Mittwoch, 11. Juni 2014

Konnte sich Wulff mit dem neuen Buch rehabilitieren?

„Leser wollen keine Selbstschutzbehauptungen von Verlierern“


Marcus Knillglaubt nicht, dass Christian Wulff sein Buch helfen wird.
© OVB
Marcus Knill glaubt nicht, dass Christian Wulff sein Buch helfen wird.

Christian Wulff, Bundespräsident a. D., hat ein Buch geschrieben – um sich zu rehabilitieren. Kann ihm das gelingen?

Marcus Knill, Experte für Medienrhetorik, glaubt nicht daran.

-Warum kann Wulffs Buch kein Erfolg werden?

Ich kenne sein Buch nicht, aber ich weiß: Der Versuch, sich mit einem Buch zu rehabilitieren, gelingt nie, wenn sich der Verlierer nur rechtfertigt und verteidigt. Leser wollen keine Selbstschutzbehauptungen von Verlierern. Wulff müsste wirklich Neues enthüllen – niemand will 20 Euro für jammernde Selbstgerechtigkeit zahlen. Ein Buch zur Selbsttherapie oder als Replik auf die Publikation seiner Noch-Frau steht unter einem schlechten Stern, obwohl es in einem bedeutenden Sachbuchverlag herausgebracht wird. Zudem ist das Buch pikant, weil Wulffs Freispruch noch nicht rechtskräftig ist.

-Was hätte Wulff besser machen sollen?

Wer in Krisen glaubwürdig kommuniziert, seine Schuld offen eingesteht und vor allem Demut zeigt, kann den Kopf unbeschadet aus der Schlinge ziehen. Dafür muss er auch kein Buch schreiben.
-Wulffs Kommunikation vor seinem Rücktritt war ja nicht besonders glaubwürdig.
Deswegen ist auch sein Image in der Öffentlichkeit angeschlagen, obwohl er rechtlich rehabilitiert ist. Die Wahrnehmungspsycholgie lehrt uns: Image schlägt stets die Fakten. Wenn also schon mit einem Buch eine Affäre aufgearbeitet und der angebliche Skandal ins richtige Licht gestellt werden sollen, darf der Betroffene dieses Buch keinesfalls selbst schreiben.

-Wer soll es dann schreiben?

Eine unabhängige Person, die von der Bevölkerung akzeptiert wird und ein gutes Image hat. Nur eine solche Person kann die nötige Außensicht auf diese komplexen Sachverhalte liefern. Wulffs Wunsch, mit einem Buch alles aus seiner persönlichen Sicht zu beleuchten, mag nachvollziehbar sein, transparent ist dieses Projekt aber nicht. Es stellt sich die Frage: Welche Interessen oder Interessenten stecken hinter dieser Publikation?

-Wäre es von Christian Wulff klüger gewesen, es nach seinem Freispruch einfach gut sein zu lassen?

Das Schweigen kann im richtigen Augenblick sehr sinnvoll sein. Nach den Erfahrungen aus der Praxis hätte ich Wulff dringend davon abgeraten, ein selbsttherapeutisches Buch zu schreiben – ich kann mir gut vorstellen, dass er die Vorwürfe und Unterstellungen von damals erneut thematisiert. Das Problem dabei ist: Nochmals erwähnte Skandale oder Gerüchte werden durch die Wiederholung im Langzeitgedächtnis der Leser unnötigerweise zementiert.

-Gibt es auch nur einen Politiker, der mit einem Buch seinen Ruf retten konnte?

Opfer-Biographien, die Erfolg haben, sind Ausnahmen. Gerhard Schröder gelang eine solche im Jahr 2006: Ein Jahr nach der Wahlniederlage kanzelte er die Koalition mit seiner eigenen Partei ab – und hatte damit Erfolg bei den Lesern. Er belegte im Ranking eine Spitzenposition, innerhalb von zwei Monaten erschienen fünf Auflagen. Viele andere hingegen – etwa Peter Hartz oder Rainer Brüderle – schafften mit ihrem Feldzug gegen die Medien einen solchen Durchbruch nicht.
Interview: Barbara Nazarewska

(Quelle: Oberbayerisches Volksblatt und Münchner Merkur)

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