PHRASENDRESCHER
(Quelle Spiegel-online)
Die Kauderwelsch-Könige
Venture-Capital-Tochtergesellschaft, Multi-Channel-Strategie oder
diversifizierte Industriekonzepte: Wenn die Dax-Vorstandschefs den
Aktionären ihre Arbeit erklären, scheitert das meist am wichtigen
Handwerkszeug - einer klaren Sprache. Die Mehrheit der Reden auf den
Hauptversammlungen ist unverständlich und ermuntert zum Weghören, wie
eine aktuelle Studie der Uni Hohenheim zeigt.
Allerdings gibt es eine rühmliche Ausnahme: Telekom-Chef René Obermann
könnte den Chefs der übrigen Dax-Konzerne im Fach Redenhalten Nachhilfe
geben. Kein Vorstandsvorsitzender bei den deutschen
Börsenschwergewichten spricht so gut Klartext wie er - das geht
zumindest aus der Analyse der Kommunikationsforscher hervor. Sie haben
die Reden der Dax-Bosse untersucht, die diese im Frühjahr auf den
Hauptversammlungen gehalten haben.
Diese Reden zählen zu den wichtigsten Terminen im Arbeitsleben der
Vorstandsvorsitzenden. Idealerweise sollen sie darin den Anteilseignern
Rechenschaft ablegen über ihre Arbeit im abgelaufenen Jahr, neue
strategische Weichenstellungen begründen und die künftigen Ziele
erklären. Vergleichbar sind diese Reden zum Beispiel mit den
Regierungserklärungen von Bundeskanzlern und Ministern.
Die meisten Manager müssten nachsitzen
Dieser großen Bedeutung werden die meisten Chefs der Untersuchung zufolge aber nicht gerecht, denn sie sprechen viel Kauderwelsch statt Klartext. Bei der sprachlichen Verständlichkeit ihrer Reden bekommen die Top-Manager fast nur miese Noten: Auf einer Skala von 0 - das wäre in etwa so verständlich wie eine Doktorarbeit - bis 10 - das wäre so gut zu verstehen wie Radio-Nachrichten - erreichen die 30 Vorstände im Schnitt nur die Note 3,8. Rede-Primus Obermann dagegen bekommt eine gute 7,2.
Das Klassenziel völlig verfehlt hat Wolfgang Reitzle, Chef des Gasherstellers Linde: Er hat die Note 1,0 am fast untersten Ende der Skala. Dabei ist er Honorarprofessor in München - sollte also eigentlich ein Gespür dafür haben, wie Gesagtes beim Publikum am besten hängenbleibt. Reitzle müsste zusammen nachsitzen mit Ulf M. Schneider vom Medizintechniker Fresenius SE (1,1) und Olaf Koch vom Handelskonzern Metro (1,3).
Reto Francioni hatte den längsten Bandwurmsatz
Pikant: Während man Schneider als Finanzfachmann sein Kauderwelsch vielleicht noch nachsehen kann, ist Koch unter anderem ausgerechnet für Kommunikation verantwortlich. Am anderen Ende der Skala könnte dagegen zusammen mit Obermann am ehesten noch BMW-Chef Norbert Reithofer (6,5) den Kollegen zeigen, wie's geht.
Spektakulär ist allerdings das Wortgebilde, das der Chef der Deutschen Börse in seine Hauptversammlungsrede einbaute. Reto Francioni hat damit im Vergleich aller 30 Dax-Bosse den längsten Satz gesprochen. Auf dem langen Weg bis zum Punkt musste er dabei wohl mehrmals nach Luft schnappen. In seiner ganzen Pracht lautet der Satz - einschließlich grammatikalischem Fehler - wie folgt:
"Hätten wir die Chance[n], die sich aus der industriellen Logik und den vielen Vorteilen für die Kapitalmärkte ergeben hätten und die von Ihnen nachvollzogen wurden und zu einer überragenden Akzeptanz des Zusammenschlussvorhabens von über 97 Prozent geführt haben, nicht zu nutzen versucht, hätten wir eine großartige Gelegenheit in Ihrem Interesse und im besten Interesse der Gesellschaft zur - in der Verantwortung des Vorstands liegenden - Fortentwicklung unseres Unternehmens verstreichen lassen."
Die stolze Bilanz dieses Bandwurmsatzes: 68 Wörter und rund 500 Zeichen.
Die Mühen der Satzebene
Forscher in der Sprach- und Kommunikationswissenschaft nutzen Computerprogramme für Auswertungen wie der Redenanalyse der Uni Hohenheim. Mit dieser Hilfe lassen sich auch Feinheiten wie etwa das Geizen mit Verben ermitteln, was die Lebendigkeit von Texten meist einschränkt. Beispiel vom Linde-Chef: "Unter Punkt acht der heutigen Tagesordnung legen wir Ihnen die Schaffung eines Bedingten Kapitals zur Ausgabe von Bezugsrechten an Mitglieder des Vorstands, an Mitglieder von Geschäftsleitungsorganen verbundener Unternehmen im In- und Ausland sowie an ausgewählte Führungskräfte unseres Konzerns im Rahmen eines sogenannten Long Term Incentive Plans 2012 vor."
Nicht nur die absolute Länge eines Satzes entscheidet übrigens über seine Verständlichkeit, sondern auch der innere Aufbau. Die Uni Hohenheim untersucht daher auch die jeweilige Satzteillänge.
Zur Ehrenrettung muss gesagt werden, dass die Chefs ihre Reden in aller
Regel nicht selbst schreiben, sondern geschrieben bekommen und meist
nur kleine eigene Korrekturen vornehmen. Auch eine andere Einschränkung
gibt es: Die Studie untersucht nur formale Kriterien im Text. Weitere
Aspekte wie Inhalt, Aufbau der Themen und der Vortragsstil mit Sprache,
Mimik und Gestik bleiben außen vor.
Die meisten Manager müssten nachsitzen
Dieser großen Bedeutung werden die meisten Chefs der Untersuchung zufolge aber nicht gerecht, denn sie sprechen viel Kauderwelsch statt Klartext. Bei der sprachlichen Verständlichkeit ihrer Reden bekommen die Top-Manager fast nur miese Noten: Auf einer Skala von 0 - das wäre in etwa so verständlich wie eine Doktorarbeit - bis 10 - das wäre so gut zu verstehen wie Radio-Nachrichten - erreichen die 30 Vorstände im Schnitt nur die Note 3,8. Rede-Primus Obermann dagegen bekommt eine gute 7,2.
Das Klassenziel völlig verfehlt hat Wolfgang Reitzle, Chef des Gasherstellers Linde: Er hat die Note 1,0 am fast untersten Ende der Skala. Dabei ist er Honorarprofessor in München - sollte also eigentlich ein Gespür dafür haben, wie Gesagtes beim Publikum am besten hängenbleibt. Reitzle müsste zusammen nachsitzen mit Ulf M. Schneider vom Medizintechniker Fresenius SE (1,1) und Olaf Koch vom Handelskonzern Metro (1,3).
Reto Francioni hatte den längsten Bandwurmsatz
Pikant: Während man Schneider als Finanzfachmann sein Kauderwelsch vielleicht noch nachsehen kann, ist Koch unter anderem ausgerechnet für Kommunikation verantwortlich. Am anderen Ende der Skala könnte dagegen zusammen mit Obermann am ehesten noch BMW-Chef Norbert Reithofer (6,5) den Kollegen zeigen, wie's geht.
Spektakulär ist allerdings das Wortgebilde, das der Chef der Deutschen Börse in seine Hauptversammlungsrede einbaute. Reto Francioni hat damit im Vergleich aller 30 Dax-Bosse den längsten Satz gesprochen. Auf dem langen Weg bis zum Punkt musste er dabei wohl mehrmals nach Luft schnappen. In seiner ganzen Pracht lautet der Satz - einschließlich grammatikalischem Fehler - wie folgt:
"Hätten wir die Chance[n], die sich aus der industriellen Logik und den vielen Vorteilen für die Kapitalmärkte ergeben hätten und die von Ihnen nachvollzogen wurden und zu einer überragenden Akzeptanz des Zusammenschlussvorhabens von über 97 Prozent geführt haben, nicht zu nutzen versucht, hätten wir eine großartige Gelegenheit in Ihrem Interesse und im besten Interesse der Gesellschaft zur - in der Verantwortung des Vorstands liegenden - Fortentwicklung unseres Unternehmens verstreichen lassen."
Die stolze Bilanz dieses Bandwurmsatzes: 68 Wörter und rund 500 Zeichen.
Die Mühen der Satzebene
Forscher in der Sprach- und Kommunikationswissenschaft nutzen Computerprogramme für Auswertungen wie der Redenanalyse der Uni Hohenheim. Mit dieser Hilfe lassen sich auch Feinheiten wie etwa das Geizen mit Verben ermitteln, was die Lebendigkeit von Texten meist einschränkt. Beispiel vom Linde-Chef: "Unter Punkt acht der heutigen Tagesordnung legen wir Ihnen die Schaffung eines Bedingten Kapitals zur Ausgabe von Bezugsrechten an Mitglieder des Vorstands, an Mitglieder von Geschäftsleitungsorganen verbundener Unternehmen im In- und Ausland sowie an ausgewählte Führungskräfte unseres Konzerns im Rahmen eines sogenannten Long Term Incentive Plans 2012 vor."
Nicht nur die absolute Länge eines Satzes entscheidet übrigens über seine Verständlichkeit, sondern auch der innere Aufbau. Die Uni Hohenheim untersucht daher auch die jeweilige Satzteillänge.
Auch branchentypische Gepflogenheiten spielen eine Rolle, sagt der Hohenheimer Kommunikationswissenschaftler Frank Brettschneider, Initiator der Studie. "Auffällig ist, dass die Automobilisten alle weit vorne liegen." Wenn die Zielgruppe das Endkundengeschäft sei - etwa Autos oder Telekommunikation -, falle es leichter, Dinge sprachlich greifbar zu machen. Dennoch seien verständliche Reden immer möglich.
Entscheidend sei auch, wie gut sich Redenschreiber und Vorstand gegen die Vorstellungen der Fachabteilungen und Juristen durchsetzen.
"Man kann aber auch rechtssichere und fachlich korrekte Texte gut verständlich formulieren", so Brettschneider. Und die Fachwelt wisse es aller Erfahrung nach ebenso zu schätzen, wenn jemand zur Abwechslung einmal Branchenkauderwelsch durch alltagstaugliche Begriffe ersetze.
KOMMENTAR: Es gibt ein paar wichtige Bausteine, damit eine Fachperson einfach und verständlich reden kann. Ein kurzes Coaching bei K+K lohnt sich. Wir beraten Sie gerne.
LINKS:
Quasseln, Reden und nichts Sagen, Reden mit leeren Phrasen und Worthuelsen .
www.rhetorik.ch/Quasseln/Quasseln.html
Aktuell Artikel · Artikel Inhaltsverzeichnis, Suche in Rhetorik.ch: ... mit hohlen Worthülsen. Sehen Sie auch die Beiträge über Quasseln und Airbagrhetorik.
www.rhetorik.ch/Hohl/Hohl.html
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19. Apr. 2012 ... Komplizierte Sprache. Rhetorik.ch Artikel zum Thema: Aktuell wortwirkung · Hohle Sprache · Quasseln · Airbag rhetorik. Eine Studentin erzählt ...
www.rhetorik.ch/Aktuell/12/04_19/index.html
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16. März 2009 ... Und solange alle Medien Phrasendreschern gerne Plattformen gibt während die Anti-Phrasendrescher auf sich selber konzentriert sind statt ...
www.rhetorik.ch/Aktuell/09/03_16/index.html
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