Simonetta Sommaruga wiederholt gekonnt ihre Kernbotschaften
Nachdem bekannt geworden ist, dass die Berner SP Ständerätin Sommaruga für die Nachfolge Leuenbergers antreten will , musste sie sich Dutzenden von Interview stellen. Offensichtlich hatte sie sich professionell vorbereitet. Wiederholte sie doch in allen Medien- auch auf dem heissen Stuhl in der Rundschau (SF) immer wieder die analogen Kernaussagen:
- Ich arbeite lösungsorientiert und bin nicht aufs Polarisieren bedacht
- Ich möchte, dass bei der Bevölkerung verlorene Vertrauen wieder herstellen. Die Glaubwürdigkeit, das Vertrauen in die Regierung hat 1. Priorität. Dann gilt es auch die Sozialwerke zu sichern und nach der Finanzkrise gilt es zu überlegen, was vorgekehrt werden muss, dass unser Staat nicht nochmals in die Geiselhaft von Grossbanken kommen kann.
- Ich setze mich für die Schwächeren und die Konsumenten ein
- Ich bin mir bewusst dass es bei der zunehmenden Personifizierung und Mediatisierung der politischen Tätigkeit, schwieriger geworden ist, Kollegialität zu pflegen, so dürfen Bundesräte nicht ihre persönliche Meinung ständig hinausposaunen
- Ich bin überzeugte SP Politikerin, doch erlaube ich mir auch kritische Gedanken. Schon Helmut Hubacher hatte gesagt: Nur eine Partei die zwei Flügel hat, kann fliegen. Ich stehe zu meiner Meinung. In der SP darf man eine andere Sicht der Dinge einbringen. Man müsste mir eine Person nenne, die sagt, ich hätte keinen Rückhalt in der Partei. ES wäre ein Gräuel wenn man in einer Partei nur eine Meinung haben darf.
- Ich würde mir auch als Bundesrätin Zeit nehmen zum Klavierspielen und Romane lesen. Ein Bundesrat soll nicht nur Akten lesen
- Ich politisiere vorausschauend d.h. Ich will immer zuerst die Entscheidungsgrundlagen erarbeiten auch im Zusammenhang mit dem bilateralen Weg mit Europa. Ich bin für eine offene Schweiz, für die Zusammenarbeit mit anderen Ländern
Zur Frage des Wunschdepartementes: Ein Kandidat muss bereit sein, alle Departemente zu übernehmen
Sommaruga will Vertrauen wiederherstellen
(Quelle 20 Min) Die Berner SP-Ständerätin Simonetta Sommaruga kandidiert offiziell für den Bundesrat. Im Interview erklärt die Kronfavoritin, was sie am Amt reizen würde und warum sie auch als Bundesrätin noch Klavier spielen würde.
Simonetta Sommaruga gibt ihre Kandidatur bekannt. (Keystone)
Frau Sommaruga, was hat Sie zu Ihrem Entscheid bewogen? Simonetta Sommaruga:
Er fiel mir nicht leicht, ich habe mir vier Wochen Bedenkzeit genommen. Schliesslich entschied ich mich für die Kandidatur, weil ich gerne dazu beitragen möchte, dass der Bundesrat das Vertrauen der Bevölkerung zurückgewinnt.
Was befähigt Sie in besonderem Ausmass dazu?
In meiner politischen Arbeit habe ich bewiesen, dass ich über die Parteigrenzen hinwegschauen kann. Die Lösung und nicht die sture Ideologie steht für mich im Vordergrund.
Ärgert es Sie, dass Sie ausgerechnet von Ihren politischen Gegnern ins Amt gewählt werden könnten?
Schon um in den Ständerat gewählt zu werden, waren Stimmen aus anderen Lagern notwendig. Ich wehre mich aber dagegen, innerhalb der SP an den Rand gedrückt zu werden. Ich bin gut verankert und fände es sogar gefährlich, wenn es nicht ab und zu parteiinterne Differenzen gäbe. Man kennt Sie auch als Präsidentin der Stiftung für Konsumentenschutz.
Bleiben Sie diesem Credo treu?
Ganz bestimmt. Dieses Engagement für die Schwächeren ist mir sehr wichtig. Ich erhalte täglich Reaktionen auf meine Funktion und möchte die Nähe zu den Leuten auch als allfällige Bundesrätin unbedingt beibehalten.
Sie sind ausgebildete Pianistin. Kämen Sie als Bundesrätin noch zum Spielen?
Natürlich kann ich der Musik nicht so viel Zeit wie früher widmen, sie ist aber immer noch ein wichtiger Bestandteil meines Lebens. Mit Ständerat Rolf Schweiger habe ich sogar einmal ein vierhändiges Ständchen gespielt.
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Aus dem Interview im Tagesanzeiger:
«Ich will nicht nur Akten lesen, sondern auch Romane»
SP-Ständerätin Simonetta Sommaruga hat gestern vor den Medien ihre Kandidatur für die Nachfolge von Moritz Leuenberger begründet. Sie stellte sich als «lösungsorientierte und nicht auf Polarisierung bedachte» Politikerin dar. Mit «Offenheit, Ehrlichkeit, einer vorausschauenden Politik und dem Willen, auch unbequeme und schwierige Fragen anzupacken» möchte sie dazu beitragen, dass der Bundesrat das Vertrauen der Bevölkerung zurückgewinnt. «Vorausschauend» heisst für sie etwa, dass der Bundesrat auf die neue Ausgangslage im Verhältnis zur EU reagiert und «Entscheidgrundlagen» für Alternativen zum bilateralen Weg erarbeitet. So seien zum Beispiel auch Norwegens Erfahrungen im EWR genauer zu prüfen. Eine Diskussion über den EU-Beitritt hält sie hingegen aufgrund der geringen politischen Erfolgschancen für «unproduktiv». (paf)
Sie versichern, lange um Ihre Bundesratskandidatur gerungen zu haben. Aber in Tat und Wahrheit haben Sie dieses Amt doch seit Jahren angestrebt.
So ist es nicht. Ich habe mir die Kandidatur in den letzten vier Wochen sehr genau überlegt und mich mit meinen Ängsten und Befürchtungen auseinandergesetzt. Ich habe mich gefragt, ob ich diesem Amt gewachsen bin. Ob ich meine politischen Stärken im Bundesrat einbringen kann. Und ob mir als Bundesrätin genug Freiräume und Zeit für Kreativität bleiben. Das war ein sehr wichtiger Prozess für mich.
Freiräume? Kreativität?
Ich weiss, was für mich lebenswichtig ist: meine Partnerschaft, enge Freundschaften, Klavier spielen, hin und wieder im Garten arbeiten. Und ich will nicht nur Akten lesen, sondern auch Romane, Erzählungen und Märchen.
Sie wollen dafür sorgen, dass die Bevölkerung das Vertrauen in den Bundesrat zurückgewinnt. Mit diesem Anspruch sind schon Doris Leuthard und Didier Burkhalter angetreten – und gescheitert. Warum soll es Ihnen gelingen?
Es wäre vermessen, zu meinen, eine einzelne Person könnte den Wandel schaffen. Aber ich will einen Beitrag leisten. Wenn genug Bundesräte gewillt sind, daran zu arbeiten, wird das Vertrauen in den Bundesrat zurückkehren. Das passiert aber nicht von heute auf morgen. Mit der starken Personalisierung und Mediatisierung der Politik ist es schwierig geworden, Kollegialität zu leben.
Was beinhaltet Kollegialität?
Bundesräte sollen nicht ständig ihre persönliche Meinung hinausposaunen oder gar öffentlich Kollegen schlechtmachen. Und sie müssen bereit sein, sich auf Lernprozesse innerhalb der Regierung einzulassen. Jeder soll mit seinen eigenen Vorstellungen in die Diskussion steigen, aber immer im Bewusstsein, dass der andere recht haben könnte. Zuhören, neugierig bleiben, sich aufeinander zubewegen – solche gemeinsamen Lernprozesse faszinieren mich.
Es heisst, Sie hätten den Gemeinderatskollegen ständig in deren Dossiers hineingeredet. Wollen Sie im Bundesrat besserwisserisch überall eingreifen?
Gut vorbereitet sein, mitreden und mitgestalten – das erwarte ich von jedem Mitglied einer Exekutive. Bundesräte sollen sich Gedanken über die Geschäfte ihrer Kollegen machen. Entscheidend ist aber die Art und Weise, wie sie sich einbringen. Falsch ist es, zuerst an die Öffentlichkeit zu gelangen und erst dann im Kollegium zu diskutieren. Damit eine Regierung funktioniert, sind zudem menschliche Qualitäten wichtig. Man muss einander respektieren.
Die Medien stellen Sie als Lichtgestalt dar – als hochkompetente Brückenbauerin mit Feingefühl und Kommunikationstalent. Ist Ihnen die Topstar-Rolle nicht unheimlich?
Ich bin ein nüchterner Mensch. Heute wird man hochgejubelt und morgen abgeschrieben – so funktionieren die Medien. In den nächsten Wochen werden Dinge eine Rolle spielen, die ich nicht beeinflussen kann. Die Parlamentarierinnen und Parlamentarier kennen mich als Person und wissen, was ich geleistet habe. Wenn sie mich wählen, freut mich das. Aber ich werde mich nicht verbiegen, um gewählt zu werden.
Keine Angst vor dem Obama-Syndrom? Davor, dass Sie die hoch gesteckten Erwartungen nur enttäuschen können?
Es stimmt, ich spüre schon jetzt einen grossen Erwartungsdruck. Aber es ist absurd, so zu tun, als könnte eine neue Bundesrätin das ganze Land verändern. Eine solche Haltung führt zwangsläufig zu Enttäuschungen. Solange ich aber ich selber bleibe, habe ich nicht das Gefühl, ungerechtfertigte Erwartungen zu wecken und Menschen zu enttäuschen.
Aus Blick:
Eingestandene Schwäche wird negativ ausgelegt:
aus TAGI:
Ich brauche eine Pause», verkündete Simonetta Sommaruga am Mittwochmittag nach Bekanntgabe ihrer Bundesratskandidatur. Zwei Stunden lang hatte sie zu diesem Zeitpunkt ununterbrochen Interviews gegeben. Zwei weitere Interviewanfragen verschob sie um der Pause willen auf den Nachmittag und sorgte damit für Irritation bei den Medien.
Simonetta Sommaruga habe den anstrengenden Interviewmarathon erschöpft unterbrechen müssen, weil sie die Konzentration verlor, schrieb die «Aargauer Zeitung». Zuvor habe sie müde und unkonzentriert gewirkt und ein Fernseh-Interview auf französisch für fünf Minuten unterbrochen, weil sie den verlorenen Faden nicht mehr gefunden habe. Die «Aargauer Zeitung» stellte darum die Gretchenfrage: «Ist diese Frau belastbar genug für das Bundesratsamt?»
«Bundesratskandidatinnen sind keine Übermenschen»
Die SP-Ständerätin ist überrascht von dieser Reaktion: «Ich habe nach zwei Stunden ununterbrochenen Interviews tatsächlich eine Pause gebraucht. Das war gleichzeitig meine Mittagspause von gut 30 Minuten. Ich hatte bereits um 12.30 Uhr den nächsten Termin. Die Termine von zwei Zeitungen mussten deshalb verschoben werden. Die Interviews fanden dann um 14 Uhr in meinem Büro statt», so Sommaruga.
Dass sie deshalb gleich in Frage gestellt wird, stört Sommaruga nicht. «Ich bin überzeugt, dass ich belastbar genug für das Amt des Bundesrates bin. Schliesslich habe ich auch als Ständerätin viel Druck und Termine und habe gelernt, damit umzugehen. Dazu gehört auch, mir eine Auszeit zu nehmen.» Bundesräte und Bundesratskandidatinnen seien keine Übermenschen, sie hätten auch Bedürfnisse und Schwächen, betont Sommaruga.
«Die eigenen Schwächen zu kennen ist eine Stärke»
Die Bernerin sieht es als Stärke, die eigenen Grenzen und Schwächen zu kennen und diese ehrlich zu kommunizieren. «Jeder braucht zwischendurch einen Moment, um seine Kräfte neu zu sammeln.» Man könne auch nicht dauernd sieben Tage lang durcharbeiten und dabei noch lebendig und kreativ bleiben. «Wer ununterbrochen arbeitet, kann nicht mehr nachdenken, mal Abstand nehmen und die Dinge von Aussen betrachten. Dann ist man nur noch Ausführungsorgan», so Sommaruga.
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