Der Rückblick des Zürcher Regierungsrates als medialer Auftritt. Ein kostspieliges Experiment das unbedingt verbessert werden müsste.
Ich zitiere TAGI:
Das Interesse war bescheiden: Ganze 313 Zugriffe verzeichnete der gestrige Livestream, wie beim Kanton zu erfahren ist. «Natürlich müssen wir schauen, dass wir die Zugriffszahlen noch steigern können», meint Regierungssprecherin Susanne Sorg.
Dass kaum jemand den Livestream anklickte, liegt nach Meinung von Sorg weniger am Format als am Thema. «Ein Legislaturbericht ist auch für den Regierungsrat Pflichtstoff und birgt nichts Neues.»
Alles also nur Wahltheater in eigener Sache, aufgeführt zwei Monate vor den Regierungsratswahlen?
Diesen Vorwurf lässt Sorg nicht gelten: «Es ist Zufall, dass wir genau jetzt so weit waren, dass wir die Medienkonferenz übertragen konnten.» Der Politikberater Mark Balsiger sieht es ähnlich: «Dem Regierungsrat ging es gestern nicht um Show oder Spielerei, sondern darum, Transparenz zu schaffen.»
Dass die Regierungsratsmitglieder mit einer Ausnahme nicht als übermässig talentiert aufgefallen sind, ist beruhigend, meint Balsiger. «Politiker in der Schweiz sollen politisieren und sich nicht primär als Schauspieler verstehen.» Gescheitert sei der Versuch, weil eine Legislaturbilanz «per se staubtrocken» sei und sich deshalb nicht für eine Live-Medienkonferenz eigne.
Für die gestrige Übertragung hat der Kanton einer externen Firma 3000 Franken überwiesen – jeder Zuschauer belastete den Staatshaushalt also mit 10 Franken. . (Tagesanzeiger.ch/Newsnetz)
Ende Zitat
An Stelle eines Kommentars von mir, lohnt es sich nach diesem Auftritt die poiniterte Filmkritik von Thomas Widmer zu lesen.
Sie ist humorvoll, gut geschrieben und macht bewusst, dass ein Regierungsrat immerhin die einfachsten Grundregeln der Medienrhetorik kennen sollte, wie eine Botschaft adressatengerecht vermittelt wird. Schauspieler muss er nicht sein. Wenn gewisse Regierungsräte die skizzierten Defizite hinsichtlich professionellerem Auftreten vor Mikrofon und Kamera nicht nachholen, könnte man auf derartige Auftritte verzichten.
Hier die lesenswerte Analyse:Legislatur 2007 bis 2011 – der Film
Von Thomas Widmer.
Freilich ein Film ohne Reibung, Streit, Skandal, Action. Im Legislaturbericht lässt die Regierung vier Jahre harter Arbeit Revue passieren.
Sie gönnt sich ein gegenseitiges
Schulterklopfen. Legislaturbericht, das ist flache Wohlfühlhandlung ohne
Drama.
Es erscheinen denn auch nur rund zehn Presseleute im
Walcheturm. «Die Journalisten, die heute gekommen sind, verdienen einen
Treuebonus», witzelt Justizdirektor Markus Notter.Das Filmsetting und die Komparsen könnten einen Kameramann von Ambition in den Wahnsinn treiben. Bundesräte haben ihre Weibel in den langen Mänteln, herbeigebeamt aus dem 19. Jahrhundert. Die Zürcher Regierungsräte haben bloss korrektmoderne Kommunikationsleute und Kaffeeholer. Die Stehtische nach globalem Kongressstandard geben optisch auch nichts her.
Einziger
Suspense-Faktor: ein Polizistenpaar an der Tür. Ihre Pistolen sind
Spannungsrequisiten. Und ihre Uniformen bringen ein Prickeln in die
Story: Die Macht ist im Saal, visualisieren sie.
Leider, zeigt
sich nun, sind nicht alle Politiker auch Performer. Jeder
Hauptdarsteller darf Highlights der eigenen Sphäre nennen.
Finanzdirektorin Ursula Gut stürzt sofort in die Technikalitäten. Sie
redet von der BVK – wie viele Internetzuschauer verstehen das auf
Anhieb? Sie liest vom Blatt, intoniert alles gleich, Hörvergnügen
erzeugt das nicht. Farbig ist aber ihr rotes Kostüm. Und sie liefert
eine von total zwei Pointen. Sie sagt statt Steuerdumping
«Steuerdoping».Kein Publikumsfessler
Bildungsdirektorin Regine Aeppli könnte in einer TV-Soap à la «Lüthi & Blanc» die Schulleiterin geben: streng, aber aufgeschlossen. Sie trägt Schuhe mit halbhohen Absätzen, urban chic und doch seriös. Ihre Dialogzeilen zur Volksschule packen jedoch nicht.
Das gilt auch für Volkswirtschaftsdirektor Ernst Stocker, den gedrungenen Body mit dem NoBullshit-Gesicht. Er spricht klar und gerade. Aber ein Publikumsfessler ist er ebenso wenig wie Gesundheitsdirektor Thomas Heiniger, der immerhin durch seine hagere Sportlerphysis in Kombination mit der Harry-Potter-Brille das Auge lockt.
Vom Auftritt des Baudirektors Markus Kägi wiederum, eines breiten Patriarchen, bleibt bloss der starke, den Dreh störende Husten in Erinnerung.
Mit solchen Akteuren ist nur schwer gutes Politkino zu machen. Das Skript ist gar Antifilm. Die Sätze im 55-Seiten-Bericht sind trockener als die Sahelzone. Wenn es um die drei Leitlinien, 17 Ziele, 80 Massnahmen zur Erreichung der Ziele geht, klingt das so: «Ein Höhepunkt in Sachen verstärkter Zusammenarbeit mit anderen Kantonen und Interessenwahrung wurde 2009 mit der Gründung der Metropolitankonferenz erreicht.»
Und damit zu den zwei Protagonisten, die den Film vor dem Desaster retten. Der eine ist Altstar Markus Notter. In dem durch das Amt gebeugten Körper wohnt ein Komiker, der mit dem abgegangenen Bundesrat Moritz Leuenberger, ebenfalls SP, einen Teil des GestikRepertoires teilt: das gleiche krampfartige Händereiben, das gleiche Spielen von Zerstreutheit und dann Zupacken und die Pointe landen: «Mein Zuständigkeitsgebiet kann ich in drei Worten zusammenfassen: Gefängnis – Kirche – Theater.» Aber auch Regierungspräsident Hans Hollenstein zieht in den Bann. Er punktet gekonnt als Schweizer Archetyp: gemütlich, hoher Papa-Moll-Faktor. Und er beherrscht die Gnade der bildlichen Rede. Mit der Leichtathletik-EM 2014 habe Zürich, frohlockt er, «e prächtigi Forälle a Land zoge».
Der kleine Eklat zum Schluss
So weit die wenigen Highlights des Films. Obwohl nur eine Stunde lang, hat er Durchhänger, die Journalisten gähnen. Am Schluss gibt es einen Knaller, den die Regie in Gestalt von Regierungssprecherin Susanne Sorg wohl nicht vorhersah. In der Fragerunde sagt genau ein Journalist etwas. Es ist – endlich ein Kracher! – keine Frage, sondern Kritik. Alfred Borter, Doyen des Zürcher Lokaljournalismus («Limmattaler Zeitung»), bemängelt, dass sich der Regierungsrat filmisch inszeniere und die Journalisten zu Nebendarstellern mache. «Ich finde das ein Theater», sagt Borter. (Tages-Anzeiger)
LINKS:
rhetorik.ch aktuell: Regierungsfotos
3. Jan. 2011 ...
Quelle: Top Online vom 2. Januar, 2011. Ich wurde von TELE TOP gebeten,
etwas zu den Portraits der Regierungen ZH,TG, SH und SG zu sagen. ...
www.rhetorik.ch/Aktuell/11/01_03a/index.html - Im Cache
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rhetorik.ch aktuell: Zur Rhetorik einer Bildungsdirektorin"
20. Febr. 2005 ... Die Bildungsdirektorin bemühte sich, ein paar Gedanken herauszuschälen, die nicht nur von der Presse erkannt worden sind: ...
www.rhetorik.ch/Aktuell/05/02_20.html -Cached - Similar
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- [PDF]
PDF version (zum Ausdrucken) - Hat sich die Bildungsdirektorin ...
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26. Sept. 2010 ... mit einfacheren Sätzen überzeugte. Hier eine Antwort der Zürcher. Bildungs direktorin: Regine Aeppli: «Die Schule … Ich hab am ...
www.rhetorik.ch/Aktuell/10/09_26/09_10.pdf - [PDF]
KLEINREDEN STATT PROBLEME ERNST NEHMEN
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sein. Patrik Wülser befragte in der Samstags- rundschau (DRS 1) vom 7. April die Zürcher. Bildungsdirektorin Regine Aeppli zu dieser aktuellen Krise. ...
www.rhetorik.ch/Aktuell/07/05_29/05_07.pdf rhetorik.ch aktuell: Ein Bild sagt mehr als tausend Worte
17. Dez. 2006 ... Die Bildungsdirektorin Regine Aeppli zieht sich zurück und steht hilflos in der politischen Landschaft, so wie sie bei den öffentlichen ...
www.rhetorik.ch/Aktuell/06/12_17.html -Cached
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