Weshalb erhält Schawinski so viele Prügel?
Patrick Rohr, der ehemalige Arena Moderator begründet dieses Phänomen wie folgt:
Doch wieso regen sich alle so über Schawinski auf, wollte
Blick.ch von Patrick Rohr wissen.
Herr Rohr, wieso ist Roger Schawinski so unbeliebt?
Viele
Leute regen sich über seinen Interviewstil auf. Er ist anders, als wir
es uns gewöhnt sind. Die meisten Interviewer in unserem Land stellen
offene Fragen und lassen das Gegenüber in Ruhe antworten. Schawinski
klagt an, stellt Thesen auf, drängt den Interviewpartner in die
Defensive.
Das tun Ueli Schmetzer im Kassensturz und Sandro Brotz in der Rundschau doch auch?
Ja,
aber nicht auf der persönlichen Ebene. Im Kassensturz zum Beispiel
müssen sich Firmenchefs für ihr Handeln rechtfertigen, in der Rundschau
Politiker für ihre Entscheidungen. Bei Schawinksi geraten die Gäste oft
in die Situation, dass sie sich für ihre Persönlichkeit oder ihren
Lebensentwurf rechtfertigen müssen.
Ist das ein Schweizer Phänomen? In Deutschland doch auch mit harten Bandagen diskutiert.
Das
stimmt, gerade in der deutschen Politik wird heftig ausgeteilt, aber
man bleibt auf der Sachebene. In der Schweizer Politik hat die SVP in
den 1990er Jahren einen neuen Stil eingeführt: Man spielt häufig auf den
Mann. Man verurteilt jemanden für das, was er ist oder wie er denkt.
Die SVP hat aber Erfolg damit.
Und
genau das ist die Bigotterie des Publikums. Es ergötzt sich an der
Kontroverse und verurteilt sie gleichzeitig. Wie jetzt bei Schawinski.
Die Sendung mit Thiel hat im Internet astronomische Klickraten,
gleichzeitig hagelt es Beschwerden. Diese Erfahrung habe ich auch als
Moderator der Arena gemacht. Sendungen, in denen es richtig abging,
hatten die höchsten Quoten. Gleichzeitig regten sich dann auch am
meisten Leute auf.
Also mögen die Leute Provokateure wie Schawinski doch?
Zum
Glück gibt es in unserem Land Leute wie Schawinski, sonst wäre es
furchtbar langweilig. Schawinski ist anders, er eckt an, er fällt auf,
er polarisiert. Und er kämpft. Ohne ihn hätte es in der Schweiz nicht so
früh Lokalradio und Lokalfernsehen gegeben.
Viele
werfen Schawinski vor, er sei ein arroganter Selbstdarsteller, der die
anderen einfach fertig machen will, um selber gut dazustehen. Was halten
Sie von diesem Vorwurf?
Dieser Eindruck greift
eindeutig zu kurz. Natürlich hat Schawinski – wie alle Interviewer im
Fernsehen – selbstdarstellerische Züge. Im Unterschied zu vielen hat er
aber eine klare Haltung, eine Moral. Er hat eine Botschaft und will
diese platzieren. Das macht ihn greifbar, aber auch angreifbar. Ich habe
nicht das Gefühl, dass es ihm nur um sich selber geht.
Mit
seiner Art vergrault Schawinski aber seine Gäste. Nationalrätin Natalie
Rickli zum Beispiel sagte, sie wolle sich das nicht antun. Ist sie
feige?
Es gibt ja kein Gesetz, das sagt, dass
man zu Schawinski gehen muss. Es gibt auch zahlreiche Wirtschaftsbosse,
die nicht zu ihm wollen. Wenn es keinen konkreten Anlass gibt, um in die
Sendung zu gehen, verstehe ich das auch. Man ist relativ schnell in der
Verteidigungsrolle, das ist nicht einfach. Man muss kühn sein oder
rhetorisch beschlagen. Und man muss die Sendung als Spiel mit eigenen
Regeln sehen. Wenn man das Gefühl hat, dass man dem gewachsen ist, soll
man in die Sendung.
Thiel hatte auch den Mumm und steht jetzt als grosser Sieger da, der sich nicht provozieren liess.
Ich
denke nicht, dass Thiel der Gewinner ist. Er hat ja gesagt zum Spiel,
es dann aber nicht mitgespielt. Das geht nicht. Thiel hat einen
kontroversen Artikel über den Islam geschrieben, dann soll er sich der
Kontroverse auch stellen. Ich glaube eher, dass die Sendung mit Thiel
ein Ventil aufgemacht hat. Viele Leute dürfen jetzt endlich ihren Frust
über Schawinski abreagieren.
KOMMENTAR: Patrick Rohr hat auf einige wichtige Punkte hingewiesen, die uns bewusst machen, weshalb Schawinski so einen Shitstorm gegen sich selbst ausgelöst hat.
Aus meiner Sicht hat es Thiel vor allem geschafft, einen gefürchteten Profi Moderator mit seiner Ruhe so zu irritieren, so dass dieser die Nerven verloren hat.
Damit vermochte Theil das Spiel kehren. Anstatt, dass wie üblich das Opfer irritiert wurde, wurde der Angreifer destabilisiert.
Ungewöhnliches hat einen besonderen Aufmerksamkeitswert.
Wenn gleich nicht alle Zuschauer mit den ThesenThiels einverstanden sind, so wurde er dennoch von ihnen zum Sieger auserkoren und die Schadenfreude sorgte zusätzlich dafür, dass im Netz Schawinski bei den Kommentaren das Nachsehen hatte. Sicherlich spielte auch der Mitleideffekt eine Rolle, denn
es konnte statistisch nachgewiesen werden, dass Thiel viel mehr unterbrochen wurde und ihm als Befragter nur einen Bruchteil der Redezeit Schawinskis zugestanden wurde.
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