Kriegssprache 

 

Das ist nicht "humanitär"

Die Kriege in der Ukraine, im Irak, in Syrien und um Gaza werden auch mit verschleiernden Worten geführt, von allen Seiten. Die Wahrheit verschwindet dahinter.ZEIT
Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) auf einem Nato-Flugplatz in Schleswig-Holstein
Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) auf einem Nato-Flugplatz in Schleswig-Holstein  |  © Axel Heimken/dpa
Das erste Opfer im Krieg, heißt es, ist immer die Wahrheit. Mit ihr leidet auch die Sprache. Die Kriegsparteien verbiegen sie, um die Öffentlichkeit von ihrer Sicht der Dinge zu überzeugen. Das ist oft schwer zu durchschauen.
Auch wir Journalisten gewöhnen uns schnell an Begriffe und übernehmen sie oft, ohne ihren wirklichen Sinn zu hinterfragen. Militärische Wendungen und verschleiernde Formulierungen schleichen sich dadurch unbeabsichtigt in scheinbar objektive Berichte ein.
Das fängt schon damit an, ob wir den Krieg einen Krieg nennen, oder von einem Konflikt, einer militärischen Auseinandersetzung oder gar einer Krise sprechen und schreiben. Die Bundesregierung, egal welcher Couleur, hat sich lange geweigert, den Krieg in Afghanistan als solchen zu bezeichnen. Lieber malte der frühere Verteidigungsminister Peter Struck das Bild von der Freiheit, die die Bundeswehr am Hindukusch verteidige. Dass in jedem Krieg Menschen sterben, das ganze Landstriche zerstört und Gesellschaften oft für Jahrzehnte traumatisiert werden: Diese grausame Realität verschwindet hinter den vorgeblich hehren Zielen.
KOMMENTAR:


Die Medien schreiben häufig von der "Ukraine-Krise" oder dem "Gaza-Konflikt". Das böse Wort Krieg wird vermieden. Die medienkonsmenten haben den Eindruck, beide Situationen seien quasi aus sich selbst heraus entstanden, obschon es Verursacher und politische wie auch militärischen Akteure auf beiden Seiten gibt. Dabei führen in und um die Ukraine die Regierungen in Moskau (mithilfe der "Separatisten" oder wahlweise der "prorussischen Kämpfer" oder "großrussischen Patrioten") und Kiew (mit den USA, der Nato und der EU im Hintergrund) Krieg miteinander. Und um Gaza bekriegen sich palästinensische Radikale und der israelische Staat. 

Es lohnt sich die Wortwahl zu beachten:

Radikalislamischen IS-Krieger im Irak und in Syrien werden in westlichen Medien nur noch als "Terroristen" bezeichnet. Die kaum weniger grausamen Kämpfer der mit Al-Kaida verbündeten Al-Nusra-Front dagegen, genauso wie diverse andere sunnitische und schiitische Dschihadisten, heißen jetzt "Milizen", während die Kurden, selbst die der PKK, die vor Kurzem noch als "terroristisch" galt, plötzlich unsere Verbündeten sind. Auch damit sind jeweils Wertungen verbunden, die sich wandeln.
Die Hamas hingegen ist in israelischer und westlicher Mediendarstellung stets eine "Terrororganisation", aus palästinensischer und arabischer Sicht aber eine Befreiungsbewegung, die sich gegen Israel wehrt. Ähnlich ist es mit militärischen Begriffen: Was die eine Seite als "Angriff" nennt, bezeichnet die andere als "Vergeltungsaktion". Gerne nutzen die Kriegführenden auch scheinbar neutrale Formulierungen. Aus dem Bombardement durch Kriegsflugzeuge werden "Luftschläge", aus einem Vormarsch mit Panzern und Bodentruppen ein "Einsatz", aus dem Töten von tatsächlichen oder vermeintlichen Feinden und Zivilisten "Operationen".