Samstag, 26. Januar 2013

Steinhart reden wie Steinbrück oder weichgespült wie Merkel?

Es ist eine Kunst, die Balance zu finden zwischen ungefilterten oder weichgespülten Aussagen.  Wir empfehlen immer, Sachverhalte auf den Punkt zu bringen ohne das Gegenüber zu verletzen oder vor den Kopf zu stossen.

 



Ungefiltert reden wie Stolpersteinbrück


  oder

 Airbagrhetorik pflegen wie Merkel?


Diese Grundsatzfrage muss alle Politiker beschäftigen  




(Quelle DIE ZEIT)

Zur Rhetorik der Macht

  

Die Medien ärgern  derzeit  über Peer Steinbrücks ungefilterte Aussagen. Sollte er vielleicht lieber so weichgespült reden wie die Kanzlerin?
Der Kanzlerkanditat macht mit seinem ungeschickter Umgang mit den Medien ständig von sich reden. Stolpersteinbrück habe, wie der Spiegel in seiner aktuellen Titelgeschichte noch einmal herausstellt, »den Eindruck« erweckt, sich ein besseres Einkommen verschaffen zu wollen, da er in einem Interview auf das zu tiefe Kanzlergehalt  hingewiesen habe.  Störend ist es, dass er vielmehr stets das Gegenteil behauptet hatte, zum Beispiel im November in der Bild am Sonntag: »Meine Bewerbung um die Kanzlerkandidatur zeigt, dass mir dieses politische Engagement wichtiger ist als Geld. Denn sonst würde ich mehr verdienen, wie ja jetzt jedermann weiß.« Das weiß natürlich auch jeder politische Kommentator, genauso wie er allerdings auch weiß: Darauf kommt es gar nicht an. Es kommt nicht in erster Linie auf die Aussage selbst an, es kommt darauf an, ob sich aus der Aussage ein zweifelhafter Eindruck ableiten lässt, der zu einer öffentlichkeitswirksamen Erzählung taugt. Die Erzählung lautet: Ausgerechnet ein Kanzlerkandidat der SPD, der für seine Vorträge hohe Honorare kassierte, hinterlässt den Eindruck, sich über sein mögliches zukünftiges Gehalt zu beschweren. Nach Steinbrücks Vorgeschichte, so der Spiegel, »wirkte es seltsam«, dass Steinbrück auf das Kanzlergehalt zu sprechen gekommen sei. Seltsam ist allerdings auch, dass die seltsame Wirkung einer Aussage ein Politikum sein soll.
Genau besehen, lässt sich aus den Steinbrückschen Interviewsätzen vor allem ableiten, dass er sich den Medienmechanismus nicht zu eigen machen möchte, wonach schon der mögliche Eindruck, den eine Aussage hinterlässt, diese sogleich zu einer kritikwürdigen macht. Eine kluge Antwort im Pingpongspiel eines journalistischen Interviews ist heute eine tautologische oder möglichst selbstverständliche, aus der sich, wenn überhaupt, nur indirekt etwas ableiten lässt. In diesem Sinne kluge Antworten kennt man gut von der Bundeskanzlerin. Nur einige allzu typische Beispiele aus den vergangenen Monaten: Am 2. Mai beantwortete Angela Merkel in der Welt die Frage, welche Bedeutung die Landtagswahl in Schleswig-Holstein für sie und die CDU habe, folgendermaßen: »Jede Landtagswahl ist wichtig, weil sie darüber entscheidet, welche Politik in einem Bundesland zum Tragen kommt (...).« Am 3. Mai wurde sie von der Hamburger Morgenpost gefragt, ob sie zur Fußballeuropameisterschaft in die Ukraine fahre: »Ich habe noch keine Reisepläne zu Spielen der EM gemacht, weder nach Polen noch in die Ukraine, so etwas entscheide ich immer kurzfristig (...).« Am 2. Dezember wurde sie in der Bild am Sonntag gefragt, welche Position die Union zur steuerlichen Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare mit Eheleuten habe: »Der Parteitag ist der richtige Ort für eine solche Entscheidung (...).« Wie ernst nimmt sie ihren Herausforderer Peer Steinbrück? »Ich habe immer jeden meiner Konkurrenten und Herausforderer ernst genommen und respektiert (...).«
In Angela Merkels Interviewantworten wird entweder auf ein zuständiges Gremium verwiesen (»Parteitag«), die Fragestellung bis zur Unkenntlichkeit ins Allgemeine verschoben (»Jede Landtagswahl ist wichtig...«, »Ich habe immer jeden meiner Konkurrenten...«), oder aber die Frage wird als noch gar nicht beantwortbar deklariert, da eine Entscheidung noch aussteht: »Ich habe noch keine Reisepläne...« Es gehört übrigens zum guten Ton der Medienkritik, derlei Politikeraussagen zu beanstanden – als zu glatt, zu strategisch, zu unauthentisch (das sei bei Wehner, Brandt, Kohl noch ganz anders gewesen und so weiter), was natürlich zu kurz greift: Bis zu einem gewissen Grad bleibt Politikern gar nichts anderes übrig, als ihre Botschaften formelhaft zu wiederholen, damit sie auch durchdringen.
Nun folgen Steinbrücks Interviewantworten keineswegs der gewohnten politischen Kommunikationsstrategie, sie meiden irritierenderweise die Trias aus Ablenkung (»Parteitag«), Verallgemeinerung (»Jede Landtagswahl«) und Verschiebung (»Reisepläne«). »Zählt Nähe zu den Menschen zu Ihren Stärken?«, wurde Peer Steinbrück am 8. Dezember in der Süddeutschen Zeitung gefragt. Antwort: »Ich bin offen, biedere mich aber nicht an. Ich rede auch im Alltag so, wie mir der Schnabel gewachsen ist.« Die Bild am Sonntag fragte ihn am 25. November: »Sie haben Angela Merkel aufgefordert, den Deutschen in Sachen Griechenland endlich die Wahrheit zu sagen. Was ist die volle Wahrheit?« Antwort Steinbrück: »Wir Deutsche müssen Opfer bringen für den Zusammenhalt Europas. Wir sind längst in einer Haftungsunion. Griechenland wird in den nächsten acht Jahren nicht auf die Kapitalmärkte zurückkehren und braucht daher Brücken. Für diese Brücken müssen wir sorgen, und das kostet Geld.« Im selben Interview wird Steinbrück nach der Agenda 2010 gefragt. Seine Antwort ist zweifellos auch hier unglatt und unstrategisch: »Es gab Fehler, auch von mir persönlich. Die Besteuerung der Kapitaleinkünfte ist bis heute zu niedrig (...) wir haben an manchen Stellschrauben, etwa der Leiharbeit, zu stark gedreht.« Am 19. Dezember wurde er im ZEIT-Interview gefragt: »Ist das Ihr Trick, dass Sie wirklich etwas sagen, wenn Sie etwas sagen?« Und er antwortet: »Das ist kein Trick. Dieses Geschwafel passt einfach nicht zu mir.«
Journalisten beklagen sowohl politische Nullaussagen als auch unkluge Antworten.

 Unkluge Antworten sind in der Regel konkrete Antworten auf konkrete Fragen. In einer stark regulierten Medienwelt mit all ihren Eigengesetzlichkeiten wiegen unkluge Antworten schwerer als »Geschwafel«. In Interviews, die von einem Beraterstab im Zuge der Autorisierung nach Anrüchigem oder Angreifbarem panisch durchforstet werden, sind inhaltliche Fauxpas offenbar so selten geworden, dass zur Skandalerzeugung vorzugsweise die Form herhalten muss, also der Eindruck, den eine Aussage auch nur erzeugen könnte (oder, siehe Wulff, der Lebensstil – auch eine Formfrage). Zur Lösung des Formproblems des Kandidaten wird deshalb dringend eine bessere Formberatung anempfohlen: Warum, so wird gefragt, hat Steinbrücks Sprecher die Sätze nicht einfach herausgestrichen? Das Politische ist zusammengeschrumpft auf die desillusionierende Frage, ob die Kommunikations- und Imageberater auch klug genug sind. Die Falle, die sich bei Interviews auftut, folgt dabei der Logik des Doublebinds: Sowohl die unkonkrete Beantwortung einer Frage ist unbefriedigend als auch die konkrete. Aber nur Letztere hat das Potenzial zum großen Aufreger. Vor allem natürlich dann, wenn es der Befragte auf undisziplinierte und zu Recht als unprofessionell kritisierte Grenzüberschreitungen der Rezeptionsgewohnheiten von Interviews anlegt wie Steinbrück, der damit kokettiert, zu reden, wie ihm »der Schnabel gewachsen ist«.

Verschoben hat sich die Sensibilität für Verfehlungen

Da eine kluge Kommunikationsstrategie derzeit zum Hauptmerkmal von politischen Prozessen gemacht wird, kommt es nämlich darauf an, konkrete Antworten und Aussagen nur noch mit äußerstem Bedacht zu wählen. Weil es, wie der Soziologe Niklas Luhmann Ende der achtziger Jahre entwaffnend schlicht formuliert hat, eine Asymmetrie im Verhältnis von Reden und Schweigen gibt, gilt stets die Regel: »Wer schweigt, kann immer noch reden. Wer dagegen geredet hat, kann darüber nicht mehr schweigen.« Im Stadium des Anwärters auf das Kanzleramt über das Gehalt des Kanzlers zu räsonieren erwies sich als zeitlich unpassend, wie die ZEIT bereits in der vergangenen Woche anmerkte.
In der heutigen Gesellschaft, so Luhmann, sind gesellschaftliche Prozesse nur als Kommunikation möglich. Jede Beobachtung setzt sich dabei selbst der Beobachtung aus (es gibt keine »unbeobachtbaren Beobachter« mehr wie einst die religiös legitimierten und gottähnlichen Politiker). Damit wird das Beobachten des Beobachters zum »Normalmodus gesellschaftlichen Prozessierens, und damit läuft zugleich die Kommunikation der Kommunikation aus dem Ruder«. Luhmann fügte ein seinerzeit populäres Beispiel an, ein berühmtes Interview mit Helmut Kohl: »Kohl hatte beobachtet, daß Gorbatschow wie Goebbels ein Meister in der Behandlung der öffentlichen Meinung ist. Die Beobachtung dieser Beobachtung führt dann aber zu dem Schluß, daß Kohl kein solcher Meister ist.«
Der klaustrophobische Befund, den Luhmann seinerzeit für die politische Kommunikation implizit erhob, gilt offenkundig noch heute:

Entweder riskieren Politiker, dass Kommunikation »aus dem Ruder« läuft, oder aber sie richten sich in der Trias aus Ablenkung, Verallgemeinerung und Verschiebung ein. Beobachtbar ist bei letzterem Verfahren die kluge Kommunikation mit Journalisten, da geschwiegen statt geredet wird (auch Nullaussagen sind eine Form des Schweigens). Und Dummheit, falls sich jemand dieser Strategie nicht unterwirft.

Verschoben hat sich allerdings seit Luhmanns Beobachtungen offenkundig die Sensibilität für Verfehlungen. Womöglich galt vor wenigen Jahrzehnten tatsächlich noch als Nullaussage (»Kanzlergehalt«), was heute zum Politikum taugt. Das aber würde über den Zustand der Medien, die sich derzeit wirtschaftlichem Druck und einer verschärften Aufmerksamkeitskonkurrenz ausgesetzt sehen, mehr aussagen als über das politische Personal. Dass sich die Medien in Zukunft selbst kritischer beobachten, dürfte allerdings als ziemlich unklug gelten und damit unwahrscheinlich sein.

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