Samstag, 6. November 2010

ARENA 

Nachlese vom Tagi


Nicht viel mehr als 100 Stunden ist SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga im Amt und schon musste sie in der «Arena» antreten. Es wurde mit harten Bandagen gekämpft. Auch Schläge unter der Gürtellinie hatte die Magistratin zu parieren.
Absolut unversöhnliche Positionen: Simonetta Sommaruga und Adrian Amstutz.
Absolut unversöhnliche Positionen: Simonetta Sommaruga und Adrian Amstutz.
Bild: Bild: SF

Ganz in SVP-Manier eröffnete Simonetta Sommaruga die Sendung, indem sie klipp und klar die Wahlempfehlung des Bundesrates für die Ausschaffungsabstimmung abgab: Nein zur Initiative, Ja zum Gegenvorschlag. Die Begründung für ihre Position lieferte sie in drei Stichworten: Klar, umsetzbar, gerecht. Das Votum hätte auf ein Plakat gepasst.
Als ob Sommaruga gespürt hätte, was auf sie zukommen wird, forderte sie für den Abend in der «Arena» einen «fairen Umgang und eine sachliche Debatte». Dass sich dies als frommer Wunsch entpuppen sollte, daran hatte die Bundesrätin schliesslich genauso ihren Anteil, wie ihr Kontrahent, der SVP-Nationalrat Adrian Amstutz.


«Schludrig formulierte Initiative»
«So eine schludrig formulierte Initiative habe ich noch nie gesehen», richtete die EJPD-Vorsteherin ihr Votum Richtung SVP. Dieses Volksbegehren sei willkürlich und diesem Rechtsstaat unwürdig, ereiferte sich Sommaruga. Der Kampf war eröffnet. Amstutz nahm die Aufforderung an und schoss zurück: «Da ist jetzt gerade etwas viel falsch für eine neue Bundesrätin», retournierte der SVP-Nationalrat.
Nach 20 Minuten ging ein erstes Raunen durch die Ränge. Enerviert hatte sich der Berner an der Behauptung Sommarugas, ausgeschafft würde nach SVP-Initiative auch eine junge Frau, die etwas Haschisch gegen eine CD eingetauscht habe.


Schlicht «gelogen» und einfach «Quatsch»


Der Bundesrätin wurde der Ton zu rauh und sie mahnte - ganz in Moderatorenmanier - man habe doch gesagt, es solle fair und sachlich debattiert werden. Für Amstutz aber war dieses Gebot gebrochen und der Berner legte gleich nach. Das sei schlicht «gelogen» und einfach «Quatsch», wenn man behaupte, auch bei kleinsten Sozialhilfevergehen würde die Ausschaffung durchgezogen.
Dass zuvor schon die Bundesrätin von schludrig formulierter Initiative gesprochen hatte, nahm Ueli Leuenberger - seine Grünen sind wie die SP für ein doppeltes Nein - auf und doppelte nach: In der SVP habe es doch viele Handwerker und diese Initiative zeuge von «handwerklicher Schluderiarbeit», so der Grünen-Präsident zu Amstutz. Es sollte nicht der letzte Schluderivorwurf sein.


«Dir verzellet ein Seich am angere Frou Bundesrätin»


Die Stimmung wurde dadurch nicht besser. Im Gegenteil. Nach 40 Minuten erreichte die Sendung einen zweiten Höhepunkt. Und wieder gerieten Amstutz und Sommaruga aneinander. Die Bundesrätin kritisierte, die Initiative schliesse nicht aus, dass Ausweisungen auch in Kriegsgebiete und in Länder, wo gefoltert werde, vollzogen würden.


«Das ist eine Unverfrorenheit. Ich staune, was sie behaupten, Frau Bundesrätin», gab der SVP-Nationalrat zurück.


Bei den Initianten sei man sich im Klaren, dass zwingendes Völkerrecht nicht verletzt werde. Gutachten würden dies dem Begehren auch bescheinigen. Dies sei aktenkundig. Darüber seien keine «Lügen» zu erzählen.


  «Jetzt muss ich aber was sagen», preschte Sommaruga vor. «Dann müsst ihr aber jeden Fall anschauen.» Für einen Moment war Ruhe.


Als wäre die Sendung in 20 minütige Einheiten aufgeteilt gewesen, erreichte sie nach einer Stunde endgültig den Höhepunkt an Gehässigkeit.


«Sie sagen von sich, sie würden mit dem Zweihänder politisieren», gab die Bundesrätin Amstutz zu bedenken, was diesem wiederum vollends den Kragen platzen liess.


«Dir verzellet ein Seich am angere Frou Bundesrätin.»


  Ein zweites Mal ging ein Raunen durch die Ränge. Diesmal laut hörbar. So etwas sage man einer Magistratin nicht, war zu hören. Er weise solche Anwürfe und Diffamierungen zurück, reklamierte Amstutz. Nun griff Brennwald erstmals ein - es wurde aber auch Zeit. Das sei nun zu hart gewesen, so der Moderator an Amstutzs Adresse.


 (Tagesanzeiger.ch/Newsnetz)

Ende Zitat


Kommentar:
Die letzte Arena veranschaulicht uns deutlich, dass es in diesem Sendegefäss - im Gegensatz zum Club - nicht um Dialogik geht. Gefragt sind DUELLE. Es geht um verbale Kämpfe. So wie in einer echten Arena geht es darum, die Gegner zu schlagen. Gefragt ist nicht der Konsens, sondern der Sieg.
Es wäre aufschlussreich zu erfahren, wer an der letzten Arena tatsächlich mehr gepunktet hat: Somaruga oder Amstutz?
Entscheidend ist nicht nur das Verhalten und das Vokabular. Es ist die Glaubwürdigkeit der Persönlichkeit.
Die neue Bundesrätin überzeugte im Wahlkampf, machte aber in der ARENA über Strecken nonverbal (Augen) einen unsicheren Eindruck. Als sie Amstutz eine Aussage unterstellt hatte, die falsch war, verlor sie bei mir  einige Punkte. Bei einem verbalen Schlagabtausch kann es auch zum sogenannten Mitleideffekt kommen. Jedoch auf beiden Seiten.
Ich bin überzeugt, dass es die Bevölkerung nicht schätzt, wenn der Gegner als Lügner hingestellt wird.
Der Vergleich CLUB und ARENA zeigt sich auch hinsichtlich der Gesprächs- respektive Duellleitung.
Reto Brennwald muss eher als Dompteur agieren, während Christine Maier als Moderatorin (Gesprächsleiterin) zu amten hat. 


Reto Brennwald kann man nicht vorwerfen, er hätte rascher und vehementer eingreifen sollen. In einem Boxkampf wird ein Schiedsrichter auch spannende Duelle laufen lassen und wird nur dann eingreifen, wenn eindeutige Spielregeln verletzt werden oder wenn es um gesundheitliche Schädigungen geht.
In harten politischen Auseinandersetzungen müssen die Akteure damit rechnen, dass es ab und zu Schläge  im Grenzbereich entgegengenommen werden müssen. Medientraining heisst mitunter, bestehen zu können ohne dass man extern unterstützt wird. Wer bei Medienduelle punktet entscheiden weder Kommunikationsberater noch  Medienkritiker. Letztlich entscheidet das Publikum wer besser wegkommt. Bei Somaruga und Amstutz würden sich vielleicht Experten wundern, wie das "Volk" die Punkte verteilt. 

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