommaruga dem Vorwurf aus, wegen der anstehenden Wahlen 2011 eine Verzögerungstaktik zu verfolgen und den innerparteilichen Frieden mit den SP-Frauen höher zu gewichten als das Schicksal der betroffenen Väter. Dass das neue Paket innert eines Jahres geschnürt werden könne, wie Sommaruga versichert, ist völlig unrealistisch.
Drittens missachtet Sommaruga die Brisanz der Thematik, ja, leistet einer weiteren Radikalisierung der betroffenen Männer Vorschub. Noch ist die Aufregung um die kruden Parolen der IG Antifeminismus um SVP-Politiker René Kuhn in frischer Erinnerung. Wer die Diskussion verfolgt hat, weiss, dass sich Männer.ch als Dachverband der Schweizer Männer- und Väterorganisationen deutlich von dieser Art Sündenbockpolitik distanziert hat. Bei aller Kritik aber gilt es festzuhalten: Die Wut und Ohnmacht dieser Männer ist real, extrem real.
Scheinheilig mutet deshalb die Empörung über die antifeministischen Tiraden an, wenn frau mit solchen Politmanövern gleichzeitig Öl in das Feuer des Geschlechterkampfs giesst.
Das ist Gift für den weiteren Prozess. Es wäre ja eigentlich nicht so schwer: Eltern sind Eltern und bleiben Eltern, auch wenn sich die beiden Elternteile entscheiden, nicht mehr Liebespaar sein zu wollen. Kinder brauchen ihre Eltern, und zwar beide Eltern. Entsprechend darf die Frage im Scheidungsfall doch nicht heissen: Wie verteilt man das vorhandene Geld und das «Recht am Kind» fair auf? Die einzig vernünftige Frage heisst: Wie kann sich das Familiensystem unter neuen Vorzeichen so organisieren, dass es Mutter, Vater und Kinder so gut wie möglich dabei geht? Die traditionelle «Mann = Ernährer, Frau = Mutter»-Lösung wird hier kaum je taugen. Das genau aber ist die Wahl der Richter, wenn die Eltern streiten. Wir fordern: Wenn sich die beiden Eltern nicht einigen können, muss die Rückfallebene 50:50 heissen. Konkret: Die faktische Verantwortung muss genauso wie die Pflicht zum Geldverdienen und das Recht auf Sorge je hälftig verteilt werden. Nehmt die Männer in die Pflicht statt sich über sie zu beklagen oder sie auszuschalten – und ihnen auch noch das Existenzminimum wegzunehmen.
Für Männer.ch als Brückenbauer im Geschlechterdialog ist Sommarugas Kurswechsel ein unheimliches Signal. Hoffen wir, dass es sich als Wahlkampftaktik entpuppt und nicht Ausdruck ihrer politischen Kultur ist. Denn um in einem derart schwierigen Dossier wie dem Scheidungsrecht nachhaltige Lösungen zu finden, brauchen wir eine Bundesrätin, die sich dem Geschlechterdialog auf Augenhöhe verpflichtet. Eine Bundesrätin, die anerkennt, dass eine nachhaltige Lösung in dieser Frage keine Gewinner und Verlierer kennen darf.
Kommentar: Die neue Bundesrätin ist im Clinch. Einerseits möchte Sie (wie versprochen) lösungsorientiert regieren und anderseits will sie die Feministinnen nicht vor den Kopf stossen.
Sie muss aufpassen, dass sie sich nicht zur Anwältin einer Gruppe machen lässt.
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