Bei Promis geht das noch durch
«Der britische Boulevard-Journalismus ist extrem und weltweit wohl einzigartig», sagt auch Peter Übersax. Auch er ein früherer Ringier-Mann. Er leitete zweimal die Redaktion des «Blick», zuletzt von 1980 bis 1986. Solange die grenzwertigen Recherchemethoden die Welt der Promis betrafen, wurden die Machenschaften noch akzeptiert. «Da mag auch eine gewisse Schadenfreude den Schönen und Reichen gegenüber eine Rolle gespielt haben», erklärt Übersax.
Nun aber ist das Fass mit dem Abhören der Handys von Opfern von Gewaltverbrechen übergelaufen. «Das ist ein GAU in Sachen übertriebener angelsächsischer Boulevard-Journalismus», so Rothenbühler.
Angegriffen nach medienkritischem Film
Immer wieder gerät die Boulevard-Presse in die Kritik. Bestens erinnert sich Übersax noch an die Zeit, als der medienkritische Film «Die verlorene Ehre der Katharina Blum» gezeigt wurde. Es war die Geschichte über eine Frau, die einen Kriminellen deckte und deswegen von der Boulevard-Presse verfolgt und in die Enge getrieben wurde. «In dieser Zeit wurden wir oft angegriffen», blickt Übersax zurück.
Er war es allerdings auch, der dem Boulevard-Journalismus in der Schweiz selber eine forschere Gangart verordnete. «Wir waren viel direkter, als es bis dahin üblich war, und wir sprachen Dinge aus, die noch tabu waren», erklärt Übersax. Der Journalist lebte in den 50er-Jahren selber in der Wiege der Medienwelt, in London. Sein Vorbild war der «Daily Express», die «damals grösste Zeitung Englands».
Zeitung nach Skandal ruiniert
Dass nun Murdoch die «News of the World» gleich schliesst, kann Übersax nicht nachvollziehen. «Ich bin erstaunt. Das ist ein gewaltiger finanzieller Verlust.» Für Rothenbühler ist die Schliessung eine logische Folge: «Diese Zeitung hatte keine Chance mehr. Mit diesem Skandal ist sie ruiniert. Die Inserenten wenden sich ab. So gesehen ist es nur logisch, dass Murdoch sie einstellt.»
Angst in den Redaktionen
Folgen haben wird die Affäre für die britischen Medien ganz bestimmt: «In allen englischen Redaktionen wird man sich jetzt fragen, ‹wo sind wir gefährdet›. Niemand will ein existenzgefährdendes Urteil riskieren», sagt Rothenbühler. (Tagesanzeiger.ch/Newsnetz)
Kommentar:
Diese krasse Geschichte könnte den Schweizer Boulevardjournalisten eine hilfreiche Lehre sein.
Seit Jahren besteht nämlich auch bei uns eine deutliche Tendenz zur Boulvardisierung der Medien. Dass damit eher zu unredlichen Mitteln gegriffen wird, ist nachvollziehbar. Es ist für alle Akteure wichtig, dass immer wieder die Grenzen des Zulässigen bewusst gemacht wird!
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