Samstag, 22. Oktober 2011

Ziegler und Gaddafi


 



Jetzt ist für Jean Ziegler nach dem Tod Gadaffis plötzlich die Zeit der Vergebung.


Ziegler - der alte Freund Gaddafis - will verständlicherweise heute  nichts mehr von seiner freundschaftlichen Beziehung wissen.
Ich verweise auf das Gespräch mit  Schawinski :

               

  Ziegler gilt als Freund des libyschen Ex-Diktators Muammar al-Gaddafi. Sechs Mal war der Soziologe schon in Libyen. Er sei von ihm jeweils eingeladen worden, um zu diskutieren, so Ziegler gegenüber Roger Schawinski. Der Ex-Nationalrat findet daran nichts Verwerfliches. Denn als Soziologe habe man zwei Möglichkeiten: Entweder man hält die gleiche Vorlesung bis zur Pensionierung und kein Mensch hört zu. Oder aber man geht raus und versucht, die Welt zu verstehen.



Gaddafi ist erst heute in den Augen von Ziegler ein «blutrünstiger verrückter Diktator». Jedoch sei er nicht immer so gewesen.



Diesen Wandel habe er erst vollzogen, nachdem 1996 ein Attentat auf ihn verübt worden sei. Und trotzdem: «Gaddafi ist argumentativ und analytisch begabt.» Nur deshalb habe er so lange an der Macht bleiben können.


Auf die Frage, ob er heute Muammar al-Gaddafi Asyl gewähren würde, sollte der Diktator ihn persönlich anrufen, antwortet Ziegler: «Ich würde den Hörer auflegen». Zudem wisse Gaddafi gar nicht, wo er wohne.



Aus einem Interview mit Ziegler im Blick Februar 11:


Noch einmal, Herr Ziegler: Sie sind kein Sympathisant des libyschen Diktators?
Für den jungen Hauptmann ­Gaddafi, der 1969 den sozialistischen und panarabischen Visionen des ägyptischen Staatschefs Gamal Abdel Nasser folgte, die libysche Ölindustrie nationalisierte und dem Westen die Stirn bot – für ­diesen Gaddafi hatte ich, wie jeder
europäische Linksintellektuelle, durchaus Sympathien.


Aus Tagesanzeiger:


Zieglers muss Image korrigieren


Die Irrungen des Jean Ziegler

Die Bekanntschaft mit Muammar al-Ghadhafi wird zur Belastung für den Genfer Professor. Dass es so weit kommen konnte, liegt an krassen Fehleinschätzungen in früheren Jahren.

«Muammar al-Ghadhafi ist kein nach Willkür schaltender Charakter. Er ist rational, zweckgerichtet, vernunftgeleitet»:



Was Jean Ziegler noch im Sommer 2008 von sich gab, tönt heute wie ein Hohn.


Ein zorniger Kritiker

Jean Ziegler (76) studierte Jura, Politologie und Soziologie in Bern, Genf, Paris und New York. Er sass für die Sozialdemokraten im Nationalrat und war bis 2002 Professor für Soziologie an der Universität Genf und ständiger Gastprofessor an der Sorbonne in Paris. Von 2000 bis 2008 war er UNO-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung. Ungeachtet internationaler und nationaler Kritik wurde er 2008 von der Schweiz als Mitglied des beratenden Ausschusses des Menschenrechtsrats in Genf vorgeschlagen und gewählt. Sein jüngstes Buch «Der Hass auf den Westen» erscheint  als Taschenbuch im Goldmann-Verlag. (tim)


Was hat dieser Mann nicht gepoltert gegen das «Böse» in dieser Welt. Gegen die israelischen «Besatzer», gegen den Kapitalismus und überhaupt gegen den «Westen», der eine Mitschuld am Elend in der Dritten Welt trage. Jean Ziegler hat sich auch nie gescheut, die angeblichen und tatsächlichen Missetäter beim Namen zu nennen. Hans W. Kopp nannte er einen «Geier», Augusto Pinochet einen Faschisten. Und das sind nur zwei Beispiele, für die er später von Gerichten zu Schadenersatzzahlungen verurteilt wurde. Sein loses Mundwerk kam ihn teuer zu stehen. «Ich habe mehr als sechs Millionen Franken Schulden», sagte er jüngst in einem Interview mit der «Zeit».

Was ihn jetzt noch teurer zu stehen kommen könnte, ist seine Nähe zum wild gewordenen libyschen Machthaber Muammar al-Ghadhafi. Nicht Geld kostet ihn das, aber seinen Ruf. Bis anhin hatte der frühere Nationalrat und Genfer Professor sowohl Anhänger als auch Gegner. Erstere drohen ihm nun abhanden zu kommen. Der Grund liegt auf der Hand: Ziegler war im Palast des Revolutionsführers ein gern gesehener Gast. Das waren zwar auch andere. Was bei Ziegler aber immer noch mitspielte: Man hatte das Gefühl, die beiden unterhielten eine speziell nahe Beziehung.

Immer wieder von Ghadhafi eingeladen

Sieben Mal sei er bei Ghadhafi gewesen, sagte Ziegler noch im August 2009. Die 40-Jahr-Feier im September gleichen Jahres kam noch dazu. Inzwischen sind Ziegler die Reisen zum Diktator offenbar nicht mehr in so guter Erinnerung. «Fünf, sechsmal», erklärte der Genfer nun am Samstag im Interview mit dem «Tages-Anzeiger». Nicht nur, dass sich der bekennende Sozialist bis vor wenigen Jahren noch einladen liess. Zur Gesinnung des Gewaltherrschers gab Ziegler noch lange Zwiespältiges von sich. «Ghadhafi ist politisch ein Genie», sagte er zum Beispiel noch vor einem Jahr. Die Frage war, wie sich der Revolutionsführer im Kampf der Stämme an der Macht halten könne.

Auch in der Affäre um die Verhaftung von Hannibal Ghadhafi in Genf schien Ziegler nicht die richtigen Worte zu finden: «Sicher ist, dass die Genfer Polizei viel zu heftig reagiert hat», erklärte er dazu.

«Ghadhafi ist kein nach Willkür schaltender Charakter»

Die aber vielleicht krasseste Fehleinschätzung lieferte der Genfer in einem Interview mit dem «SonntagsBlick» vom Juli 2008 ab. «Das von den meisten westlichen Medien verbreitete Bild eines unbeherrschten Potentaten ist nach meinem Eindruck total falsch. Muammar al-Ghadhafi ist kein nach Willkür schaltender Charakter. Er ist rational, zweckgerichtet, vernunftgeleitet.» Die letzten Tage haben auf bittere Weise das Gegenteil bewiesen.

«Saif al-Islam ist die Chance für Libyen und den Rest der Welt»

Es lassen sich beliebig weitere Beispiele nennen, die Ziegler bezüglich Libyen im Zwielicht zeigen. Etwa den 2002 zugesprochenen – aber vom Genfer angeblich abgelehnten – Ghadhafi-Menschenrechtspreis. Oder die im aktuellen Kontext fatale Fehleinschätzung zu Saif al-Ghadhafi: «Saif ist fasziniert vom Westen und überzeugt davon, dass er das Land modernisieren muss», so Ziegler noch vor einem Jahr. Und: «Saif al-Islam ist die Chance für Libyen und den Rest der Welt.» In den letzten Tagen hat Saif sein hässliches Gesicht gezeigt.

Es gibt genug Gründe, Ziegler als Freund Ghadhafis zu verdächtigen. Die französische Zeitung «Le Monde» beschrieb ihn gar als «Pantoffellecker» des libyschen Machthabers. Medienunternehmer Roger Schawinski schrieb es am Wochenende in seinem offenen Brief so: «Du warst während Jahrzehnten ein Sympathisant und ein Werbeträger dieses brutalen Diktators.»

Ziegler kämpft heute um Imagekorrektur

Ziegler ist unter Druck. In mehreren Interviews in den letzten Tagen kämpft er gegen das ihm unliebige Image. «Ich muss jetzt einmal etwas klarstellen (…) das ist Blödsinn», erklärte er im «Tages-Anzeiger». Oder: «Ich bitte Sie – Ghadhafi ist nie mein Freund gewesen. Er hat meine Bücher auf Arabisch gelesen», im «SonntagsBlick». Allein, die Kurskorrektur will nicht recht gelingen.  (aus Tagesanzeiger.ch/Newsnet)







Kommentar: Es ist verständlich, dass es Ziegler nach dem Tod des brutalen Diktators wichtig ist, seine Reputation zu retten.
Er möchte sich zwar von seinen alten Aussagen distanzieren und will heute nicht einmal mehr die genaue Anzahl Treffen mit dem Diktator kennen, mit dem er jahrelang ein freundschaftliches Verhältnis gepflegt hatte. Da jedoch Aussagen in den Medien gespeichert bleiben und die Kommentare Zieglers dank der Archive wortwörtlich abgerufen werden können, ist es für Ziegler nicht so einfach, seine wohlwollenden Aeusserungen ungeschehen zu machen.
Gadaffi ist und bleibt für Ziegler eine Hypothek.


LINK (Blog-Beitrag vom März):


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