Mittwoch, 6. Februar 2013

Als Journalist aussteigen oder bleiben?

Viele Journalisten verlassen die Redaktionen und übernehmen den Job eines Kommuniktionsberaters, Mediensprechers oder eines PR Verantwortlichen einer Institution. Das ist nicht verwunderlich, weil es in der Presse laufend zu Restrukturierungen kommt und die Journalisten als Medienverantwortliche in einer Institution wesentlich mehr verdienen.
Dieser Seitenwechsel stand im Fokus der  Veranstaltung (Ich zitiere aus presseverein.ch):

Brisante Seitenwechsel

Vom Journalismus in die PR und zurück. Dieser, von vielen Medienschaffenden gewählte Weg birgt Chancen und Gefahren. Am Communication Summit 2013 standen die Seitenwechsler im Mittelpunkt einer engagiert geführten Diskussion.

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 In unsicheren Zeiten suchen Medienschaffende Sicherheit, gute Bezahlung und Aufstiegschancen und finden all das in den Stabsstellen von Unternehmen und Ämtern, bei Non-Profit-Organisationen und Verbänden sowie in PR- und Kommunikationsagenturen. Ihr Know-how der Mechanismen des hektischen Medienbetriebs ist gefragt. Hunderte von Journalistinnen und Journalisten sind in den letzten Jahren dem Lockruf gefolgt und haben die Seite gewechselt. Einige wenige gingen später wieder den umgekehrten Weg. Wie meistern sie ihren neuen Job? Nicht alle Quereinsteiger sind für ihre neuen Aufgaben genügend qualifiziert. Einige agieren ängstlich, andere übereifrig und forsch. Schliesslich sollen sich die «guten Beziehungen» zu den Ex-Kollegen auszahlen.
Der diesjährige Communications Summit, der wiederum im Audimax der ETH Zürich stattfand, gab Einblicke in die Welt der Seitenwechsler. Rund 350 Gäste nahmen an der gemeinsam vom Zürcher Pressevereins (ZPV) und der Zürcher Public Relations Gesellschaft (ZPRG) organisierten Veranstaltung teil, an der Journalisten und Kommunikationsverantwortliche über die Hürden des Seitenwechsels berichteten, und über Ethik und Löhne, über divergierende Erwartungen von Unternehmen und Redaktionen und über das Spannungsfeld von PR und Journalismus in Zeiten des Medienwandels diskutieren.










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  •  Das Keynote-Referat hielt Peter Hartmeier







    Mit Hartmeier diskutierten nachher unter der Leitung von Reto Lipp, Moderator der Wirtschaftssendung «Eco» auf SRF:

    Elisabeth Meyerhans, ehemalige Generalsekretärin EFD und ex-NZZ-Redaktorin, heute Kommunikations- und Wirtschaftsberaterin, Meyerhans & Partner 







      









    Christof Moser, Redaktor «Der Sonntag» und freier Journalist, scharfzüngiger Kolumnist zu Medienthemen.



    Für ihn ist es bedenkliches Zeichen, wenn ein Vorbild wie ein Tagi-Chefredaktor die Seite wechsle. Gar das Wort “Verrat” stand im Raum. Hartmeier antwortete Moser: “Du bist etwas zu dogmatisch.” Auch Susanne Mühlemann distanzierte sich von der Vorstellung, Journalismus sei ein irgendwie besonderer Beruf: “Ich habe meinen Beruf als Journalistin nie als Ideologie ausgeübt, ich war nie missionarisch.”Während Moser beklagte, es werde von Seiten der Kommunikation immer dreister gelogen, dozierte Hartmeier, ein Kommunikator dürfe nur schweigen, keinesfalls lügen. Weitgehend einig war man sich, dass die Dreistigkeit auf beiden Seiten zugenommen hat.

     Hartmeier erzählte von “Journalisten, denen man auch die Fragen diktieren muss”.

    Und Moser beklagte, dass er als Journalist fast gar nicht mehr an die Bundesräte herankomme: “Die werden von ihren Beratern vor die SRF-Kamera geschoben, da sind die Fragen vorhersehbar, und dann verschwinden sie.”

    Witzig sei, stellte Reto Lipp fest, dass wenn man dann mal CEOs oder Bundesräte persönlich frage, warum sie denn alle Interviewanfragen absagen, sie ganz erstaunt sagen: “Wie? Von ihrer Anfrage habe ich doch gar nichts gewusst! Selbstverständlich stehe ich Ihnen zur Verfügung!”

    “Die Schweizer haben ein gestörtes Verhältnis zum Seitenwechsel”, befand Elisabeth Meyerhans, keiner könne die Branche wechseln, ohne dass das jemand total daneben fände. Und sie erzählte, dass sie den Journalismus verlassen habe, weil ihr damals die NZZ keine befriedigenden Entwicklungsmöglichkeiten anbieten wollte. Der primäre Motivator für den Seitenwechsel sei bei ihr jedenfalls nicht das Geld gewesen.

    Am Schluss verneinten alle drei Kommunikatoren die Frage, ob sie sich denn einen Wechsel zurück in den Journalismus vorstellen könnten. Auch Journalist Moser konnte sich keinen Wechsel in die Kommunikation vorstellen. Er zahle für diesen Fall sogar allen im Saal Anwesenden ein Bier – weil er sich so was dann sicher leisten könne. (Ende Zitat)

    KOMMENTAR:

    Die Veranstaltung an der ETH machte mir  bewusst, dass es immer weniger Journalisten gibt, dass das Niveau der Kommunikation und Information in den Medien steigt und die neuen Medien das Zusammenspiel  Journalisten und PR-Verantwortlichen wesentlich verändert haben.
    Nach Hartmeier, der die Seiten mehrmals gewechselt hat, ist es möglich, Interessenkonflikte auszuschliessen, obwohl bisweilen der Seitenwechsel doch sehr schwer sein kann. Der ehemalige Chefredakteur des Tagesanzeigers vertrat die Meinung,  der Seitenwechsel könne sogar zu einer Horizonterweiterung führen.
    Nach meinem Dafürhalten kann ein Profi-Journalist nach dem Seitenwechsel den Medien behilflich sein, indem er die Manager beispielsweise dazu bringen kann, mediengerechter zu reden (falls diese nicht Beater-resistent sind).
    Der ehemalige Journalist könnte auch gleichsam den wertvollen Hofnarren spielen und Oel in das Getriebe zwischen Medien und Mangement träufeln.
    Anderseits wurde auf die Gefahr hingewiesen, dass man sich von der Institution vereinnahmen lässt und der Kommunikationsverantwortliche zum Gesprächsverhinderer verkommen könnte.
    Die Gefahr der Entfremdung vom Journalismus sei erheblich.


    FAZIT: Der Seitenwechsel muss nicht, aber er kann zu einem gestörten Verhältnis hinsichtlich der journalistischen Grundsätze führen.

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