Dienstag, 14. Dezember 2010

 Schuster bleib bei deinem Leisten

 

Ob sich Leutenegger bei Giaccobbo mit seinem Auftritt lächerlich gemacht hat, entscheidet das Publikum und nicht der Experte. Die Meinung der befragten Zuschauer (nach meiner Umfrage) ist eindeutig: Leutenegger hat sich lächerlich gemacht, nicht nur beim Singen.

Ich zitiere 20 Min:

 

Bei «Giacobbo/Müller» gab FDP-Nationalrat Filippo Leutenegger den Gassenhauer «O sole mio» zum Besten. Sein Gesang entzückt  «MusicStar»-Jurorin Noëmi Nadelmann.

Giacobbo / Müller vom 12.12.2010


Leutenegger bei «Giacobbo/Müller»



Als Gast bei «Giacobbo/Müller» wartete Leutenegger mit einer dicken Überraschung auf: Begleitet von Trompetenklängen von Frölein Da Capo schmetterte der FDP-Nationalrat mit inbrünstiger Stimme den italienischen Klassiker «O sole mio». Giacobbo war sichtlich angetan vom Gesangstalent seines Gastes: «Du hast wunderbar gesungen.» Gegenüber 20 Minuten zeigt sich auch Opernsängerin Noëmi Nadelmann begeistert: «Der Auftritt hat mich positiv überrascht. Der erste Ton war noch etwas zu tief, danach ist er immer besser in Fahrt gekommen. Dieser Mann hat eine Stimme!», so die «MusicStar»-Jurorin. «Ich würde 8 von 10 Punkten geben.»


Nüchterner ist Politologe Georg Lutz: «Er wollte sich volksnah geben. Ich glaube aber nicht, dass dies sein Wahlresultat verbessern wird.» Immerhin befinde sich Leutenegger in guter Gesellschaft: «Auch so ‹grosse› Staatsmänner wie Berlusconi und Putin haben schon am TV gesungen.»



Kein Gefallen am Auftritt des Ex-«Arena»-Moderators findet hingegen Kommunikations-Experte Marcus Knill:


«Ich weiss nicht, weshalb er sich als Medienprofi bei Giacobbo so lächerlich macht. Das war schlicht unbegreiflich.»


Leutenegger selbst sagt, er habe viele positive Reaktionen bekommen: «Ich wollte mich sicher nicht bei Wählern anbiedern, sondern meine Lebensfreude ausdrücken.»


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Wenn das Selbstdarstellungsbedürfnis  Medienprofis zu fragwürdigen Auftritten treibt







Es gibt genügend Beispiele von Promis und Politiker, die unter dem Virus Mediengeilheit keine Grenze mehr ziehen zwischen Privatheit und Oeffentlichkeit. 



Die Verlockung ist für viele zu gross, wenn die Boulevardmedien das Privatleben ausleuchten wollen. Vielen fällt es dann schwer, NEIN zu sagen. Ich habe Sportler und Fernsehjournalisten kennen gelernt, die sich bei der Illustrierten und Magazinen  recht unbeliebt gemacht haben, weil sie    zwischen Job und Privatleben einen klaren Trennungsstrich gezogen haben. Als Berater hatte ich Einblick in  Briefe von Redaktionen die  den Verweigerern von Homestorys   unter Druck gebracht haben- sogar mit Drohungen. "Wenn Sie nicht willig sind, dann.....". Doch jene Profis, die gelernt hatten, Privates nicht ins Schaufenster zu stellen sind dank ihrer Standfestigkeit langfristig sehr gut gefahren. Es lohnt sich deshalb, den Verlockungen der Regenbogenpresse zu widerstehen, obwohl Politiker und Prominente auf Publizität angewiesen sind.



Ich kenne die Versuchungen der Medienpräsenz und das Phänomen: "Nur wenn ich in den Medien komme, bin ich jemand". Kurt Felix sagte sogar einmal treffend: "Früher wollten die Leute in den Himmel, heute ins Fernsehen." Kamerateams im Bundeshaus bestätigen mir, dass es immer wieder Politiker gibt, die sich bewusst hinter der Kamera positionieren, nur damit sie am Bildschirm gesehen werden. Mediensüchtige Politiker, die  vom Fernsehen geschnitten werden, spüren gleichsam Phantomschmerzen, so wie ein Körper, dem ein Bein amputiert worden ist. 




Es gibt eine ganze Reihe von Persönlichkeiten, die so stark vom Virus "Mediengeilheit" befallen sind, dass sie zu allem bereit sind, nur  um den Kopf im Bildschirm zeigen zu können (Wir sehen sie dann mitunter an in einer Medizinsendung , wo sie  ihre Kampfadern  zeigen dürfen.  Hauptsache ist: Man sieht die Person im Fernsehen).


Beispielsweise war für mich unbegreiflich , dass sich die  Medienprofis Katia Stauber und Florian Inhauser in der "Schweizer "Illustrierten" Nr. 49 / 2010 bereit erklärt hatten, eine höchst private Angelegenheit - eine Krankengeschichte mit  persönlichen Details publizieren zu lassen.
Für mich ist so etwas  unverständlich.


Auch der Auftritt von Filippo Leutenegger bei Giaccobbo und Müller  (am 12. Dezember) ist mir unbegreiflich. Wenn  sich ein so erfahrener Politiker und Medienprofi dazu hinreissen lässt,  vor dem Publikum "O Sole Mio" zu singen, so ist dies nicht mutig, sondern höchstens peinlich. Leutenegger   wusste ganz genau, auf was er sich einlässt. Er kannte das Konzept der Kollegen bestens und wusste, dass man in diesem Sendegefäss keine ernsthaft Diskussion führen kann und sich auf Glatteis bewegt. Sicherlich hat sich Medienprofi Leutenegger vor dem Auftritt etwas dabei überlegt.



Beispielsweise:
Ich kann mich bei dieser Unterhaltungssendung beliebt  machen!
Medienauftritte sind  immer eine Chance!
Die Mutprobe "Ein Lied zu singen" könnte mir politisch nützen und mir zusätzliche Stimmen bringen!
Mein Bekanntheitsgrad steigt - auch wenn ich versage!
Wenn ich eine Minute lang singe, so können mich Giaccobbo oder Müller während dieser Zeit   nicht "in die Pfanne hauen"!
usw.


Solche Auftritte von Politikeren (z.B. von Calmy-Rey, Belusconi und Putin, die sich alle als  Sänger exponiert hatten) stelle ich grundsätzlich in Frage.


Wenn  Filippo Leutenegger im privatem Rahmen an einem Party, in einer famliliären Runde oder  in der Badewanne "O Solo Mio"  singt, so ist nichts einzuwenden. Aber nicht vor einem Millionenpublikum.


Es sind nicht Experten, die zu beurteilen haben, ob so ein Auftritt  peinlich ist. Ausschlaggebend ist das Urteil des Publikums. Meine  Umfragen beim Auftritt Filippo Leuteneggers kam beim  grössten Teil der Zuschauer und Journalisten - die ich kontaktiert habe - schlecht weg:


Leutenegger habe einige Töne nicht richtig intoniert, d.h. Es habe oft falsch geklungen. Gestört hat viele die gepresste Stimme. Fazit: Wenn ein Politiker das Unprofessionelle zelebriere, so schade er sich selbst und seinem Ruf.


Der Spruch "Schuster bleib bei deinem Leisten" gilt auch für Medienprofis.
Den Zuschauern ist sogar aufgefallen, dass Filippo Leutenegger immer wieder  mit der linken Hand in die linke Jackentasche gegriffen hatte, so, als suche er etwas.
Ich habe mir den Auftritt nochmals visioniert. Tatsächlich griff Leutenegger 17 Mal in seine linke Jackentasche - ohne Grund. Es sah so aus, als suche er etwas Wichtiges, das er am Schluss den Gesprächspartnern überreichen möchte. Das war aber nicht der Fall. Aus meiner Sicht war die Griffmarotte ein pures Verlegenheitsverhalten bei heiklen Fragen. Dieses Detail und die Fingersprache machten mir bewusst, dass das Duo Giaccobbo/Müller den ehemaligen Dompteur in der ARENA  destabilisieren konnte.





FAZIT:


 
Prominente Persönlichkeiten sind gut beraten, wenn sie ihre Privatsphäre  von der öffentlichen Neugier schützen.



 Wer sich  den Privatbereich der Klatschpresse preisgibt, hat es zwar am Anfang  einfacher. Die Geschichten werden geschätzt.   Doch langfristig ist das "mediengeile" Verhalten  kontraproduktiv. Man kann später nicht mehr zurück.


 
Was können wir daraus lernen?


 Wir haben es selbst in der Hand, die Trennungslinie zwischen Privatheit und Oeffentlichkeit zu ziehen. Viele Medienopfer sind selbstverschuldet Opfer geworden, weil sie "das Nein sagen" nicht gelernt haben.



Jede Person kann selbst entscheiden, wie weit Sie gehen möchte mit dem Offenlegen Ihrer Privatsphäre in den Medien.
Aus meiner Erfahrung hat sich Zurückhaltung  immer bewährt.
Beim Preisgeben privater Informationen ist es, wie beim Ausdrücken einer Zahnpastatube: Es ist einfach, die Tube auszupressen. Doch ist es nachher kaum mehr möglich, den ausgedrückten Inhalt  in die Tube zurückzubringen.

 

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