Kurers minutiös geplanter Befreiungsschlag
Mehr als 14 Monate nach seinem Abgang als UBS-Verwaltungsratspräsident hat sich Peter Kurer erstmals öffentlich verteidigt. Von der «NZZ am Sonntag» erhielt der 61-Jährige die Gelegenheit, auf zwei Seiten seine Sicht der Dinge darzulegen. Erwartungsgemäss bestritt er die Vorwürfe, von den Steuervergehen der UBS in den USA gewusst zu haben. Und er konnte auch andere Anschuldigungen kontern. Wegen seiner langjährigen UBS-Vergangenheit stand Kurer in der Dauerkritik.
Laut Marcus Knill, Experte für Medienrhetorik, ist das Kurer-Interview ein Stück «clevere Kommunikationsstrategie». Kurer habe sachlich und überlegt geantwortet, und habe geschickt argumentiert. So habe Kurer betont, dass er auf Probleme reagiert und Massnahmen eingeleitet habe, insbesondere im Nordamerika-Geschäft. Knill geht davon aus, dass die Aussagen von Kurer den Tatsachen entsprechen. Lügen könne er sich nicht leisten, so Knill, dies würde sich verheerend aufs Image auswirken.
«Nicht ich, die anderen sind schuld»
Ausserdem habe der versierte Jurist wiederholt darauf hingewiesen, dass kein einziger rechtlich relevanter Vorwurf an ihm hängen geblieben sei. «Ich habe im Geschäft mit US-Kunden keinerlei Pflichten verletzt», heisst es denn auch in der Schlagzeile auf der Frontseite der «NZZ am Sonntag». Vor allem sei es dem früheren UBS-Präsidenten gelungen, seine zentrale Botschaft zu vermitteln. «Die Dachbotschaft von Kurer lautete: Ich bin nicht schuld, andere sind schuld», sagt Knill im Gespräch mit Tagesanzeiger.ch/Newsnetz.
Bemerkenswert findet Knill die Aussage von Kurer, dass er der Aufsicht rät, von den Grossbanken massiv mehr Eigenmittel zu verlangen. Das ist eine Forderung, die inzwischen politischer Mainstream ist, aber von den Banken nicht gerne gehört wird.
«Das ist eine kleine Bombe»
Dass Kurer für einen Eigenkapitalanteil von zehn Prozent plädiert, «ist eine kleine Bombe», sagt Markus Gisler, Kommunikationsberater und früherer Chefredaktor, im Gespräch mit Tagesanzeiger.ch/Newsnetz. Diese Aussage des ehemaligen UBS-Präsidenten werde bei der Nationalbank und der Finma sehr wohl zur Kenntnis genommen.
Gisler kann nachvollziehen, dass Kurer jetzt mit einem Interview an die Öffentlichkeit gegangen ist. «Er hat ein grosses Rechtfertigungsbedürfnis», sagt Gisler. Kurer habe lange den Kopf hinhalten müssen für einen Job, den er eigentlich gar nicht wollte. Der Bericht der parlamentarischen Geschäftsprüfungskommission (GPK) sei der Grund gewesen, weshalb Kurer ausgerechnet jetzt sein Schweigen gebrochen hat. Der GPK-Bericht empfiehlt, dass Aktionäre des Bundes (Pensionskassen) gegen Kurer eine zivile Verantwortlichkeitsklage einreichen sollen und der Bund dafür die Kosten tragen soll.
«In diesem Punkt hat Kurer völlig recht»
Die GPK fand zwar keine Anhaltspunkte für eine Mitwisserschaft von Kurer bei den Steuerdelikten der UBS in den USA, dennoch verdächtigt sie ihn weiter und verlangt neue Untersuchungen. Die von der GPK erhobenenen Zweifel an seiner Unschuld beurteilte Kurer im Zeitungsinterview als «extrem unfair». «In diesem Punkt hat Kurer völlig recht», sagt Gisler, der den Bericht der GPK eingehend studiert hat.
«Im GPK-Bericht findet sich keine einzige Stelle, die eine zivilrechtliche Klage rechtfertigen würde.» Und er weist darauf hin, dass die fundierteste Untersuchung, jene der US-Anwaltskanzlei Watchell, Lipton, Rosen & Katz, die Kurer entlastet, vom amerikanischen Justizministerium angeordnet und überwacht worden war. «Diese 70 Millionen Dollar teure Untersuchung war kein Gefälligkeitsgutachten.»
Mehr als ein Interview gibt es nicht
Laut Gisler ist es kein Zufall, dass das grosse Kurer-Interview in der «NZZ am Sonntag» erschienen ist. Es wäre undenkbar gewesen, dass er mit einer Sonntagspublikation gesprochen hätte, «die ihn gepiesackt hat».
Laut Sacha Wigdorovits, Kommunikationsberater von Peter Kurer, hatten mehrere Medien schon vor einiger Zeit um ein Interview mit dem ehemaligen UBS-Präsidenten gebeten, und die «NZZ am Sonntag» habe nach Abschluss des Staatsvertrages mit den USA nochmals angefragt. Kurer habe sich dann für sie entschlossen, weil sie das geeignete Medium sei, um das Thema mit der notwendigen Tiefe zu behandeln. Wigdorovits spricht auch «von der richtigen Plattform mit dem richtigen Publikum».
Dass das Interview jetzt stattgefunden habe, begründet Wigdorovits mit einer «gewissen Zäsur» in der Diskussion rund um die UBS. Das Eidgenössische Parlament habe den Staatsvertrag mit den USA genehmigt, und die GPK habe ihren Bericht präsentiert. Dies sei ein guter Zeitpunkt für Kurer gewesen, seine Sicht der Dinge darzulegen und ein paar Dinge näher zu beleuchten. Wie Wigdorovits klar macht, wird Kurer derzeit keine weiteren Interviews geben, denn irgendwann sei alles gesagt. (Tagesanzeiger.ch/Newsnetz)
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