Recherchen lohnen sich immer
oder: Wie eine Nebenbemerkung zur Kernbotschaft hochstilisiert werden kann.
Im Blick online lese ich:
Christoph Blocher (70) will für Zürich in den Ständerat. Um die Wirtschaft zu vertreten. Dabei betont er, dass die Randregionen von diesen Themen nichts verstehen.
Von Karin Müller und Marcel Zulauf
Heute startet nun der Wahlkampf des SVP-Chefstrategen. Er will mit 71 Jahren nochmals aktiv im Bundehaus mitmischen. Wird er gewählt, kann er eine der wenigen Lücken in seiner politischen Karriere schliessen – und mindestens bis 75 aktiv in der Politik bleiben.
Blocher will die Wirtschaftsmacht Zürich vertreten
An der Medienkonferenz zum Wahlkampfstart macht Blocher klar, warum er für den Kanton Zürich in die Kleine Kammer will: «Ich will die Wirtschaft im Ständerat vertreten», sagt er. «Zürich als Nummer 1 der Banken und Versicherungen muss sein Wissen einbringen.»
Appenzeller und Jurassier würden von den grossen Wirtschaftszusammenhängen nichts verstehen, betont Blocher. Darum will er als Vertreter des stärksten Wirtschaftskantons Gegensteuer geben.
Am liebsten würde Blocher mit dem FDP-Ständerat Felix Gutzwiller zusammen den Kanton Zürich vertreten, «aber die Freisinnigen wollen nicht», bedauert Blocher.
Ende Zitat
Kommentar:
Nachdem mich 20 Min angefragt hatte, was ich zur Aussage Blocher halte, dass die Appenzeller von den Wirtschaftszusammenhängen nichts verstehen, sagte ich dem Journalisten: Bevor ich urteile, müsse ich zuerst die konkrete Aussage Blochers wortwörtlich haben und zwar im Kontext. Ich erfuhr dnn, dass eine Journalistin vom SDA an der Medienkonferenz war. Vor meiner Stellungnahme recherchierte ich. Diese Zeit lohnt sich immer.
Zuerst beschaffte ich mir die Original-Meldung des SDA:
**********************************
(sda) Mit der Präsentation von SVP-Kandidat Christoph
Blocher hat dessen Unterstützungskomitee am Dienstag den Zürcher
Ständeratswahlkampf eingeläutet. Im überparteilichen Komitee-Co-
Präsidium sitzen neben SVP-Exponenten einzelne Mitglieder anderer
Parteien.
Der Präsident der SVP-Wahlkommission, Hansjörg Frei, machte mit
der Präsentation des Kandidaten gleich dessen breite politische
Erfahrung klar: Alt Bundesrat, alt Nationalrat, alt Kantonsrat und
alt Gemeiderat Christoph Blocher. Und er betonte: «Im Wahlkampf
müsste Geleistetes mehr Gewicht haben als Versprochenes».
Das Anforderungsprofil der Partei an den Ständeratskandidaten
wurde Blocher auf den Leib geschneidert: Er muss Unternehmer sein,
die SVP-Politik «geradlinig mittragen» und über breite politische
Erfahrung verfügen, so Kantonalparteipräsident Alfred Heer.
Es sei unabdingbar, dass der grosse Kanton Zürich seine wichtigen wirtschaftlichen Anliegen in den Ständerat einbringe und die Zusammenhänge klar mache, sagte Blocher.
Die kleinen Kantone hörten gewiss auf ihn, «die haben ja keine Ahnung». Damit die Schweizer Finanzsituation bereinigt werden könne, müssten sich die Bürgerlichen über die einzuschlagende Richtung einig sein.
Zentraler Schutz des Privateigentums
Komitee-Co-Präsident Christian Steinmann, Präsident des
Hauseigentümerverbandes der Stadt Zürich und früherer Präsident der
FDP der Stadt Zürich, bedauerte, dass die FDP im Wahlkampf nicht mit
der SVP zusammenspannen wolle.
Dabei könne man sich auf Blocher «felsenfest verlassen», wenn es
um den Schutz des Privateigentums gehe, einer besonders bedeutenden
Grundlage der Schweizer Gesellschaft.
Neben Steinmann sitzen auch der ehemalige FDP-Kantonsrat Andreas
Honegger und FDP-Nationalrat Filippo Leutenegger im Co-Präsidium des
Unterstützungskomitees. Mit dabei sind zudem unter anderen die
Zürcher alt Regierungsräte Peter Wiederkehr (CVP) und Alfred Gilgen
(seinerzeit LdU).
(SDA-ATS\/eh/ah)
161334 aug 11
*******************************
Meine Recherchen bei einer Journalistin (die an der Konferenz anwesend war und mir ihre Notizen am Telefon vorgelesen hatte) machten mir sofort bewusst, dass BLICK Blochers Bemerkung ungenau und gefärbt wiedergegeben hatte. Dies verdeutlicht einmal mehr: Es lohnt sich, Sachverhalte zu überprüfen, obschon Recherchen zeitaufwändig sind.
Als Kommunikationsberater durfte ich nicht auf Grund eines Online- Beitrages ein Urteil fällen. Meine Recherchen zeigten:
Als Kommunikationsberater durfte ich nicht auf Grund eines Online- Beitrages ein Urteil fällen. Meine Recherchen zeigten:
Blocher wollte bei seinem Auftritt in erster Linie bewusst machen, dass er sich für die wirtschaftlichen Anliegen des Kantons einsetzen will und erwähnte dabei lediglich, dass die Randregionen von diesen Wirtschaftszusammenhängen zwangsläufig weniger mitbekommen. Dabei nannte er unbedachterweise als Beispiel Appenzell (von den Jurassiern hatte Blocher übrigens nichts gesagt). Nach diesen aufwändigen Recherchen war es mir nun möglich, dem Journalisten von 20 Minuten, Blochers Verhalten zu kommentieren.
OBschon es meist gut ist, Argumente mit Beispielen zu veranschaulichen, hätte ich Blocher in diesem Fall geraten, auf das Beispiel Appenzell zu verzichten. Er hätte wissen müssen: Dieses Bild kann missverständliche Assoziationen auslösen. Das veranschaulicht uns nun der Medienspiegel: Aus einem unbedachtem Beispiel konnte Blick nun folgenden gefärbten Haupttitel formulieren:
Christoph Blocher wettert gegen die Provinz
Für 20 Min wurde die Aussage sogar zum kommunikativen Gau:
Kommunikativer GAU
16. August 2011 PrintBlocher beleidigt die Appenzeller
Christoph Blocher verspottet die Kleinkantone: Die hätten «keine Ahnung» von Wirtschaft. Die Appenzeller sind empört. Ein Experte warnt vor einem Imageschaden für den SVP-Strategen.
Blocher kandidiert für den Ständerat. (Bild: Keystone)
Im Appenzellerland ist man ausser sich: «Das ist die überhebliche Meinung eines Zürchers», schimpft der Ökonom und Innerrhoder CVP-Nationalrat Arthur Loepfe. «Wir haben starke KMUs, auch mit internationaler Ausrichtung. Und wir gingen alle auch zur Schule.» Auch Albert Manser vom Gewerbeverband Innerrhoden schüttelt den Kopf: «Offensichtlich ist Herr Blocher nicht mehr auf die Stimmen aus der ‹Provinz› angewiesen.» Und der Appenzeller Wirtschaftsprofessor Roman Dörig kann «über so eine Aussage nur schmunzeln».
Der
Kommunikationsberater Marcus Knill bezeichnet es als unklug, dass
Blocher Appenzell als Beispiel nannte. «Das hinterlässt den Eindruck, er
sei gegen das Bodenständige, das er immer vertreten hat. Und das könnte
seinem Image schaden.»
Schon am 2. September hat Blocher allerdings die Chance, die Wogen wieder zu glätten: Dann tritt er an einem Wirtschaftsforum in Heiden AR auf.
Ende Zitat 20 Min
Fazit: Dieses Beispiel veranschaulicht uns einmal mehr, was ein einzelnes unbedachtes Wort bewirken kann.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen