Donnerstag, 24. Oktober 2013

Die Schweizer stösst Frauenrechtlerinnen sauer auf

Die  Ankündigung der Senderreihe "Die Schweizer" führte zu einem Medienwirbel.
Ich zitiere SRF:

Woher kommen wir? Wer sind wir? Wohin gehen wir?

Key Die Schweizer de (Vergrösserte Ansicht in neuem Fenster)

Im November 2013 thematisieren die Radio- und Fernsehprogramme der SRG Fragen zu Entstehung, Zustand und Zukunftsperspektiven der Schweiz und der Bewohnerinnen und Bewohner dieses Landes. In allen vier Regionen und Landessprachen erarbeiten Journalisten der SRG eine Vielfalt von unterhaltenden und informierenden Formaten. Aufklären, berichten und diskutieren: Ein breites Publikum ist via Online in den Themenmonat der SRG eingebunden.

Kernstück des Themenmonats sind vier Filme über ausgewählte Persönlichkeiten der Schweizer Geschichte, die Wendepunkte markieren:
Rund um diese Folgen der Reihe «Die Schweizer» lanciert die SRG im November einen nationalen Programmschwerpunkt zum Thema Schweizer Geschichte, Zustand der Schweiz, Aussichten und Perspektiven für die Schweiz. In den verschiedenen Sendegefässen der Information, Kultur und Unterhaltung am Radio, im Fernsehen und im Internet soll das Thema aufgegriffen und zum programmlichen Event gemacht werden.
Der Themenmonat ist Rück- und Vorschau, zeigt Gestern, Heute und Morgen, ist Information, Unterhaltung und Diskussion, ist Radio, Fernsehen und Multimedia.

Politikerinnen wie Anita Fetz, auch die Politologin Regula Stämpfli und viele Frauenrechtlerinnen wehrten sich in den Medien lautstark gegen die angeblich gezielte Ausklammerung von bekannten Frauenfiguren.

Die Begründung (Rechtfertigung) des Projektleiters interessierte mich. Entscheiden Sie selbst, ob seine Stellungnahme überzeugt.
Die Macher wehrten sich im Tagesanzeiger. Ich zitiere seine Antworten auf viele klritische Fragen:

«Frauen aufs Plakat zu heben, wäre Feigenblattpolitik»

 
Die SRG wirbt mit sechs Männern für ihre Dokufiktionen «Die Schweizer» – und muss deshalb viel Kritik einstecken. Mariano Tschuor, der das Projekt leitete, nimmt Stellung.
1/7 Sex, Drogen und Araberhengste: Abenteurerin Isabelle Eberhardt (1877–1904), hier auf einer Aufnahme von ca. 1900.
Bild: PD

   

«Wir mussten auch die verschiedenen Landesteile berücksichtigen», sagt Mariano Tschuor. (Bild: Bild SRG)

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Hat Sie die Aufregung um die fehlenden Frauen bei Ihrem Prestigeprojekt «Die Schweizer» überrascht?

Es handelt sich nicht um ein Prestigeobjekt sondern um ein publizistisches Angebot der SRG. In der Vehemenz hat es mich überrascht, nicht aber im Grundsatz, dass man diskutiert. Wir haben bei der Konzeption dieses Projektes diese Fragen ja auch intensiv in den Arbeitsgruppen diskutiert.

Was kam dabei heraus?

Dabei kam heraus, dass wir einen ganzen Themenmonat anbieten, dessen Programm sich im Unterschied zu den Dokufiktionen nicht nur auf die handelnden Personen des 14./15. und des 19. Jahrhunderts konzentriert, sondern den Bogen macht zur Frage: Woher kommen wir, wer sind wir, wohin gehen wir? Und dass die Frauen dort berücksichtigt werden. Sie müssen auch sehen: Das Projekt ist auch ein Gesamtangebot der SRG, der deutschen, italienischen, französischen und romanischen Schweiz, das im Radio, Fernsehen und Online stattfindet. Man muss das als Ganzes betrachten.

Reden wir trotzdem von den Dokufiktionen, mit denen Sie den Themenmonat bewerben. Ein Plakat mit sechs Männern transportiert auch eine symbolische Botschaft. Wenn bei Ihren Handlungssträngen auch Frauen vorkommen, warum hat man nicht wenigstens eine auf dem Plakat gezeigt?

Wir hätten natürlich Dorothee von Flüe zeigen können oder Alfred Eschers Tochter Lydia, aber das wäre nur eine Alibiübung gewesen und eine Feigenblattpolitik. Wir müssen dazu stehen, dass die handelnden Frauen in der Politik erst ab Ende des 19. Jahrhunderts eine Rolle in der Öffentlichkeit gespielt haben. Sicher hat das auch mit der Geschichtsschreibung zu tun. Aber die SRG hat nicht die Deutungshoheit über die Schweizer Geschichte.

Dann waren also Frau von Flüe und Frau Escher keine handelnden Personen?

Was heisst handeln? Im Sinne des wirkungsvollen politischen Handelns waren sie nicht Akteure, zumindest nicht in der Öffentlichkeit. Zum Plakat: Plakate sind ein Mittel der Kommunikation und des Marketings; da wird zugespitzt.

Vielleicht war es ja ein genialer Coup der Marketingabteilung, denn immerhin reden jetzt alle darüber. Aber was halten Sie davon, dass die Frauen in den Filmen zwar tatsächlich vorkommen, wenn auch erst in zweiter Reihe, aber das Plakat sie nicht berücksichtigt?

Wir betreiben hier keine Geschichtsfälschung. Ich kann nur wiederholen, dass wir in den vier Jahren, in denen wir über diesen Themenmonat geredet haben, zum Schluss kamen, uns auf die zwei genannten Perioden und die damals handelnden Personen zu fokussieren. Uns war klar, dass es in der Wahrnehmung der heutigen Öffentlichkeit tatsächlich zu Problemen kommen kann. Wir sagten uns: Wir machen das trotzdem.

Warum haben Sie denn gerade diese Epochen gewählt?

Weil diese massgeblich zur Entstehung der Eidgenossenschaft und des Bundesstaates geführt haben. Und auch, weil im 20./21. Jahrhundert schon viel Geschichte aufgearbeitet wurde, sowohl in Dokumentarfilmen wie auch in Spielfilmen.

Es hätte auch im 19. Jahrhundert Frauen gegeben, zum Beispiel Gertrude Kurz.

Wir machen hier eine SRG-Koproduktion. Wenn man mit einer solchen Gertrude Kurz zu den Welschen gegangen wäre und gesagt hätte, wir wollen einen Film über die machen, dann hätten die geantwortet: Wer soll das denn sein?

Dann gab es bezüglich der verschiedenen Landesteile also sehr wohl eine Quotenüberlegung, aber nicht bezüglich der Frauen, die ja eine Mehrheit im Land stellen.

Die SRG macht ihre Programme nicht nach einer Quotenregelung sondern nach journalistisch-publizistischen Ansätzen. Die Frauen werden berücksichtigt, wenn man das ganze Programm des Themenmonats anschaut - richtig ist aber auch: Nicht in den Dokufuktionen, weil wir dort die genannten Handlungsstränge und die Wendepunkte in der Schweizer Geschichte zeigen.

Man hört oft den Vorwurf, diese Diskussion sei eine Zwängerei. Finden Sie das auch?

Überhaupt nicht. Dass Frauen auf etwas hinweisen, was die Geschichte nicht aufgearbeitet hat, finde ich vollkommen in Ordnung.

Würden Sie es nochmals genau gleich machen?

Heute wissen wir, welche Diskussion wir mit unserer damaligen Entscheidung ausgelöst haben. Konzeptionell hätte man auch zwei andere Perioden auswählen können: eine in der Neuzeit und ein in der modernen Zeit. Dann hätten wir keine Mühen gehabt, Frauen als Protagonistinnen auszuwählen. Roger de Weck hat es einmal sehr schön formuliert: Das Mühselige Austarieren von unterschiedlichen Ansprüchen ist ein Schweizer Wert. Das war hier nicht anders.

 (Tagesanzeiger.ch/Newsnet)

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