Die Stichworte "Männerwitze" und "Aufschrei" lösen eine Medienlawine los
Die Zeiten, als das Tragen eines Minirockes noch als Aufforderung zum Grabschen interpretieren durfte, scheinen noch nicht überwunden. Die Jauch Diskussion verdeutlichte, dass immer noch nicht geklärt ist, was Sexismus ist. Als Jauch die Rolle tauschen wollte und erzählte, dass ihn eine Frau ebenfalls auf seine Kravatte angesprochen hatte und sagte, diese sei bei ihm Penisersatz, habe dies erstaunlicherweise keinen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Alice Schwarzer überdeckte diese Aussage sofort mit einem Redeschwall, als habe Jauch etwas angesprochen, über das man in dieser Runde nicht sprechen dürfte.
"Wer Rainer Brüderle kennt, kennt seine saloppe Ausdrucksweise"
Die korrekte Antwort kam - ausgerechnet - von Brüderles Parteigenossin Silvana Koch-Mehrin: "Es geht ja nicht darum, möglichst schlagfertig und wehrfähig zu sein, damit man die Kampfansage 'Ich setz mich durch als Frau' auch wahrmachen kann." Die FDP-Politikerin - die nach ihrem angekündigten Ausstieg aus dem EU-Parlament und dem Verlust ihres Doktortitels politisch nicht mehr viel zu verlieren hat - verteidigte den Artikel im "Stern" und konnte über den Fraktionsvorsitzenden der Liberalen nur sagen: "Wer Rainer Brüderle kennt, kennt seine saloppe Ausdrucksweise." Soll wohl heißen: Wurde höchste Zeit, dass der mal einen Dämpfer bekommt.
Dass Sprüche wie die, die "Stern"-Reporterin Himmelreich von Brüderle zu hören bekam, zum beruflichen und gesellschaftlichen Alltag gehören: Diese Erkenntnis wird erneut zum Politikum, getragen von Frauen wie der Netzaktivistin Anne Wizorek. Die saß bei Jauch, um von dem rasanten Aufstieg ihres Hashtags #aufschrei zu berichten, unter dem Frauen ihre Erfahrungen mit dummen Sprüchen und zudringlichen Chefs oder Kollegen twittern.
Obwohl es wirklich wünschenswert wäre, wenn es dem deutschen Talkshowzirkus einmal gelänge, eine andere Emanzipations-Vorkämpferin als Alice Schwarzer einzuladen: Am Sonntagabend schaffte es die "Emma"-Chefin, die Blitzrenaissance des Feminismus nonchalant auf den Punkt zu bringen. Es handele sich halt um eine Generation von Frauen, die sich emanzipiert glaubten, karriereorientiert seien, dabei "immer schön Frau" bleiben wollten - und die sich jetzt wunderten, dass die Kerls ihnen trotz Qualifikation keine Fachfragen stellten. Der alltägliche Sexismus sei nun mal auch ein Kampfinstrument gegen zunehmende weibliche Ansprüche auf Führungspositionen. "Jede Frau in einer verantwortlichen Position ist ein Mann weniger", so Schwarzer. (Ende Zitat)
Umgekehrt gab es Dozenten, die ihre Machtposition ausgenützt hatten und sich Studentinnen gefügig machen konnten. Ich kenne eine Universität, die den Vorgesetzen empfahl, immer eine Drittperson bei zu ziehen, wenn sie mit einer Frau etwas allein besprechen wollten. Es gibt Frauen in höherer Position, die ständig in einer Männerwelt (Polizei, Armee usw.) leben, und mir erzählten, dass es sich lohne, im Alltag nicht allzu empfindlich zu reagieren. Trotzdem müssten Frauen klare Grenzen ziehen und STOP Signale aussenden. Ich bin überzeugt davon: Die Flutwelle an Echos im Netz schwappte deshalb über, weil viele Frauen solche Grenzerfahrungen gemacht haben und es auch für Männer sehr schwer ist, bei lockerem Zusammensein auf Komplimente zu verzichten. Sie sind verunsichert, weil sie nicht wissen, was als sexuelle Belästigung empfunden werden könnte.
FAZIT: Das richtige Mass an Nähe und Distanz zu finden, war, ist und bleibt ein grosses Problem. Dafür gibt es keine Lehrbücher. Oft ist erst anstössig und die Sache wird dann ernst, wenn Macht im Spiel ist. Das Thema Sexismus wird uns noch lange beschäftigen, jedenfalls so lange es unterschiedliche Geschlechter gibt. Ich finde es wichtig und wertvoll, dass die Frage der Grenzziehung laufend diskutiert wird und immer neu abgesteckt wird.
Nachtrag.
Mamablog-Redaktion am Mittwoch den 30. Januar 2013
Wieder nur Täter?
Ein Gastblog von Walter Hollstein*.ging es um die Frage, ob Deutschland
ein Sexismus-Problem hat. Günther Jauch,
der Moderator, wies Alice Schwarzer darauf hin,
dass sie ihm mal in einer Talkrunde gesagt habe,
seine Krawatte sei auch nur ein Penisersatz.
Schwarzer überhörte das. Jauch wurde
grundsätzlicher und meinte, wenn er
Vergleichbares zu einer Frau gesagt hätte,
wäre das sexistisch gewesen.
Schwarzer ignorierte ihn erneut.
Das ist typisch für die gegenwärtige Debatte. Sexismus wird nur auf Frauen als Opfer bezogen; die Täter sind ausschliesslich Männer. Damit kein Missverständnis entsteht: Sexismus ist widerwärtig, und es ist gut, dass es darüber eine öffentliche Diskussion gibt. Aber: Sexismus gibt es eben so sehr gegen Männer. Wenn z. B. Marilyn French in ihrem millionenfach verkauften Roman «Frauen» in die Welt schaut, erblickt sie «verrottete Männer» und « grossartige Frauen». Bereits diese Dichotomie ist sexistisch. Es geht aber noch weiter: Männer sind für French allesamt Nazis, die als Unterdrücker und Widerlinge nichts anderes als den Tod verdienen.
«Was ist ein Mann in Salzsäure?», fragt Schwarzers «Emma» und antwortet lakonisch: «Ein gelöstes Problem.» Das war – nur en passant – in der nationalsozialistischen Epoche ein Judenwitz. Als in den USA Lorena Bobbit ihren Gatten – einen offenbar notorischen Ehebrecher – im Schlaf mit einem Messer entmannte, kommentierte Alice Schwarzer, dass Lorena Bobbit «ihren Mann entwaffnet» habe. «Eine hat es getan. Jetzt könnte es jede tun. Der Damm ist gebrochen, Gewalt ist für Frauen kein Tabu mehr. Es kann zurückgeschlagen werden. Oder gestochen.»
Das ist von gestern, aber heutzutage ist es nicht besser: Sybille Berg bezeichnet in ihrem Stück «Missionen der Schönheit» alle Männer als «Schweine». Acht Frauen erzählen, wie sehr sie unter den Männern gelitten haben und was diesen also dafür gebührt. Strafen sind z. B., dass ihnen die Kehle durchschnitten werden soll oder fesseln und verhungern lassen, «die Eier abschneiden». Am 11. Februar 2012 schreibt Berg in der Wiener «Presse»: «Männer sind eben so. Sie müssen sich vermehren, das ist ihr Job. Egal, ob hetero- oder homosexuell, da muss immer was gehen, da müssen Pornos geschaut werden, Prostituierte gekauft, da muss gefummelt und einer weggesteckt werden». Im April 2012 ergänzt sie ihre Welt- und Geschlechtersicht in einer «Spiegel Online»-Kolumne: «In der Welt der Männer langt es vermutlich, das Kinn nach vorne zu schieben, den Gegner beiseite zu walzen, nicht zuzuhören, keine Rücksicht auf Verluste.»
Die amerikanischen Wissenschaftler Katherine A. Young und Paul Nathanson haben in ihrer Untersuchung «Spreading Misandry» minutiös belegt, wie die moderne Populärkultur unter dem feministischen Einfluss vor allem im Fernsehen, im Film und in der Massenliteratur «die Verachtung gegenüber Männern» propagiert. «Male bashing» nennt man das in den USA. Die preisgekrönte amerikanische Journalistin Kathleen Parker beschreibt in ihrem neuen Buch «Save the Males», wie verbales Eindreschen auf Männer inzwischen nachgerade zum Volkssport geworden ist.
Das muss Mann nicht auf sich sitzen lassen. Kritik ist selbstverständlich berechtigt, wenn es um männliche Vergehen und Fehler geht. Doch kein Mann muss sich, weil er nun mal eben Mann ist, als Vergewaltiger, Idiot oder Missgeburt der Natur beschimpfen lassen. Da ist Widerstand eine Frage der männlichen Selbstachtung. Auch Empörung, Wut und Korrektur sind mehr als berechtigt, und angesichts der Hasstiraden des ideologischen Feminismus ist es eigentlich befremdlich, dass sie auf Männerseite so moderat ausfallen. Nehmen wir uns ein Beispiel an den Frauen.
Im Grunde genommen wäre es ja ganz einfach: Es geht um Anstand und Respekt. Was man selber nicht angetan bekommen möchte, sollten wir auch nicht anderen antun. Nur eben: Das gilt für beide Geschlechter. Und zwar: gleichermassen.
*Walter Hollstein ist em. Prof. für politische Soziologie, Gutachter des Europarates für Männerfragen und Autor von «Was vom Manne übrig blieb. Das missachtete Geschlecht» (Verlag Opus Magnum 2012).
Bei den Medien kommt es zu einer Eigendynamik, zu einem Dominoeffekt Print, Radio und TV müssen das Medienphänomen beackern. Bei Anne Will wurde bereits die Frage gestellt: Ist dieser Medienwirbel Hysterie oder eine hilfreiche Diskussion?
Aus meiner Sicht kommt es zu einem unerfreulichen Geschlechterkampf. Anstatt Brücken zu bauen, erfolgen Schuldzuweisungen. Die guten Frauen und die bösen Männer oder umgekehrt. Statt der Frage nachzugehen, wie man sich näher kommen könnte. Was viele nicht wussten: Brüderlis anzügliche Bemerkung liegt ein Jahr zurück. Die FDP vermutet, dass der entfachte Medienhype etwas mit den Wahlen zu tun haben könnte.
Die Leserinnen und Leser werden während der Faschingszeit die Welt nicht mehr verstehen, wenn sie am Fernsehen die sexistischen Witze anhören müssen, die während der kommenden Wochen auf allen Kanälen - einfach so - geduldet werden. Ich prognostiziere: Trotz der Diskussionen in den Medien, wird es keine Klagen geben.
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