Entstauen statt Druck unterdrücken
Agressivität durch ständiges NETT sein müssen.
Von wegen nur nett
(aus 20 min)Einfühlsamkeit kann aggressiv machen
Gemeinhin gilt: Menschen, die mit anderen mitfühlen, verhalten sich zuvorkommend und hilfsbereit. Doch plötzlich können sie jedoch unkontrolliert aus der Haut fahren – zu Lasten anderer.
Manche Menschen werden aus Empathie aggressiv. (Bild: Keystone/Ennio Leanza)
Video Empathie auf einem anderen Level Was ist Empathie?
Empathie bezeichnet die Fähigkeit und Bereitschaft, Gedanken, Emotionen, Motive und Persönlichkeitsmerkmale einer anderen Person zu erkennen und zu verstehen. Dazu gehört auch die Reaktion auf die Gefühle Anderer wie zum Beispiel Mitleid, Trauer, Schmerz oder Hilfsimpuls. Grundlage der Empathie ist die Selbstwahrnehmung; je offener man für seine eigenen Emotionen ist, desto besser kann man die Gefühle anderer deuten. Die Studienteilnehmer mussten sich an eine Situation erinnern, in der sie mitbekommen hatten, wie eine ihnen nahestehende Person durch Dritte verletzt wurde. Zudem mussten sie eine Reihe von Fragen beantworten. Beispielsweise, wie sehr sie dieser Moment bewegt hat oder wie besorgt sie waren. Auch ihr eigenes Verhalten war Gegenstand der Befragung.
Dabei zeigte sich, dass diejenigen, die aufgrund ihrer Antworten als besonders mitfühlend eingestuft wurden, öfter angaben, aggressiv auf den Konflikt reagiert zu haben.
Zur Manipulation aufgerufen
In einem zweiten Versuch mussten sich die Probanden eine fiktive Situation vorstellen: In dieser hatte eine Person A finanzielle Probleme und machte sich entweder keine oder grosse Sorgen deswegen. Um wieder flüssig zu werden, konnte sie an einem Mathe-Wettstreit gegen einen Konkurrenten antreten.
Den Studienteilnehmern war erlaubt, diesen zugunsten von Person A zu manipulieren – indem sie dem Gegner eine Substanz verabreichten, die ihm Schmerzen zufügte. Dabei galt: Je mehr sie ihm davon geben würden, desto stärker würden die Leiden und desto wahrscheinlicher würde auch der Sieg von A.
Zudem wurden die Probanden in Gruppen eingeteilt. Die einen sollten sich in die beschriebene Person hineinversetzen, die anderen nur die Fakten beachten.
Impulsivität ist Nebensache
Die Ergebnisse zeigen: Teilnehmer, die schon im ersten Versuch Empathie gezeigt hatten, setzten sich auch im zweiten für die Person in Not ein – jedoch nur, wenn diese als besorgt und verzweifelt beschrieben worden war. Aggressivität zeigten diejenigen, die aufgefordert worden waren, sich in die beschriebene Person hineinzuversetzen. Sie verabreichten dem Gegner besonders viel der Substanz.
Die Forscher schliessen daraus, dass ein direkter Zusammenhang zwischen Empathie und Aggression existiert. Denn den Einfluss anderer Variablen hätten sie weitgehend ausschliessen können. «Viele glauben, dass aggressives Verhalten vor allem durch Impulsivität oder einen aggressiven Charakter entsteht», schreibt das Team in einer Mitteilung. «Wir zeigen jedoch, dass jeder aus einem empathischen Impuls heraus aggressiv handeln kann – unabhängig von seiner Persönlichkeit.»
KOMMENTAR:
Ich habe in meiner Tätigkeit als Berater immer wieder erlebt, dass Leute (oft in sozialen Berufen, die ständig Empathie zeigen müssen), plötzlich einen Aggressionsschub bekamen und diesen unkontrolliert auslebten.
In einem Elternfortbildungsseminar lernte ich
Mütter oder Väter kennen, die sich vorgenommen hatten, mit den Kindern ständig nett zu sein und eigentlich nur das Beste für ihre Kinder wollten. Auch wenn die Kinder sich beschimpften, blieben sie ständig anständig und nett. Sie reagierten ruhig und sagen beispielsweise: So solltest Du nicht mit den Eltern reden.
Plötzlich folgte dann unverhofft ein Ausbruch. Eltern, die eine völlig antiautoritäre Haltung bekundeten, schlugen unkontrolliert das Kind, das weiter nervt.
Ich habe gute Erfahrungen gemacht, wenn Vorgesetzte oder Erziehungsberechtigte den Druck rechtzeitig abbauen lernten.
Das heisst: Wenn Druck entsteht, dürfen wir Stopsignale setzen und deutlich Nein sagen können. In unseren Seminaren vermitteln wir Werkzeuge, wie wir freundlich und dennoch eindeutig kommunizieren können, ohne das Gesicht zu verlieren.
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