Zu den Kommunikationsproblemen des Papstes
Nebelspalter:
Papst Benedikt XVI. gerät wegen der Rehabilitierung des Holocaust-Leugners Richard Williamson immer stärker unter Druck
Papst Benedikt XVI. gelang es immer noch nicht, die Wogen zu glätten. Im Kirchenvolk rumorte es. Bischöfe signalisieren Unbehagen. Die reformierte Kanzlerin Merkel (als Staatsoberhaupt) kritisierte in ungewohnt offener Art das Staatsoberhaupt des Vatikans. So etwas hat es noch nie gegeben. Die Situation entspannte sich bis heute nicht, obschon von Rom aus versucht wurde, die Geschichte auszusitzen. Ohne Eingeständnis, ohne öffentliche Klärung des Vatikans wird es keine Ruhe geben. Richard Williamson hat jedenfalls seine Holocaust - Lüge noch nicht widerrufen!
Ich zitiere kipa-apic:
Interne Kommunikation im Heiligen Stuhl
Wer berät den Papst?
Zürich, 4.2.09 (Kipa) Nach dem Debakel um die versuchte Wiederaufnahme der Traditionalisten-Bischöfe in die katholische Kirche wird immer lauter die Frage gestellt, wer den Papst berät und wie die Kommunikationswege im Vatikan verbessert werden könnten. Die letzte umfassende Neuordnung der Römischen Kurie fand 1988 unter Johannes Paul II. statt. Die Presseagentur Kipa nennt die wichtigsten Personen und Institutionen.
Die Bischöfe
Die rund 4.800 Bischöfe der Weltkirche berichten dem Papst und den Kurienbehörden etwa alle fünf Jahre bei "Ad-limina-Besuchen" im Vatikan. Die von Johannes Paul II. gepflegten Tischgespräche mit Bischöfen und Ordensleuten hat Benedikt XVI. abgeschafft, er nimmt sich aber für offizielle Gespräche mehr Zeit.
Die Nuntien
Die Diplomaten des Heiligen Stuhls in 177 Staaten berichten dem Staatssekretariat, das zugleich wie ein Kanzleramt und wie ein Aussenminister …
Kommentar: Ich frage mich ebenfalls, wie der Vatikan hinsichtlich "Umgang mit Medien", Botschaftenmanagement und strategischer Kommunikation beraten wird. Es ist unverständlich, dass ein Papst so viele gravierende Kommunikationsfehler machen kann. Geht es doch um den Ruf der katholischen Kirche. Wir haben es bei der UBS gesehen, wie rasch eine Grossbank durch fehlerhafte Kommunikation ihr Vertrauen verlieren konnte. Die Führung hatte das Kommunikationsmanagement nicht ernst genommen hat.
Man muss nicht Experte für Krisenkommunikation sein, um zu erkennen, dass gravierende Vorkommnisse weder mit Schweigen, mit Abtauchen noch mit Bagatellisieren, Beschönigen gelöst werden können. Der Versuch mit der Bezeichnung eines Sündenbockes misslang auch ein vermeintlicher Befreiungsschlag.
Der Papst wartete zu lange, im Glauben, die Sache beruhige sich von selbst. Auch ein Papst könnte Fehler zugeben (mea culpa) und hätte genügend Zeit gehabt, alle Unklarheiten zu klären.
Erst heute sah er ein, dass das Tolerieren eines Holocaust Lügners nicht länger ignoriert werden kann. Er verlangt erst jetzt, dass Williamson seine Aussage widerruft.
Spiegel-online:
Trotz der Aufforderung des Vatikans, Williamson solle seine Aussagen zum Holocaust widerrufen, steht Papst Benedikt XVI. nach Ansicht des Leiters der deutschsprachigen Redaktion von Radio Vatikan, Pater Eberhard von Gemmingen, weiter unter Druck. "
Der Papst steht mit dem Rücken zur Wand", sagte von Gemmingen im Interview mit NDR Kultur. Die bisherigen Schritte des Vatikan reichten nicht aus. Aus dem Vatikan müsse noch einmal eine klare, simple Erklärung kommen, forderte er.
Einen Rücktritt des Papstes schloss von Gemmingen grundsätzlich nicht aus: "So wie ich den Papst kenne hat dieser in seinem Herzen möglicherweise schon mal gedacht: 'Irgendwann muss ich vielleicht zurücktreten, damit das Petrusamt gut wahrgenommen wird'." Allerdings werde Benedikt XVI. einen solchen Schritt nicht unternehmen, nur um einem Problem aus dem Weg zu gehen. Diese Last werde der Papst seinem Nachfolger nicht aufbürden wollen, sagte von Gemmingen.
Die Kirchenvolksbewegung "Wir sind Kirche" kritisierte die Amtsführung des Papstes.
"Der Papst macht eine unglückliche Figur. Er will das Traumata der Kirchenspaltung aufheben. Aber er macht das mit sehr schlechten Beratern",
sagte der Sprecher von "Wir sind Kirche", Christian Weisner, der in Hannover erscheinenden "Neuen Presse". Leider werde immer deutlicher, dass Benedikt XVI. in seiner Amtszeit einen rückwärts gewandten Kurs einschlage. Durch die Wiederannäherung an die Piusbruderschaft sei innerhalb wie außerhalb der Katholischen Kirche ein "Riesenschaden" entstanden.
Kommentar: Es genügte nicht, dass sich der Papst persönlich gegen den Antisemitismus äussert. Er muss endlich - wenn gleich verspätet - Klarheit schaffen. Ich zweifle daran, dass damit die Sache ausgestanden ist. Es wurde bereits zu viel Geschirr zerschlagen.
Indirekte Kritik an der Kommunikation des Papstes
NZZ-online:
Die Schweizerische Bischofskonferenz (SBK) begüsst die Forderung des Vatikans an den erzkonservativen Bischof Richard Williamson, seine Äusserungen zum Holocaust zu widerrufen.
(sda) Wie SBK-Sprecher Walter Müller zu Radio DRS sagte, habe der Vatikan mit seiner Erklärung «noch einmal Klarheit schaffen können über Dinge, die der Vatikan schon einmal gesagt hatte».
Der Vatikan habe offensichtlich ein Problem, eine Sprache zu sprechen, die gehört werde.
Nach tagelangem öffentlichem Druck hatte der Vatikan Bischof Williamson aufgefordert, sich «eindeutig und öffentlich» von seinen Äusserungen zu distanzieren. Wie das Staatssekretariat des Vatikans am Mittwoch mitteilte, muss er die Leugnung widerrufen, bevor er als Bischof wieder eingesetzt werden kann.
Williamson hatte in einem Interview mit dem schwedischen Fernsehen gesagt, er denke, dass «200'000 bis 300'000 Juden in den Konzentrationslagern gestorben» seien, aber «nicht ein einziger von ihnen in Gaskammern».
Ueber die Kritik Merkels kann man geteilter Meinung sein. Es sie durchaus möglich, dass sie mit ihrer unüblichen öffetnlichen Kritik von ihern internen Problemen ablenken wollte.
Dennoch finde ich die Vatikan- Taktik (Angriff ist die beste Verteidigung) ungeschickt und unklug.
Bild:
Ärger über Holocaust-Streit Vatikan „entsetzt“ über Kritik aus Deutschland
CDU-Politiker greifen Merkel an
Der Vatikan sei über die Diskussion in Deutschland „geradezu entsetzt“, so der CDU-Politiker Georg Brunnhuber nach einem persönlichen Gespräch mit Papst Benedikt XVI. gegenüber der „Financial Times Deutschland“.
Im Vatikan sei man verwundert über die Debatte, sagte Brunnhuber, der im Rahmen einer Generalaudienz am Mittwoch in Rom mit dem Pontifex maximus gesprochen hatte. „Hier unterstellt niemand dem Papst, dass er antisemitische Äußerungen duldet.“
Es herrsche der Eindruck, dass in Deutschland jetzt alle antikatholischen Ressentiments an die Oberfläche kämen.
Nach Angaben Brunnhubers trifft Angela Merkel mit ihren Äußerungen zum Papst in den eigenen Reihen auf Widerspruch. „Viele CDU-Mitglieder halten die Einlassungen der Kanzlerin nicht für richtig“, sagte Brunnhuber, der Vorsitzender der baden-württembergischen Landesgruppe in der Unionsfraktion ist. „Öffentliche Aufforderungen an den Heiligen Vater führen garantiert ins Leere.“
Der Fall Williamson sei „keine Lappalie“ und dürfe nicht verniedlicht werden. Es gebe aber inzwischen „eine Art rhetorischen Überbietungswettbewerb, der „weder gerechtfertigt noch fair, noch in der Sache hilfreich“ sei.
Offenbar sei das Verfahren zur Aufhebung der Exkommunikation abgeschlossen gewesen, „bevor es diese berüchtigte Regensburger Äußerung von Williamson überhaupt gab“, so Lammert.
Indirekt kritisierte Lammert auch die Kanzlerin für ihre Forderung nach einer Klarstellung des Papstes. „Zweifel an der Position der katholischen Kirche und des Papstes halte ich in der Sache für völlig unbegründet“, betonte er.
Trotz der Aufforderung des Vatikans, Williamson solle seine Aussagen zum Holocaust widerrufen, steht Papst Benedikt XVI. nach Ansicht des Leiters der deutschsprachigen Redaktion von Radio Vatikan, Pater Eberhard von Gemmingen, weiter unter Druck. Im Interview mit NDR Kultur sagte er:
„Der Papst steht mit dem Rücken zur Wand.“
Die bisherigen Schritte des Vatikan reichten nicht aus. Aus dem Vatikan müsse noch einmal eine klare, simple Erklärung kommen, forderte er.
Einen Rücktritt des Papstes schloss von Gemmingen grundsätzlich nicht aus.
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