Originell oder kontraproduktiv?
Bio, bodenständig, blond
Die Blondine ist so etwas wie die Alterspräsidentin der Geschlechterstereotypen. Seit Jahrzehnten liefern ihre intellektuellen Defizite und ihre verruchte Sexualmoral die Pointen zahlloser Witze und Zoten.Was ist nun davon zu halten, wenn sich eine linke Politikerin in einem Wahlkampf selber zur Blondine macht? Die Rede ist von Brigit Wyss, der grünen Bewerberin für die Solothurner Kantonsregierung. Die 52-Jährige – im Jahr 2010 offizielle Bundesratskandidatin ihrer Partei – kämpft laut eigener Aussage seit früher Kindheit gegen Rollenmuster. Und jetzt empfiehlt sie sich mit dem Slogan «Bio, bodenständig, blond» für die Wahl vom 3. März. «Ich will erreichen, dass die Leute meinen Wahlprospekt länger anschauen», so wird Wyss in der «Basellandschaftlichen Zeitung» zitiert. «Der Slogan ist mit einem Augenzwinkern zu nehmen, er ist zum Schmunzeln.»
Zum Schmunzeln? Bedauerlicherweise zeigt der Slogan in erster Linie, dass Selbstironie für politische Kampagnen eine gefährliche Ingredienz darstellt. Vor allem, wenn die Selbstironie Selbstzweck ist und nicht über sich hinaus weist. «Bio» enthält ansatzweise ein politisches Bekenntnis, «bodenständig» vermittelt eine Charaktereigenschaft, «blond» hingegen enthält und vermittelt nichts. Der Inhalt der Botschaft besteht aus Haarfarbe und fertig. Selbst wenn die Leute die Wahlsujets tatsächlich «länger anschauen»: Wer so wirbt, kann beim Betrachter den Eindruck erwecken, das anvisierte Amt – oder die Wähler – nicht wirklich Ernst zu nehmen.
Und mit der Komik will es auch nicht recht hinhauen. Witz entsteht durch geistreiches Spiel mit Doppelbödigkeit. Nehmen wir an, ein afrikanischstämmiger CDU-Kandidat priese sich als «schwarz» an: Es wäre witzig, weil schwarz die politische Farbe der CDU ist. Der blonden Wyss hingegen fehlt der Witz, weil «blond» keine solche Mehrdeutigkeit erkennen lässt. Jedenfalls keine beabsichtigte. Die Kandidatin will wohl kaum ernsthaft ihre Qualitäten als Klischee-Blondine bewerben.
So droht die Stereotypie am Ende noch zementiert zu werden. Das ist gewiss nicht im Sinn von Brigit Wyss, die explizit als «zweite Frau» in die Regierung möchte. Sie sollte die Strategie wechseln – und den Wählern nicht die Farbe ihrer Haare, sondern ihrer Politik verkaufen: grün.
Kommentar: Brigit Wyss müsste bedenken:
Wer so wirbt, kann beim Betrachter den Eindruck erwecken, das anvisierte Amt – oder die Wähler – nicht wirklich Ernst zu nehmen. Es hat sich immer wieder gezeigt, dass Selbstironie bei politischen Kampagnen tatsächlich gefährlich ist. Ich unterstütze den Rat: Die Kernbotschaft muss die politische Haltung der Kandidatin sein.
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