«Die Fifa ist stur und macht sich nur noch lächerlich»
Sie fordern Videobeweis, Torrichter, Torkameras oder den Chip im Ball. Fazit: jetzt muss die Fifa handeln und nach Lösungen suchen. «Solange ich Fifa-Präsident bin, gibt es keinen Videobeweis», betont Sepp Blatter immer wieder. Doch diese Weltmeisterschaft zwingt den Schweizer wohl zum Umdenken. «Das ganze verkommt langsam zur Farce», sagt der ehemalige Nationalmannschafts-Captain Jörg Stiel gegenüber Tagesanzeiger.ch/Newsnetz.
Die Fifa mache sich nur noch lächerlich. «Das erste Tor der Argentinier gegen Mexiko war mindestens zwei Meter Offside. Und beim 2:2-Ausgleich der Engländer gegen Deutschland lag der Ball einen halben Meter hinter der Linie», sagt Stiel. Jeder habe es im Stadion gesehen, nur die Schiedsrichter nicht. Stiel macht sich bei strittigen Abseitsszenen für den Videobeweis stark. «Eine Torkamera hätte beim Treffer Englands für Klarheit gesorgt», so Stiel.
Fifa müsste 30 Profischiedsrichter über ganze Jahr engagieren
«Ich habe Bauchschmerzen», sagt Luigi Ponte, der Präsident der Schweizer Schiedsrichtervereinigung gegenüber Tagesanzeiger.ch/Newsnetz. «Bisher hat man sich vorwiegend über die sogenannten Exoten aufgeregt», sagt der ehemalige Schiedsrichter. Doch jetzt machten auch Topleute wie der Italiener Rosetti unglaubliche Fehler. Auch der Uruguayer Larrionda, der das englische Tor nicht gegeben hat, gehöre ansonsten zu den absoluten Spitzenrefs. Trotzdem ist Ponte immer noch gegen den Videobeweis. Zumindest würde er jetzt aber einen Torrichter akzeptieren.
Ponte macht einen ganz konkreten Vorschlag. «Die Fifa müsste übers ganze Jahr mindestens 30 vollamtliche Profischiedsrichter beschäftigen und diese auch sehr gut bezahlen», fordert er. Diese könnten dann in der südamerikanischen Meisterschaft, im Afrika-Cup, in der Champions-League, in WM-Qualifikationsspielen und an den Weltmeisterschaften eingesetzt werden. Ponte nimmt die Schiedsrichter aber auch in Schutz. «Ich hätte zuerst nicht gedacht, dass der Argeninier Tevez gegen Mexiko vor seinem Tor zum 1:0 im Abseits stand», sagt Ponte. Erst auf dem Standbild habe er den Irrtum erkennen können.
Bickel fordert den Chip im Ball
FCZ-Sportchef Fredy Bickel macht sich Gedanken. «Jetzt kommt die Fifa nicht mehr darum herum, Korrekturen anzubringen», sagt Bickel. Er denke zwar immer noch konservativ, man solle wo wenig ändern wie möglich. «Der Fussball ist nur so erfolgreich, weil er ganz einfach ist», sagt Bickel gegenüber Tagesanzeiger.ch/Newsnetz. «Der Chip im Ball wäre aber eine durchaus gute Sache», fährt er fort. Das nicht gegebene Tor der Engländer sei ein eklatanter Fehlentscheid gewesen. «Das war schlicht und einfach menschliches Versagen.»
Auch für Raimondo Ponte, ehemaliger Nationalspieler und Profi bei GC, Bastia und Nottingham, muss jetzt etwas geschehen. Doch er zweifelt ernsthaft daran, dass tatsächlich etwas passieren wird. «Es ist fast lächerlich, wie stur die Fifa ist», sagt der ehemalige Erfolgstrainer des FC Zürich. «Im Eishockey und sogar auch im Tennis hat man die Möglichkeit, auf strittige Entscheidungen zurückzukommen», sagt der Aargauer. Das müsste endlich auch im Fussball möglich sein.
Nur die Sieger können mit den Fehlentscheidungen leben
Die Sieger könnten mit Fehleinscheidungen leben, die Verlierer aber nicht, sagt Ponte. «Wäre der korrekte Ausgleich der Engländer anerkannt worden, wären die Deutschen psychisch am Boden zerstört gewesen», ist er überzeugt, «der Ausgleich der Engländer hätte das Spiel in völlig andere Bahnen gelenkt». Das Spiel werde für die Schiedsrichter und Linienrichter immer schneller. Gewisse Aktionen könnten mit blossem Auge gar nicht mehr schlüssig beurteilt werden. Deshalb plädiert auch er für den Videobeweis. «Das wäre eine spannende Sache», glaubt er. «Die Leute haben bei der Challenge im Tennis jedenfalls auch ihren Plausch», stellt Ponte fest.
Martin Andermatt hat als Trainer schon in Deutschland, in der Schweiz und als Lichtensteins Nationaltrainer gearbeitet. Auch der ehemalige Schweizer Internationale ist davon überzeugt, dass die Fifa reagieren muss. «Allerdings müsste man genau definieren, wie man das Ganze lösen will», sagt Andermatt gegenüber Tagesanzeiger.ch/Newsnetz. Ab zwanzig Metern vor dem Tor ist er bei Abseitsentscheidungen für den Videobeweis. Es dürfe aber nicht zu endlosen Diskussionen führen. Der Zeitraum für eine Entscheidung müsse begrenzt sein.
Kommentar:
Der Einsatz der neuen Technik wäre seit Jahren keine Problem. Es hat so viele Kameras vor Ort, dass innert Sekunden kontrolliert werden kann, was Sache ist.
Nachtrag: Nach den eindeutigen Fehlentscheidungen wurde der Druck so gross, dass Sepp Blatter doch bereit ist, den Einsatz der Videokontrolle zu prüfen. Aber nicht mehr an dieser Weltmeisterschaft.
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