Ein falscher Blick - schon kracht es
Ein Lehrling aus Zürich sagte: "Ich kann keinen mehr anschauen, ohne dass es gleich heisst: Du hast mich angefickt. Dann kommt es gleich zu einer Schlägerei."
Würde der Rat angeblicher Experten befolgt werden, müssten wir bei einer Gruppe Jugendlicher der Blickkontakt vermieden werden, um keine Prügel zu beziehen.
Psychologe Claude Messner der Uni Basel sagt jedoch:
"Der Blickkontakt ist Ausdruck von Sympathie, Interesse und Aufmerksamkeit". Von klein auf lernen wir, dass Blickkontakt positiv ist.
Messner weist aber auch darauf hin, dass Blickkontakt bedrohlich wirken kann und fügt an:
"Jugendliche fühlen sich beobachtet. Da heisst es schnell: Hey Alter, hast du ein Problem?"
Wichtig sei deshalb, nicht zu starren, denn das Starren ziehe Aufmerksamkeit auf sich und dies wolle niemand.
Soll man nun absichtlich wegschauen?
Absichtliches Wegschauen wirkt unsicher, schüchtern und kann nach Messner gegenteiligen Effekt haben. Der Psychologe rät:
Selbstbewusst anschauen, aber nicht starren!
Mit der Körperhaltung ausdrücken, dass man keine Angst hat.
Wer ein mulmiges Gefühl hat, soll zügig weitergehen- ohne Blickkontakt- er soll vielleicht sogar die Strassenseite wechseln.
Kommentar:
Der Blickkontakt beschäftigt uns in den Seminaren immer wieder.
- Der Blick weckt Aufmerksamkeit
- Der Blick ist ein Steuerungsinstrument
- Dank Blickkontakt können wird aus einem Monolog ein "Dialog" machen. Der Redner kann wahrnehmen, wie die Zuhörer reagieren.
- Das Publikum fühlt sich angesprochen.
- Die Augen sind die" Fenster zur Seele". Die Augen dürfen nicht verdeckt werden (dunkle Brille). Wer sich nicht in die Augen blicken lässt, wirkt so, als wolle er etwas verstecken.
- Die Distanz zum Gegenüber und die jeweilige Situation spielt eine grosse Rolle.
Aus grosser Distanz ist der Blickkontakt weniger bedrohlich und intensiv.
Auch das Geschlecht hat einen Einfluss: Ein Mädchen möchte beispielsweise vom Klassenleher nicht fixiert werden. Es fragt sich: Warum schauen Sie mich immer an?
- Je nach Kultur wird der Blickkontakt unterschiedlich interpretiert.
Bei uns lernt man den Mädchen: "Schau dem Onkel in die Augen! Es ist unanständig, wegzuschauen!"
Schaut jedoch später die junge Frau im den Ferien bei der Begrüssung einem Mann in Tunesien in die Augen, so fasste er dies als "Aufforderung zum Tanz" auf. Es kommt dadurch zu einem Missverständnis.
- In der Tierwelt gibt es das Phänomen, dass beispielsweise Berggorillas angreifen, wenn sie angeschaut werden. Der bekannte Tierfotograf Dossenbach erzählte mir, dass er bei den Siberrücken (Männchen der Bergorillas) immer in gebückter Haltung - und ohne Blickkontakt aufzunehmen - problemlos vorbeigehen konnte.
Vielleicht geht es bei den Jugendlichen um ein analoges Phänomen wie bei den Bergorillas.
Sie deuten den Blickkontakt als Angriff. Wir wollen in diesem Beitrag die Analogie "Affen-Halbstarke" nicht auf andere Bereiche ausdehnen. Dies überlassen wir den Leserinnen und Lesern.
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