Informationsflut kann stressen - was tun?
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Reden ist Gold, mailen ist Silber
Tipps
Reden ist Gold, mailen Silber Wer viele E-Mails schreibt, erhält viele E-Mails. Wer lange Memos schreibt, hat viele Rückfragen. Wer Hinz, Kunz, Gott und den Rest der Welt ins «Cc» aufnimmt, ersäuft irgendwann in der Flut. E-Mail nur für kurze, klare Mitteilungen verwenden. Wird oder ist der Sachverhalt kompliziert: ein Gespräch vereinbaren oder telefonieren. «Weiterleiten» und «Antwort an alle» sind nur in den seltensten Fällen angebracht. Lassen Sie sich von den Verteilern nehmen – holen Sie sich die Informationen, die sie brauchen. Statt alles per E-Mail verteilen: öffentliche Ordner anlegen, in denen allgemeine Informationen wie Protokolle zentral abgespeichert und eingesehen werden können.
Nehmen Sie den Inhalt sämtlicher Bücher, die jemals geschrieben wurden und multiplizieren Sie ihn mit 50'00'000 – das ist ungefähr die Menge der Informationen, die wir Menschen im Jahr 2007 erschaffen haben. Tendenz zunehmend. «In der Schweiz wächst der digitale Datenberg bis 2010 auf 10 Exabyte», sagt Christophe Touton, General Manager Xerox Switzerland. Würde alles ausgedruckt, müsste jeder von uns rund 320 Tonnen Bücher ins Regal stellen – Auflage jeweils ein Stück, wohl verstanden. Und wer liest das alles? Wir natürlich. Allein mit E-Mails beschäftigt sich der Schweizer Arbeitnehmer 1 Stunde und 20 Minuten pro Tag – im Durchschnitt. Touton: «Laut einer Studie von Basex vernichtet die Informationsflut in den USA jährlich rund 650 Milliarden US-Dollar an Produktivität.»
Grenzen des Schnelllesens Da hilft nur eines: schneller lesen? «Nein, denn das ist nur mehr vom Gleichen», sagt Ruth Wenger, Entwicklerin von «alphaskills» aus Baar. Es brauche einen neuen Umgang mit der Information – und vor allem einen anderen Zugang zum Gehirn. Der Engpass beim Lesen ist das Wernicke-Zentrum: Es liegt in der linken Hirnhälfte, arbeitet sequenziell, schafft höchstens drei Wortpakete pro Sekunde. Das ergibt beim durchschnittlichen Leser 200 bis 250 Wörter in der Minute. Mit Schnelllesetechniken bringe man es auf bis zu 450. Aber da ist Schluss. «Liest man schneller, kommt es zu einem Overload – die Augen folgen den Zeilen, aber man nimmt nichts mehr auf.» Haben wir keine Zeit, die Infos zu verarbeiten, geraten wir in Stress: Die Herzfrequenz steigt, die Muskeln verspannen sich. Und im Gehirn sind vorwiegend Beta-Wellen (14–40 Hertz) messbar – es laufen Nebenprogramme, in der Hirnforschung «random thinking» genannt, unwillkürliches Denken. Das reduziert die Aufnahmefähigkeit, wir geraten noch mehr unter Druck. Eine Negativspirale. Wer mehr Information aufnehmen und verarbeiten will, muss auf die visuellen Gehirnfunktionen umschalten – sie nehmen schneller und umfassender wahr. «Unser Gehirn erkennt den Inhalt eines Bildes in 1/24 Sekunde», sagt Ruth Wenger. Lerne man, schriftliche Information visuell aufzunehmen, steige die Kapazität um ein Vielfaches: Relevante Informationen werden mit bis zu 3000 Wörtern pro Minute geortet. Damit das funktioniert, müsse man sich in einen physisch entspannten, mental klaren Zustand versetzen – tiefe Herzfrequenz, geringe Muskelspannung, im Gehirn Alpha-Wellen (8–14 Hertz). «Der Alpha-Zustand ist die Grundlage visueller Lesetechniken», sagt Wenger. Und eine Voraussetzung, damit die Information selbst bei sehr hohem Tempo kognitiv aufgenommen werden kann. Sich in den Alpha-Zustand zu versetzen könne man innerhalb einer Stunde lernen. Dann noch zwei, drei Tage üben – und man sei fähig, Infos drei- bis fünfmal schneller zu verarbeiten. Weitere Strategien gegen Datenberge: Reduzieren, Filtern, Redundanzen-Eliminieren. Willy Knüsel, Trainer für Arbeitstechnik aus Solothurn, empfiehlt, sich einige Binsenwahrheiten zu Herzen zu nehmen (siehe Box). Ausserdem: Wer E-Mails unnötigerweise beantwortet, etwa mit «Mach ich», ist ein Spammer – überflügelt nur noch von jenen, die dafür auch noch eine Lesebestätigung anfordern.
Klare Regeln
Frank Brinken, CEO des Maschinenbauers StarragHeckert, bewältigt die Informationen pragmatisch bis drakonisch: An ihn adressierte E-Mails werden automatisch markiert, nicht beflaggte löscht er ungelesen, wenn die Zeit knapp ist. Und wie schützt er sich vor unerwünschten E-Mails? «Intern durch ein ruhiges Wort, Externe werden konsequent abgemahnt.» Das wirke, ebenso wie klare Spielregeln: Maximal fünf Personen auf dem Verteiler, Anhänge müssen kleiner als 1 MB sein. Brinken erhält pro Tag 30 bis 50 Mitteilungen, fast nie komme etwas mehrfach.
Scannen, digitalisieren, kategorisieren, sortieren und zusammenstellen – auch computergestütztes Dokumentenmanagement kann helfen, der Informationsflut Herr zu werden. Xerox, IBM, Microsoft, Intel und weitere führende IT-Unternehmen haben 2008 die Information Overload Research Group gegründet. Sie soll Lösungen entwickeln zur Bewältigung der Informationen aus Handys, E-Mails, Instant Messengers und Druckdokumenten. Das Ziel: Die unnötigen Unterbrüche des Arbeitsflusses reduzieren – diese beanspruchten inzwischen 28 Prozent des Arbeitstags eines «Kopfarbeiters». Weitere 45 Prozent verbrauche er beim Verarbeiten von Information und an Meetings, 15 Prozent für Recherchen. Zum Nachdenken und Reflektieren verblieben ihm noch magere 12 Prozent – eine knappe Stunde pro Tag.
Stress vermeiden
«Wir brauchen mehr Kompetenz im Umgang mit Information», sagt Ruth Wenger. Filtern und Aufnehmen sei das eine. Verarbeiten, Verknüpfen, Ablegen und Erinnern das andere. «Am besten funktionieren visuell strukturierte Ankermethoden.» Dann brauche das Gehirn zum Erinnern bloss Stichworte: Wer das Haar vom Schwanz vom Elefanten in der Hand hat, kann den Elefanten wieder herbeiziehen. Und, ganz wichtig, Stress vermeiden. Denn: «Wann kommen Ihnen die besten Ideen oder die Lösungen zu Problemen?» Am Morgen nach dem Aufwachen, unter der Dusche, beim Joggen – immer dann also, wenn man sich gar nicht explizit mit den Fragen auseinandersetzt. Wenn das Gehirn den Freiraum hat, jene Verknüpfungen zu machen, die zum richtigen Entscheid führen.
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