RTL Dschungelcamp als Quotenrenner
Madenbäder, Käferverzehr, Schleimschlucken bannt immer mehr Zuschauer vor die Bildschirme. Wir fragen uns:
Kulturzerfall oder normale Neugierde an Aussergewöhnlichem?
Eine Nachlese:
"Das Dschungelcamp" ein Phänomen, das viele Fragen offen lässt.
Allabendlich glotzten Millionen, wie sich zweitrangige Promis durch den australische Dschungel kämpfen. Obschon die dekadente RTL Sendung als würdelos und menschenverachtend kritisiert wird, steigen die Einschaltquoten von Jahr zu Jahr. Der erfolgreiche Mix von Ekel, Voyeurismus, Schadenfreude, Sex, Promis und verhaltenspsychologischen Elementen wird zunehmend auch von Intellektuellen konsumiert.
Die Medienwächter, die in dieser Sendung einen Wertezerfall gesehen haben und sich fragten, wie weit dieser Spiegel unserer dekadenten Gesellschaft noch hinführen könnte, sind stiller geworden. Der Erfolg scheint den TV- Machern Aufwind zu geben.
Kurt Felix weist in seiner Medienkritik im "Persönlich- online" darauf hin, dass sich das Schweizer Fernsehen so eine derartige Trash-Sendung gar nicht leisten könnte. Die Produktionskosten wären viel zu hoch für unser Land.
Kurt Felix hat schon vor einigen Jahren nach der ersten Ausstrahlung im Sonntagsblick geschrieben:
Das perfekte Live-Fernsehen aus dem australischen Regenwald, an dem ein 250-köpfiges Team beteiligt ist, vom Koch über die Autoren bis zu den Kabelträgern sei aussergewöhnlich. Fast schon abartig die beiden Moderatoren Sonja Zietlow und Dirk Bach. Beide sind raffinierte, meisterhafte Zyniker und kabarettistische Selbstironiker.
Felix schaut das Dschungelcamp - nicht jeden Tag, aber gegen das Ende der Serie hin immer öfter, gesteht der Medienprofi. Wie Kurt Felix interessiere ich mich auch für die televisionäre Machart des widerlich, bizarren und ekligen TV- Produktes.
Für Medienwissenschafter gibt diese Sendung jedenfalls reichlich Stoff zum untersuchen.
In Deutschland hatten prominente linke und grüne Politiker, wie auch der volkserzieherische Zweckverband sehr schnell ein Verbot des Dschungelcamps gefordert. Jetzt, nachdem die Traum - Quoten fast schon überirdisch sind, urteilen die Ekel-Kritiker viel zurückhaltender. Politiker, die sich ebenfalls kritisch äusserten, schweigen heute. Sie wollen letztlich von den Dschungelcampzuschauern erneut gewählt werden.
Fazit: Das Dschungelcamp ist im Grunde genommen ein spannendes, aufschlussreiches psychologisches Experiment.
Wer bei dieser fragwürdigen Sendung auf den zunehmenden Wertezerfall unserer Gesellschaft zu sprechen kommt, müsste auch bereit sein, in der Menschheitsgeschichte zurück zu blättern:
War unsere Gesellschaft früher besser, als man die Verbrecher auf dem Richtplatz vor den Stadtbewohnern - vor Frauen und Kindern - köpfen liess? Was waren die Römern für eine Gesellschaft, als sie sich in der Arena ergötzten, wenn Christen den Löwen vor versammeltem Publikum zum Frass vorgesetzt wurden?
An weiteren Beispielen mangelt es nicht (Gruselkabinette, Horrorfilme, Brutalo Videos, Geisterbahn), die zeigen, dass der Mensch Interesse am Gräuel, an Sensationen hat.
Wer deshalb den Stab über der heutigen dekadenten Gesellschaft bricht, müsste den Mut haben, die TV-Ekelsendung mit dem Verhalten der Menschen in der Vergangenheit zu vergleichen.
Was aber nicht heissen will: Weil die Menschheit seit je sensationshungrig, schadenfreudig und gierig nach Aussergewöhlichem war, ist damit die Fernsehserie Dschungelcamp nicht automatisch eine gute Sendung.
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