Freitag, 21. Mai 2010

HAT DAS FERNSEHEN DEN FUNDAMENTALISTEN ZU VIEL PLATZ EINGERAEUMT?

Solche Bilder lösen in der Oeffentlichkeit Abwehrreflexe aus

Unter Kommunikation verstehen wir bei uns : Offen kommunizieren, sich ins Gesicht schauen können - das Gesicht zeigen - die Brücke zum Du aufbauen. Dass uns Gesichtsverschleierungen irritieren, ist verständlich. Diese Problematik darf und muss diskutiert werden. Auch vermummte Einbrecher und Kravallanten lösen unangenehme Gefühle hervor. Wer sein Gesicht nicht zeigen will, scheint etwas bewusst zu verbergen.

Die verschleierte Nora Illi wurde verständlicherweise ein Quotenhit. Nicht nur beim Schweizer Fernsehen. Auch TeleZüri brachte ein Interview mit dem "sprechen Tuch" Traumeinschaltquoten. Wir müssen nachträglich zur Kenntnis nehmen, dass es nicht das Fernsehen war, das die Burkathematik gepusht hat. Bei der Islamfrage liegt seit der Minarettinitiative eine diffuse Angst in der Luft. Seit Wochen wird zudem die Verhüllung von Frauen europaweit diskutiert. In Frankreich wurde seit Monaten über ein Verbot diskutiert. Belgien hatte jüngst ein Verbot eingeführt und in der Schweiz wurde nicht nur durch den Entscheid des SP Gemeindepräsidenten a in Grenchen entschieden, dass niemand an einem Schalter verschleiert erscheinen dürfe. In verschiedenen Parlamenten, Kantonsregierungen und selbst im Bundesrat war die Diskussion über die Vermummung seit Wochen ein Dauerthema. Die Bischofkonferenz befürwortet ein Burkverbot. Es gibt sogar eine Standesinitiative für ein Verbot. Die Frage wird diskutiert: Darf man sich der Identifikation durch Verschleierung entziehen (Autofahren, in der Oeffentlichkeit)? Ich bin der Ueberzeugung, dass man dieses Problem weder mit Ausklammern noch durch Totschweigen lösen kann. Das Fernsehen musste somit das Thema aufgreifen und ausleuchten. Nun wird jedoch nachträglich dem Schweizer Fernsehen vom Medienminister vorgeworfen, es habe den Extremisten zu viel Sendezeit eingeräumt, weil einige Fundamentalisten die Plattform für ihre Botschaften geschickt nutzen können.

Unser Medienminister rüffelt heute das Fernsehen nachträglich

Ich zitiere blick

23. 4. 2010, «ARENA», «Radikale Muslime im Aufwind?» «Die Steinigung der Frau gehört zu einem Teil der Glaubensfreiheit. Ich meine ... der Glaube daran. Das heisst ja dann nicht, dass man das auch umsetzt.» Nicolas Blancho, IZRS-Präsident (SF)
30. 3. 2010, «Club», «Wie gefährlich sind Fundamentalisten?» «Wenn radikal der Glaube bedeutet, dass der Koran Wort für Wort von Gott offenbart worden ist, dann bin ich radikal. Wir können die Schriften des Korans nicht relativieren.» Qaasim Illi, IZRS-Sprecher (SF)
11. 5. 2010, «Club», «Braucht die Schweiz ein Burka-Verbot?» «Das Kopftuch ist für die muslimische Frau eine Pflicht. Der Nikab, den ich ­trage, ist eine zusätzliche Ehrerbietung, die ich Allah gegenüber ­mache.» Nora Illi, ­IZRS-Frauenbeauftragte (SF)
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11.  5. 2010, «Club», «Braucht die Schweiz ein Burka-Verbot?» «Das Kopftuch ist für die muslimische Frau eine Pflicht. Der Nikab, den ich ­trage, ist eine zusätzliche Ehrerbietung, die ich Allah gegenüber ­mache.» Nora Illi, ­IZRS-Frauenbeauftragte (SF)

Kaum je hat eine Splittergruppe die Schweizer Medien mehr beherrscht als der Islamische Zentralrat Schweiz (IZRS).

Auch das Staatsfernsehen hat einen Narren gefressen an der Organisation, ­deren knapp 40 Aktivmitglieder mehrheitlich konvertierte junge Schweizer sind. Ihre Posi­tionen – Polygamie, häusliche Gewalt und Billigung der Steinigung – sind radikal.

Doch der IZRS erhielt vom Gebührensender, der durch den Service-public-Auftrag zur Ausgewogenheit verpflichtet ist, innerhalb von sieben Wochen gleich dreimal eine Medienbühne, von welcher manche Parteien nur träumen.

Am 30. März durfte IZRS-Sprecher Qaasim Illi im «Club» sein ultrakonservatives Weltbild verbreiten. Am 23. April widmete SF der jungen Organisation eine ­eigene «Arena». Gast war IZRS-­Präsident Nicolas Blancho. Letzten Dienstag durfte Nora Illi (26), IZRS-Frauenbeauftragte und Gattin von Qaasim Illi, im medienwirksamen Nikab von der Freiheit hinter dem Schleier schwärmen.

Nun hagelt es beim Schweizer Fernsehen Kritik von allen Seiten. Zwar wird goutiert, dass sich SF des Themas Islamismus annimmt – doch dass einer Kleinstgruppierung derart viel Platz eingeräumt wird, stösst auf Unverständnis. «Das Schweizer Fernsehen übertreibt», sagt Medienwissenschaftler Roger Blum (65). Zum einen gebe es Gruppierungen, die den Islam in der Schweiz weitaus besser repräsentieren. Zum anderen findet er das Talkshow-Format falsch: «Bei einer Reportage ist die journalistische Kontrolle höher als in einer Diskussionssendung.» Es sei zuverlässig erwiesen, dass solche Auftritte mit Redegelegenheit bei einem Teil des Publikums propagandistische Wirkung haben.

Auch SP-Medienminister Moritz Leuenberger ärgert sich über die Islamistenbühne Leutschenbach. «Das zeigt ein Ringen um Aufmerksamkeit und Einschaltquoten», sagt der Bundesrat zu SonntagsBlick. «Es verzerrt die Wirklichkeit, denn im Schweizer Alltag sind weder Burkas zu sehen noch Hassprediger zu hören. Wenn das so weitergeht, tritt in jeder Sendung mindestens eine Burkaträgerin auf, eine Quotenburka gewissermassen.»

Die massive Medienpräsenz des IZRS schüre Ängste, gibt Herbert Winter (63) zu bedenken, der Präsident des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes. Es sei «problematisch, dass SF, aber auch andere Medien dem Zentralrat so viel Publizität einräumen».

SF-Chefredaktor Hansruedi Schoch verteidigt die Auf­tritte: «Sowohl ‹Club› als auch ‹Arena› haben das Thema aus verschiedenen Perspektiven und aufgrund unterschiedlicher Aktualitätslagen beleuchtet. Der Zentralrat war zwar vertreten, aber jeweils nur als eine Stimme unter vielen; ­andere muslimische Gruppierungen kamen ebenso zu Wort.» In der «Arena» allerdings war Nicolas Blancho der einzige Muslimvertreter am vorderen Stehpult. 

Genervt: Leuenberger rüffelt SF. (Keystone)
Genervt: Leuenberger rüffelt SF. (Keystone)

Kommentar: Medienminister Leuenberger rüffelte das Schweizer Fernsehen nach meinem Dafürhalten zu Unrecht. die Medien mussten die Thematik verarbeiten. Wenn Fundamentalisten medienrhetorisch so gut geschult sind, dass sie dominieren können, dann liegt der Fehler an den Kontrahenten, die nicht gelernt haben, eine trainierte Extremistin zu entlarven. Ausser den Moderatoren haben die Wenigsten Nora Illi eine klare Antwort abgerungen und bei den Ausweichmanövern konsequent nachgefragt, beispielsweise: "Sagen Sie jetzt vor der Oeffentlichkeit deutsch und deutlich, dass SIE PERSOENLICH die Genitalbeschneidung, die Zwangsehe, den Ehrenmord, die Steinigung von Ehebrecherinnen, das Schlagen von Frauen ablehnen!"

Wenn hernach die übliche Ausweichformulierung folgen (z.B. "Dies gibt es bei uns in der Schweiz nicht" oder: "Das ist in der Schweiz kein Thema!") müsste nachgegriffen, nachgehakt und nachgefragt werden, bis die geschulte Fundamentalistin nicht mehr ausweichen kann und sich von solchen menschenverachtenen Ritualen wenigstens verbal öffentlich distanziert. Das Thema extremer Konvertiten dürfen wir nicht unter den Tisch kehren, nur weil derzeit nur wenig burkatragende Frauen auf der Strasse anzutreffen sind. Es geht bei diesen heiklen Fragen nicht um die Anzahl von Extremisten. Es geht um die Bereitschaft ihrer Integration und das Aufdecken des Vorspielens falscher Sachverhalte.

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