Samstag, 25. Februar 2012

Merkel fürchtet mit Gauck, im Schatten einer charismatischen Figur  stehen zu müssen


Die Machtfrau Merkel hatte es immer wieder verstanden, Konkurrenten auszuschalten, weg zu befördern, damit ihr niemand gefährlich werden konnte. (Merz usw.).  Joachim Gauck könnte ihr nun zu mächtig werden. Das geht Merkel gegen den Strich.

 

Gauck und Merkel - ein Duell?

Spätestens seit ihrer Niederlage im Nominierungspoker ahnt Angela Merkel, dass Joachim Gauck ein sehr mächtiger Präsident werden könnte.
Joachim Gauck und Angela Merkel

Joachim Gauck und Angela Merkel

Es war nicht immer so, dass Angela Merkel mit der Kür ihrer Präsidenten Pech hatte. Im Frühjahr 2004 etwa servierte sie in einem bravourösen Coup alle möglichen Kandidaten ab, um Horst Köhler durchzusetzen. Es war der Triumph einer bis dahin umstrittenen Oppositionsführerin, ein Vorschein auf ihre Kanzlerschaft.


Am Sonntagabend lief es für Angela Merkel ganz anders: verheerend schlecht. Nominiert wurde diesmal – gegen den Willen der mächtigsten Frau im Land – der Kandidat aller anderen. Bis zum Schluss stemmte sich die Kanzlerin gegen Joachim Gauck. Vergeblich. Es ist die sichtbarste und härteste Niederlage ihrer Amtszeit.



Wie konnte Merkels Entschluss, den Bürgerrechtler zu verhindern, so übermächtig werden, dass er am Ende sogar ihre angestammte Rolle einer stets vorsichtigen Verhandlerin sprengte? Und wie konnte Merkel entgehen, dass ihr chronisch schwacher Koalitionspartner diesmal entschlossen war, nicht schon wieder zu kapitulieren?


Die Kanzlerin hat nicht nur den Kampf um den Bundespräsidenten verloren. Sie hat ihn so offen und rückhaltlos geführt, dass alle nun ihre Niederlage bestaunen. Ganz nebenbei hat sie damit auch noch überdeutlich gemacht, wie sie zum künftig ersten Mann im Staate steht: eher ablehnend.
Der naheliegendste Grund dafür war schon zu Beginn der Verhandlungen zu hören: Angela Merkel hatte mit Wulff ihren zweiten Präsidenten verloren. Nun wollte sie auf keinen Fall auch noch den rot-grünen Kandidaten akzeptieren, den sie vor eineinhalb Jahren so mühsam verhindert hatte. Doch das klingt nur nachtragend. Es erklärt nicht, warum sich die Kanzlerin und ihre Parteifreunde ausgerechnet dafür verkämpften, einen populären, protestantisch-wertkonservativen Bürgerrechtler mit Rückgrat und Ausstrahlung vom Bellevue fernzuhalten.


Die Argumente, die man dazu jetzt aus der Union zu hören bekommt, klingen vorgeschoben. Gauck, so heißt es, sei »monothematisch«. Man habe Zweifel, ob er außer zur Freiheit auch etwas zum Sozialstaat zu sagen habe, zu den Finanzmärkten, zu Europa und ob es ihm gelingen könne, Verbindung zur Jugend herzustellen. Überall sieht man in der Union Fragezeichen, die einfach nicht kleiner werden wollen. Es scheint, als suche man bei den Christdemokraten händeringend nach ein paar vorzeigbaren Argumenten, warum Merkel ihre ganze Macht darauf verwenden musste, Gaucks Kandidatur zu torpedieren.


Schon bei seinem ersten Versuch vor eineinhalb Jahren hatte Gauck die Kanzlerin mit seiner Popularität, seiner Verve, seiner blendenden Rhetorik an den Rand einer Niederlage gebracht. Drei Wahlgänge hatte er der schwarz-gelben Mehrheit in der Bundesversammlung aufgenötigt, bis es für Christian Wulff reichte. Eine Erklärung für Merkels hartnäckigen Widerstand könnte darin liegen, dass sie Gauck das Beinahe-Desaster von 2010 nicht vergessen hat. Gerade im Vergleich mit dem ostdeutschen Charismatiker war die Blässe von Merkels Kandidat so deutlich hervorgetreten. Und ein wenig auch die schwache Seite der Kanzlerin selbst. Ihr Mangel an Ausstrahlung, ihre wenig mitreißende Rhetorik, ihre normative Schwäche – die Kehrseite dessen, was an ihr gemeinhin geschätzt wird: ihre nüchterne Rationalität, ihr beharrliches Engagement, ihr ideologieferner Pragmatismus.

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