Das Abschieben von Flüchtlingen kann mit Tricks verhindert werden
Deutschland will die Abschiebung forcieren
Doch ist dies nicht so einfach.
Es hat sich gezeigt, dass in Deutschland jene, die erfahren, dass sie abgeschoben werden sollen, sofort bei Freunden abtauchen.
In der Schweiz sollen alle Asylanten einen Rechtsbeistand erhalten. Dieser soll vom Staat bezahlt werden.
Dadurch können Abschiebungen monatelang und länger verzögert werden.
Alle Länder wollen Asylanten, die nicht an Leib und Leben bedroht sind, so rasch als möglich zurückschicken. Doch das ist nur ein frommer Wunsch. Abschiebungen gehen nicht so einfach.
Ich zitiere die ZEIT:
Es hat fast schon
rituelle Züge, was in Osnabrück passiert, wenn eine Abschiebung ansteht.
Pflichtschuldig informieren die Behörden den oder die Betroffenen vorab
über den geplanten Termin, so will es das niedersächsische
Innenministerium. Der Asylbewerber gibt das Datum einem Vertrauten
durch, der wiederum das Osnabrücker Aktionsbündnis "No Lager" alarmiert. Eine Telefonkette, in der Hunderte von Abschiebungsgegnern hängen, läuft heiß.
Wenn
schließlich die Polizei anrückt, um den Flüchtling zur Abreise zu
eskortieren, stehen 50, 70, manchmal 90 Menschen zur Blockade bereit,
selbst früh morgens um vier. Nach einer Weile ziehen die Polizisten, von
höherer Stelle zur Zurückhaltung angewiesen, dann eben wieder ab. Es
soll sogar vorkommen, behauptet "No Lager", dass die Polizei erst gar
nicht mehr auftaucht. Der Boykott ist dann reine Formsache.
Unter Abschiebungsgegnern bundesweit gilt Osnabrück mittlerweile als Mekka. Nirgendwo sonst wird so erfolgreich Abschiebung
boykottiert. Die Aktivisten bekommen Besuche von außerhalb oder werden
zu Vorträgen eingeladen. Und im Internet verkünden sie triumphierend
ihre Einsätze wie Treffer in der Torschützenliste. "37. Abschiebung in
Osnabrück verhindert!", lautete die jüngste Meldung von Mitte Juli.
Manche Länder wie Bayern oder neuerdings Sachsen-Anhalt verschweigen den
Abschiebetermin daher mittlerweile, zumindest, solange keine Kinder
involviert sind. Kritiker halten das zwar für menschenunwürdig. Doch
nicht selten tauchen Asylbewerber eben auch ab, bis der geplante Flug
abgehoben hat. Oder sie verlieren den Pass, bekommen plötzlich
Herzprobleme und zücken ein Attest vom Arzt, das einem ihrer Kinder
Fluguntauglichkeit bescheinigt.
Politiker fast jeder Couleur
drängen daher immer heftiger auf schnellere und mehr Abschiebungen.
Unterschwellig schüren sie damit die Hoffnung, dass so das
Flüchtlingsproblem entschärft werden könnte. Doch das ist völlig
unrealistisch. Innenminister Thomas de Maizière (CDU)
hat zwar ein Papier zur "Eindämmung der Asylmigration" erarbeitet, um
schneller abschieben zu können. Doch so gut wie alle in dem aufwendigen,
komplexen Prozess involvierten Stellen sind schon jetzt überfordert,
und das bei sehr überschaubaren Abschiebezahlen.
"Mehr
Abschiebungen sind schon allein deshalb nicht umzusetzen, weil der
Bundespolizei das Personal dafür fehlt", sagt Klaus Borghorst,
Vorstandsmitglied der Polizei-Gewerkschaft GdP. Innenminister de
Maizière habe zwar Mitte der Woche versprochen, 2016 150 Stellen mehr
für Rückführungsbegleitungen zu schaffen. "Aber das ist ein Klacks." Bei
der Bundespolizei insgesamt, die den Ländern bei der Abschiebung
Amtshilfe leistet, fehlten derzeit insgesamt rund 3000 Stellen.
Rückführungsbegleitungen darf auch nicht jeder machen, dazu ist ein
dreiwöchiger Lehrgang nötig. Nur 630 Beamte sind einem
Bundespolizei-Sprecher zufolge eigens geschult.
"Abschiebung",
sagt auch der Thüringer Landrat Peter Heimrich desillusioniert, "ist
ein zahnloser Tiger. In dieser ganzen Debatte macht sich der Rechtsstaat
derzeit lächerlich." Wie fast alle Kommunalpolitiker Deutschlands jagt
der Sozialdemokrat derzeit fast rund um die Uhr neuen
Flüchtlingsunterkünften nach und fühlt sich dabei wie Sisyphos, weil der
Zustrom in seinen Kreis Schmalkalden-Meiningen täglich wächst. Ganze
sechs Abschiebungen von Einzelpersonen oder Familien hat die Thüringer
Zentrale Abschiebestelle (ZAS) in diesem Jahr in seinem Kreis 2015
angeordnet.
Deutschland wird immer attraktiver für Flüchtlinge
Und
davon waren drei geplatzt, unter anderem die einer Familie aus dem
Kosovo mit neun Kindern und zwei Dutzend polizeilichen Anzeigen,
vorwiegend wegen Ladendiebstählen oder Hausfriedensbruch. Bei der
geplanten Abholung fehlte plötzlich der 13-jährige Sohn spurlos. Die
Abschiebung per Flugzeug, die 15.000 Euro kostete, wurde abgebrochen.
"Die Stimmung an der Basis kippt total", sagt Landrat Heimrich mit Blick
auf derartige Fälle düster. Er fühle sich vom Bund allein gelassen.
"Wenn das so weitergeht, gibt es einen sehr heißen Herbst und keine
gemütlichen Weihnachten."
Offenkundig
ist weithin bekannt, dass Deutschland beim Abschieben nicht durchgreift
– anders als etwa die Schweiz oder Norwegen, wo etwa Gesuche von Flüchtlingen aus dem Balkan
binnen 48 Stunden erledigt sind. Der Asylrechtler, Professor an der
Universität Konstanz und ehemalige Berater der Bundesregierung, Kay
Heilbronner, hält das sogar für den größten Schwachpunkt: dass
abgelehnte Entscheidungen nicht vollzogen werden und die Bundesrepublik
dadurch attraktiv für Flüchtlinge wird.
2014
hat Deutschland 10.884 Menschen abgeschoben, kaum mehr als ein Jahr
zuvor (10.200). Zugleich stiegen die Asylanträge von 127.000 auf fast
203.000. Mittlerweile ziehen die Zahlen zwar etwas an. Im ersten
Halbjahr wurden 8178 Menschen zurückgeschickt, die meisten per Flugzeug.
Mehr als ein Viertel (2293) musste von Bundespolizisten begleitet
werden. Nach den aktuellsten Zahlen vom 31. Mai wären aber eigentlich
mehr als 175.000 abgelehnte Asylbewerber ausreisepflichtig gewesen,
50.000 davon sogar ohne Duldung.
Ohne
Widerspruch nimmt so gut wie kein Asylbewerber eine Ablehnung hin. "99
bis 100 Prozent" der Betroffenen legen Einspruch ein, wie
Innenministerien von Bayern bis Mecklenburg-Vorpommern übereinstimmend
berichten. Es werden Folgeanträge gestellt, Arztatteste präsentiert,
Härtefälle geltend gemacht, die Gerichte eingeschaltet, woraufhin
abermals Prüfungen anlaufen und wieder Monate vergehen.
Noch im Flugzeug wird Widerstand geleistet
Wenn
all das nicht greift, fehlt bei dem einen Rückzuführenden plötzlich der
Pass, der andere hat Panikattacken und kann nicht reisen, der Dritte
ist, wie der Junge aus Meiningen, gleich ganz verschwunden. Und zu guter
Letzt beantragen viele dann Beihilfen für eine freiwillige Rückkehr in
ihre Heimat. Dafür werden Fahrkarten, teilweise Prämien und auch
Starthilfen gezahlt. Für die Länder ist dieser Weg zwar billiger als die
Zwangsabschiebung. Doch dafür gibt es keinen Sperrvermerk im Pass. Und
nicht wenige, berichtet etwa das baden-württembergische
Innenministerium, kehren dann im nächsten Jahr zurück.
Dazu
kommen praktische Probleme: Flugzeuge sind zu chartern, womöglich eine
Begleitung bis in die Herkunftsländer zu organisieren. Air Berlin
ist die einzige Fluglinie, die diesen Service bietet. Und selbst wenn
Flüchtlinge schließlich in der Maschine sitzen, kann die Abschiebung
noch scheitern: Manche leisten selbst noch im Flugzeug derart heftig
Widerstand, dass der Kapitän eine Mitnahme verweigert. 2014 scheiterten
immerhin 141 Abschiebungen aufgrund von "Widerstandshandlungen", vor
allem durch Personen aus Somalia und Eritrea. In 74 Fällen weigerte sich
der Pilot, eine renitente oder auffällige Person zu transportieren. Die
meisten Ablehnungen kamen von der Lufthansa und Germanwings. Mehrere
Dutzend Abschiebungen mussten zudem aus medizinischen Gründen
abgebrochen werden.
Der
Personaleinsatz ist enorm. Bei zu Gewalt neigenden Personen sind zwei
Begleiter an Bord nötig, Familien sind meist ruhiger. Aber dennoch
sitzen bei 50 bis 70 Flüchtlingen mindestens 30 Beamte mit an Bord. Die
müssen im Herkunftsland angemeldet sein, außerdem gute Nerven und viel
Geduld haben. "Da wird gespuckt, getreten, es gibt auch mal blaue Augen
oder dicke Lippen", sagt GdP-Vorstand Borghorst. Es sei auch
vorgekommen, dass sich Menschen selbst verletzten wollten oder im
Flieger randalierten. Daher müssen sich alle bis auf die Unterwäsche
ausziehen und etwa nach Rasierklingen oder Waffen durchsucht werden.
Ein
immenses Problem für die Bundespolizei ist auch, dass die Länder oft
sehr viel weniger Asylbewerber zum Flughafen bringen, als sie angemeldet
hatten, so ein Sprecher der Bundespolizei. Regelmäßig würden nur
zwischen 30 und 40 Prozent tatsächlich "zugeführt". Die Folge: Die
Hälfte der eingeplanten Rückführer wird nicht benötigt und bleibt am
Boden. "Für diesen Tag stehen sie der Bundespolizei aber für andere
polizeiliche Aufgaben an ihren Heimatdienststellen nicht zur Verfügung",
so der Sprecher der Bundespolizei.
Günter Burkhardt, Geschäftsführer von Pro Asyl,
hält von dem Instrument Abschiebung ohnehin nichts. "Die Politik
scheint auf Abschreckung zu setzen. Die überwiegende Mehrheit der
Flüchtlinge wird aber bleiben", sagt er. Statt eine Drohkulisse
aufzubauen, müsse die Politik die Menschen auf diese Tatsache viel
stärker vorbereiten – und in Integration investieren statt in
Sammelflieger.
FAZIT: Es wäre viel vernünftiger, nur noch echte Flüchtlinge an der Grenze einzulassen. Denn es zeigt sich nicht nur in Deutschland, dass Abschieben zur Farce wird. Die Triage müsste bereits ausserhalb der Schengengrenze erfolgen.
Wer im Land ist, will nicht mehr zurück.
Wer im Land ist, will nicht mehr zurück.
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