Sonntag, 6. März 2016

AUS NZZ:

Zur Rhetorik-Ausbildung an Schweizer Schulen
Die Kunst des richtigen Redens

«Es trägt Verstand und rechter Sinn / Mit wenig Kunst sich selber vor; / Und wenn's euch ernst ist, was zu sagen, / Ist's nötig, Worten nachzujagen?» - Diese Frage des Faust lässt sich für die Schweiz leicht beantworten: Rhetorik
«Es trägt Verstand und rechter Sinn / Mit wenig Kunst sich selber vor; / Und wenn's euch ernst ist, was zu sagen, / Ist's nötig, Worten nachzujagen?» - Diese Frage des Faust lässt sich für die Schweiz leicht beantworten: Rhetorik und Debattierkultur haben an den Schulen kaum Fuss gefasst und werden nicht systematisch gefördert. Immerhin lassen sich in den Landesteilen unterschiedliche Einstellungen zur Rhetorik nachweisen: Bringt man ihr in der Deutschschweiz in der Regel ausgeprägte Skepsis entgegen, stösst sie in der Romandie als Bestandteil der französischen Sprachkultur auf weniger Vorbehalte. Weil es dort schon verhältnismässig lange Jugendparlamente gibt, werden bereits junge Menschen mit Vortrags- und Debattiertechniken vertraut gemacht.


Mehr Aufgeschlossenheit als die Deutschschweizer zeigen auch die Tessiner, für die zum wohlklingenden «parlare» auch eine den Vortrag und die damit verbundenen Absichten unterstützende Körpersprache gehört. «Deutschschweizer Redner bevorzugten hingegen die Gleichförmigkeit, um sich nicht dem Vorwurf des als verwerflich eingestuften Schönredens auszusetzen», bemerkt der Schweizer Kommunikationsberater und Medienpädagoge Marcus Knill. «Man beherrscht sich, reduziert die Körpersprache und beschränkt sich rein auf die Verbalsprache», meint Knill, der dem deutschsprachigen Landesteil eine «amputierte Redekultur» bescheinigt. Knill plädiert für den Begriff der «angewandten Rhetorik», die nicht als Kosmetik missverstanden werden dürfe. Zu dieser Technik gehören einfache Sätze, durchdachter Aufbau mit rotem Faden, Kürze und das Einfügen konkreter Beispiele. Rhetorik, so Knill, sei «das permanente Bemühen um Präsenz».
In den Mittelschulen einiger Kantone ist die Rhetorik zumindest in ihren Anfängen bereits integriert, oftmals werden einzelne Elemente in den Deutschunterricht eingebaut. Eher ungewöhnlich ist der Weg, den das Baselbiet im Vergleich zu anderen Kantonen gewählt hat. Dort haben an allen Diplommittelschulen (DMS) Schüler der zweiten und dritten Klassen die Möglichkeit, aus dem Angebot der «berufsspezifischen Vorbereitungskurse» zwei Semester lang auch den Kurs «Gesprächsführung» zu wählen. Teilnehmer können sich dabei gezielt auf Vorstellungsgespräche, mündliche Prüfungssituationen und Konfliktfälle vorbereiten. «Der Zuspruch fällt so hoch aus, dass wir diese Kurse doppelt führen. Viele Teilnehmer wollen Primarlehrer werden oder streben paramedizinische Berufe an», sagt dazu Guy Kempfert, Rektor Gymnasium Liestal/DMS und als Geisteswissenschafter in Rhetorik ausgebildet. Ob Baselbieter Maturanden ihre Rhetorikfertigkeiten in einer eigenen Lehrveranstaltung verbessern können, hängt von der jeweiligen Lehrstätte ab: Nicht jedes Gymnasium bietet dieses Thema als Wahlkurs an.

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