Donnerstag, 18. Dezember 2014

Schawi wurde überrascht

Analyse

18. Dezember 2014 -20 Minuten - Print

«Thiels Coolness hat Schawinski verunsichert»

von Nicolas Saameli - Kommunikationsexperte Marcus Knill analysiert das «Schawinski»-Interview:

storybild 

Roger Schawinski liess sich von Komiker 
Andreas Thiel provozieren. (Bild: Screenshot)

Herr Knill, der Talk zwischen Roger Schawinski und Komiker Andreas Thiel ist eskaliert. Warum?

Was hier geführt wurde, war keine Diskussion im klassischen Sinne, sondern ein Duell. Keiner der Gesprächspartner hatte das Ziel, sein Gegenüber zu überzeugen. Die beiden haben verbal aufeinander eingeprügelt. Was dabei zählte, war nicht, wer die besseren Argumente hat, sondern wer am Ende besser wegkommt.


Wer ist denn besser weggekommen?
 
Bei diesem Streit konnte es keinen klaren Sieger geben. Rein aus der Gesprächsanalyse würde ich sagen, dass sich die beiden ein Unentschieden geliefert haben. Dabei wird aber ein wichtiger Punkt vergessen: Schawinski hatte viel mehr zu verlieren als Thiel. Die Sendung, in der das Gespräch ausgestrahlt wurde, trägt seinen Namen. Wenn er darin die Fassung verliert, zählt das viel mehr, als wenn das bei seinen Gästen passiert.


Wie hat Thiel es geschafft, Schawinski aus dem Gleichgewicht zu bringen?

Er hat vor allem mit der Überraschung gearbeitet. Wer Schawinski ein bisschen kennt, weiss, dass dieser alle Interviews mit der Frage «Wer bist du?» beginnt. Thiel war darauf vorbereitet und hat sofort angefangen, Schawinski mit Gegenfragen in die Enge zu treiben. Zudem hat er das Gespräch auf eine sehr persönliche, emotionale Ebene reduziert und Schawinski damit destabilisiert. Dabei ist er selber immer im Ton sehr ruhig geblieben, obwohl es in ihm vor Wut gebrodelt haben muss. (Thiel hat Schauspielerfahrung und verstand es den Körper zu beherrschen).


Und das hat schon gereicht, um einen erfahrenen Talkmaster wie Schawinski aus der Fassung zu bringen?

Schawinski war wohl völlig überrumpelt von Thiels Art. Ich kenne ihn persönlich und so fassungslos wie am Montag habe ich ihn noch nie erlebt. Schuld am Debakel war vielleicht sein Stolz. Er hatte einige recht gute Trümpfe gegen Thiel in der Hand und muss sich wohl gedacht haben: «Den Typen nagle ich jetzt an die Wand.» Dieser ist aber so gut wie gar nicht auf die Vorwürfe eingegangen. Damit hat er wohl einen Schwachpunkt getroffen: Schawinski ist stark, solange er aggressive Fragen stellen kann. Wenn jemand dabei aber cool bleibt wie Thiel, wird er unsicher. 


Wie hat sich diese Unsicherheit geäussert?
 
Ein gutes Beispiel dafür war, als Thiel ihn fragte, ob er denn den Koran selber gelesen habe. Das Einzige, was Schawinski darauf sagen konnte war: «Ich habe dafür andere Bücher gelesen.» Mit solchen Gegenfragen hat Thiel sich über die klassische Rolle eines Interviewten weggesetzt und eine Machtposition eingenommen. Man könnte sagen: Wer fragt, führt.





  • ... und bei vielen anderen auch. Dass dieser Narzist grundsätzliche Dinge immer noch nicht gelernt hat, ist kaum zu glauben.

  • Für sowas zahle ich Billag?

    Hab mir das Interview extra angeschaut und war begeistert von Thiel. Ich hätte diese Ruhe nicht gehabt. Schawinski war beleidigend, er hätte Thiel besser mal ausreden lassen und ne Pause eingelegt. Denn Koran hätte er auch mal besser gelesen. Er war mit der Situation schlicht überfordert, wie wahrscheinlich die meisten Zuschauer auch. Ich konnte mit der Sendung nicht viel anfangen, kam mir vor wie auf dem Pausenhof. Das wohl einziege positive daran war Thiels ruhe.

  • Marketing
    Egal wer jetzt das Duell gewonnen hat, am Schluss sind beides Gewinner! Thiel kennt jetzt jeder und Schawinski ist noch bekannter. Beste Werbung!!!
  • Abrechnung mit Schawinski

    Hätte sich Schawinski nicht immer mit seinem agresiven Art als Moderator hervorgetan, würde doch niemand dem Thiel eine Stimme geben. Ich glaube es ist eine Abrechnung mit Schawinski


  • Danke Herr Thiel

    Schawinski ist wie das SchweizerFernsehen = Besserwisserisch + eine andere Meinung wird nicht akzeptiert! beides ist bei mir unten durch...


  • Thiel zu oberflächlich

    1. Das alte Testament ist voll von Gewalt. 2. Ich als gläubiger Christ (evangelisch) muss sagen, dass es bei den Religionsbüchern nicht darum geht, diese wörtlich verstehen zu wollen. Zu dieser Zeit war der Mythos die beliebteste Möglichkeit Gedanken, bzw. Lehren zu überbringen. Die Gewalt im Koran symbolisiert vielmehr den inneren Kampf und das Überwinden der eigenen Schwächen. Natürlich wissen das heute nicht mehr viele Menschen, doch das Problem ist nicht der Koran oder der Islam, sondern die fehlende Bildung.
NACHTRAG Knill:
Nach dem Urteil der Leserinnen und Leser hat Thiel eindeutig mehr gepunktet.
Ich persönlich bin heute der Meinung, hinsichtlich Dialogik gab es  nur Verlierer.
In meinem Job entscheidet bei Kommunikationsprozessen nicht der Berater, wer besser überzeugt hat. Sondern der Adressat.
Bei diesem Duell ist es erstaunlich, dass der Profi Journalist Schawinski so viele Punkte verlor, nur weil er überreagierte  und eindeutig die Nerven und damit sein Gesicht verloren hatte. In einem Medien-Check wird zwar Schawi für seinen ungefilterten Aerger gelobt. Der Kommentator vertrat die Meinung einer Minderheit, es wäre zu wünschen übrig, wenn andere Moderatoren auch so ungefiltert Klartext sprechen würden, wie Roger Schawinski.
Dieser Beurteilung halte ich entgegen:
Ein Moderator darf nie die Nerven verlieren, selbst wenn er persönlich unter der Gürtellinie angegriffen wird. Das heisst jedoch nicht, dass der Moderator weichgespült kommunizieren muss. Sein Werkzeug ist und bleibt, Fragen zu stellen, Antworten und Aussagen zu hinterfragen, Sachverhalte zu beschreiben, zu benennen, nachzufragen - aber keinenfalls auf die Person zu schiessen.
Nach dem Harvard Prinzip: "Hart in der Sache" aber "weich mit dem Gegenüber." Auch bei einem Querulanten.
Das Sendegefäss "Hart aber Fair" finde ich vorbildlich.

Viel sind sich nicht bewusst: Der Befragte hat ebenfalls das Recht, Klärungsfragen oder Gegenfragen zu stellen und einen Gedanken fertig auszuformulieren, aber auch das Gespräch zu lenken. Der Interviewte darf unterbrochen werden, wenn der Befragte zu lange spricht.
 

LINK:
Dateiformat: PDF/Adobe Acrobat
Beim Harvard Prinzip geht es nicht um ein «Entweder-oder», vielmehr kann meist eine «Sowohl-als-auch»-Lö- sung gefunden werden. Voraussetzung.
www.rhetorik.ch/Harvardkonzept/fitimjob.pdf

 ECHO EINES LESERS (studiert Journalismus):

Schawinski machte grobe Fehler auch fachlich: Religionskritik
hat nichts mit Rassismus zu tun. Als Thiel ihm die Kompetenz absprach, hat er die Nerven verloren. Schawinksi hatte klar das 2 am Ruecken.
Er wollte Thiel fertigmachen,  wurde aber selbst zermalmt. Die Zuschauer und Kommentare sehen das klar richtig. Ist ein unglaublich gutes Beispiel, wie man mit Coolness und Intelligenz gewinnen  und mit ungezügelten Emotionen verlieren kann. Bei Schawinski kommt jedoch kein Mitleid auf, denn er schlaegt
auch mit harten Bandagen. Spielt sicherlich auch etwas Schadenfreude mit dabei, wenn so ein harter Befrager selbst unter die Raeder kam. Schawinski wurde noch meinem Dafürhalten demontiert.
Vor allem der Vorwurf des Boulevard journalisten hat ihn tief getroffen (weil er zutrifft). R.D.

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