Die klugen Köpfe, die Ghadhafi dienten
Professor Jean Ziegler will heute nicht auf seine guten Beziehungen mit dem libyschen Machthaber angesprochen werden, obwohl er in der Geiselaffaire immer Verständnis gezeigt hatte für die Mentalität Gahdahafis. Man dürfe diesen Machthaber nicht vor den Kopf stossen, war seine Devise. Jetzt will er von dieser Parteinahme nichts mehr wissen. Doch Ziegler war nicht der einzige, der Ghadhafi nahe stand.
Ich zitiere Tagi:
Ebenfalls 2007 führte Professor Benjamin Barber von der Rutgers-Universität in einem Zeitungsbeitrag aus, Libyen sei drauf und dran, «friedlich und ohne westliche Intervention zu einer stabilen, nicht autokratischen Regierung» zu finden. Solche geballt optimistische Einschätzungen waren kein Zufall, sondern Resultat einer von Ghadhafi bezahlten PR-Kampagne, die von der Monitor Group geführt wurde, einer mit der amerikanischen Elite-Universität Harvard verbundenen Beratungsfirma
.
Der reformfreudige Diktator
Ebenso stark an der Imagepolitur des libyschen Diktators beteiligt war die angesehene London School of Economics. Hier finanzierte Ghadhafi Ausbildungskurse für libysche Studenten, holte bezahlten Rat ein für den mit Ölgeldern finanzierten Staatsfonds und rekrutierte Professoren für Gastvorträge – erneut mit der Absicht, im Westen das Bild eines reformfreudigen, dem Terrorismus entsagenden arabischen Staatsoberhaupts zu vermitteln.
Doch was über Jahre hinweg toleriert wurde, brach unter dem Druck der Revolte in Libyen rasch in sich zusammen. Der Direktor der London School of Economics, Howard Davies, musste vor kurzem seine Demission einreichen, da die Enthüllungen über die Zuwendungen Ghadhafis von jährlich rund vier Millionen Dollar dem Ruf der Schule stark geschadet hatten.
In den Vereinigten Staaten versuchen sich die Professoren derweil herauszureden. Nye sagt, sein Artikel von 2007 habe doch Berichtenswertes aus Libyen wiedergegeben. Zu keinem Zeitpunkt habe er das Regime unterstützt. Barber meint, sein Honorar sei nicht direkt von Ghadhafi, sondern von der Monitor Group gekommen, die im Auftrag von Ghadhafis Sohn Saif al-Islam gearbeitet habe. Warum er kritisiert werde, sei ihm nicht klar, hätten die USA doch damals Libyen gezielt umworben und auf die eigene Seite ziehen wollen.
Kostspielige PR-Arbeit
Wie viele Professoren in die Libyen-Kampagne eingespannt wurden, ist offen, wie das amerikanische Monatsmagazin «Nation» schreibt. Doch hätten sich auch der angesehene John-Hopkins-Ökonom Francis Fukuyama, der Harvard-Professor Robert Putnam, der Ex-Bush-Berater Richard Perle sowie der Fernsehmoderator David Frost nach Libyen einladen lassen. Keiner dieser Experten, die anschliessend ihre positiven Libyen-Artikel publizierten, teilte den Lesern mit, dass sie Geladene des Regimes waren.
Für die Kosten und Honorare stellte der Ghadhafi-Clan der Monitor Group jährlich drei Millionen Dollar zur Verfügung. Entgegen den Beteuerungen der Professoren, mit ihren Besuchen die Demokratisierung fördern zu wollen, hält der von Dissidenten in Tripolis enthüllte Vertrag von 2006 explizit die PR-Absichten fest. Monitor-Chef Mark Fuller rechtfertigt den Auftrag damit, dass Libyen «an einem Mangel an positiver Public Relations und angemessenen Kontakten zu einem weiten Feld von Meinungsführern und Vordenken leidet. Dieses Programm zielt darauf ab, die Balance wieder zugunsten von Libyen zurechtzurücken».
Die Gunst der Elite Europas
Die rund drei Jahre dauernde PR-Kampagne erreichte nicht alle Ziele. Vor allem gelang es nicht, ein Buch über die Gespräche zwischen Ghadhafi und den «Vordenkern» aus den USA und Europa zu publizieren. Dagegen gelang es Saif al-Ghadhafi, sich als echter Reformer zu verkaufen; ein Image, das er dieser Tage allerdings mit seinen schrillen Vergeltungsaufrufen zerstörte.
Die Ghadhafi-Kampagne ist insofern ungewöhnlich, als sie sich an die aufgeklärte – oder die sich als aufgeklärt verstehende – Elite des Westens wandte und die Meinung von oben herab zu beeinflussen versuchte. Diktatoren und Despoten versuchen sonst oft, die Gunst des einfachen Volkes zu gewinnen.
So machte sich der venezolanische Präsident Hugo Chávez ein Vergnügen daraus, armen Haushalten in Harlem verbilligtes Heizöl ins Haus zu liefern, und zwar über Citgo-Filialen in den USA. Dieser PR-Coup ärgerte die US-Regierung sehr – umso mehr, als Chávez parallel einige Fernsehspots laufen liess, die mit dem Klischee der intakten amerikanischen Mittelstandsfamilie spielten und ihn als deren Wohltäter zeigten.
Condoleezza Rice lobte Despot
Auf eine ähnliche Weise versuchte der brutale Präsident von Äquatorial-Guinea, Teodoro Obiang, seinen Ruf als Folterer und korrupter Gauner zu schönen. Er bezahlte der PR-Firma Cassidy & Associates jeden Monat 120 000 Dollar aus seiner Ölkasse, damit sie Beziehungen zu US-Regierungsstellen aufbaue. In der Tat empfing ihn die damalige Aussenministerin Condoleezza Rice 2007 zu einem Besuch in Washington und lobte den Despoten als «guten Freund». Dies erschien derart überdreht, dass sich das Aussenministerium anschliessend zu einer Relativierung gezwungen sah. Doch Obiang ist noch immer am Ruder, 32 Jahre nach dem Putsch. Überhaupt fällt auf, dass es vor allem Ölförderländer sind, die sich eine PR-Politur verpassen wollen.
Begonnen hatte dies nach den Terroranschlägen vom September 2001, als Saudiarabien unter Al-Qaida-Verdacht geriet und im Westen zunehmend schlechte Presse erhielt. Darauf schloss das Königreich mit der PR-Firma Qorvis einen Jahresvertrag von 14 Millionen ab. Daraus entstand eine landesweite TV-Kampagne, die beide Länder als enge Verbündete und verlässliche Partner darstellte. PR-Experten erklärten diese Kampagne zu einem vollen Erfolg. Die saudikritischen Artikel in den USA nahmen wieder ab, und dies erlaubte unter anderem der Regierung von US-Präsident George W. Bush, ihre engen Beziehungen zum Hause Saud aufrechtzuerhalten.
(Ende Zitat Tages-Anzeiger)
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