Mittwoch, 25. August 2010

Bundesratswahlen:

DAS DILEMMA BEI DER GESCHLECHTERFRAGE

Nachdem jahrelang die Männer in der politischen Landschaft dominiert hatten, verlangten Frauenrechtlerinnen die Quotenregelung. Nachdem beim Bundesrat die Frauen dominieren könnten, stehen die Frauenrechtlerinnen vor einer sonderbaren Situation. Die These der Bevölkerung "Qualität kommt vor Geschlecht" stimmt nicht mehr mit der geforderten Quotenregelung überein.

(Aus 20 Min)

Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte

Doch nun findet ausgerechnet eine SP-Bundesrätin fünf Frauen im Bundesrat problematisch. Damit steht sie im Widerspruch zu jahrelanger Bemühungen der eigenen Partei. Noch am 14. Juni 1991 legten rund eine halbe Million Schweizerinnen ihre Arbeit für einen Tag nieder. Mit dem «Frauenstreik» prangerten sie die zu langsame Umsetzung des Verfassungsartikels an, der gleiche Rechte für Mann und Frau versprach. Die Stimmung zum Kochen brachte schliesslich die Nichtwahl von Christiane Brunner in den Bundesrat am 3. März 1993. Die Bundesversammlung hatte an ihrer Stelle den Neuenburger Francis Matthey zum Nachfolger von Bundesrat René Felber gewählt. Für die SP war es nach der Wahl Otto Stichs anstelle Lilian Uchtenhagens im Dezember 1983 bereits das zweite Mal, dass statt der von der Partei vorgeschlagenen Frau ein Mann gewählt wurde. Matthey wurde in der Folge von der eigenen Partei unter Druck gesetzt, auf das Amt zu verzichten, was er schliesslich auch tat. Eine Woche später wurde Ruth Dreifuss in den Bundesrat gewählt.

Als Folge der Nichtwahl Brunners wurde noch am selben Tag die Quoteninitiative lanciert. Diese forderte eine gerechte Verteilung in den Bundesbehörden: Im Bundesrat sollten mindestens drei Frauen Einsitz nehmen. Sieben Jahre später, als die Initiative zur Abstimmung gelangte, schmetterte das Volk das Begehren mit 70 Prozent ab. Seit 2007 sind mit Micheline Calmy-Rey, Doris Leuthard und Eveline Widmer-Schlumpf allerdings auch ohne Initiative drei Frauen im Bundesrat. Für die SP zu wenig. Die heuer als Bundesratskandidatin gehandelte Winterthurer SP-Nationalrätin Jacqueline Fehr sagte noch am Tag der verlorenen Abstimmung zur Quoteninitiative im Jahr 2000 in einem Zeitungsinterview: «Wir wollen eher vier Frauen als drei im Bundesrat.» Ihre Zürcher Kollegin Christine Goll forderte gar «zur Abwechslung sieben Frauen im Bundesrat».

«Die Gleichstellungspolitik ist nötig wie eh und je»

Sieben Bundesrätinnen wird es vorerst nicht geben, aber die Chancen stehen gut, dass am 22. September mindestens eine weitere Frau in die Regierung gewählt wird. Für eine SP-Bundesrätin müsste das ein Anlass zur Freude sein.

Nicht so für Calmy-Rey. Sind für die Partei Gleichberechtigungsfragen nicht mehr aktuell, weil diese die Generation Playstation nicht mehr interessieren? I

Die Journalistin und Autorin Esther Girsberger («Abgewählt – Frauen an der Macht leben gefährlich») räumt zwar ein, dass Gleichberechtigung bei der jungen Generation, die nicht dafür kämpfen musste, nicht so eine reflektierte Angelegenheit sei, wie das bei der Pioniergeneration der Fall gewesen sei. Die Hauptmotivation für Calmy-Reys Ausspruch sieht sie auf Anfrage von 20 Minuten Online indessen anderswo: «Die Bundesrätin ist bekannt dafür, dass sie gerne Aufmerksamkeit hat und befürchtet nun, diese zu verlieren.» Deshalb könne man in diesem Zusammenhang auch nicht sagen «wenn eine SP-Bundesrätin so etwas sagt», sondern «wenn Calmy-Rey so etwas sagt».

Kommentar: Früher wie heute darf die Geschlechterfrage nicht dazu führen, dass das Geschlecht wichtiger ist als die Kompetenz einer Persönlichkeit. Es darf weder Alibifrauen noch Alibimänner geben.

Quotenreglungen waren und sind auch heute noch fragwürdig.

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